Ein-Fach-Lehrer*innen
Ein kleiner Baustein gegen den Lehrkräftemangel
Als Antwort auf den Lehrkräftemangel macht Hessen jetzt den Weg frei für sogenannte Ein-Fach-Lehrkräfte. Das Modell taugt auch als Vorbild für andere Bundesländer.
Überall werden händeringend Lehrkräfte gesucht. Deshalb erleichtert Hessen jetzt den Quereinstieg für Menschen mit Hochschulabschluss: Seit dem 1. Mai können neue Lehrkräfte – unter bestimmten Voraussetzungen – auch mit nur einem Fach in den Schuldienst übernommen und verbeamtet werden. Die Rede ist von sogenannten Ein-Fach-Lehrkräften. Ein guter Weg, um mehr Lehrkräfte zu gewinnen? „Ja“, findet Anja Bensinger-Stolze, im Vorstand der GEW für Schule verantwortlich. „Der Versuch ist erst einmal richtig. Damit bemüht sich Hessen, dem Lehrkräftemangel gegenzusteuern.“ Auch in einigen anderen Bundesländern gebe es bereits ähnliche Ansätze. „Allerdings kann diese Option nur ein kleiner Baustein sein.“ Ganz wichtig: Die neuen Lehrkräfte müssten „wirklich gut begleitet“ werden.
„Insbesondere für Lehrkräfte aus dem Ausland ergibt sich dadurch ein großer Vorteil.“ (Anja Bensinger-Stolze)
Bisher waren in Hessen zwei Fächer notwendig, um als Lehrkraft verbeamtet zu werden. Eine Änderung des Lehrkräftebildungsgesetzes eröffnet diesen Weg jetzt auch für Quereinsteigende mit nur einem Fach. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um ein Mangelfach handelt, dazu zählen derzeit unter anderem Kunst, Mathe, Physik, Musik und Informatik. Damit können die angehenden Lehrkräfte künftig – genau wie nach einem Lehramtsstudium – den Vorbereitungsdienst durchlaufen und das Zweite Staatsexamen ablegen. „Insbesondere für Lehrkräfte aus dem Ausland ergibt sich dadurch ein großer Vorteil“, meint Bensinger-Stolze. In vielen Staaten sei es üblich, dass Lehrkräfte nur ein Fach studieren. Wichtig sei, dass deren Abschlüsse generell schneller anerkannt werden.
„Die Erfahrung wird zeigen, wie viele zusätzliche Lehrkräfte dadurch gewonnen werden können.“
Der Quereinstieg kann in Hessen künftig auch für Menschen geöffnet werden, aus deren Studium sich gar kein Fach ableiten lässt, die aber einen pädagogischen Abschluss sowie mindestens ein Jahr Berufserfahrung vorweisen können. „Die Landesregierungen haben es viel zu lange versäumt, etwas gegen den Lehrkräftemangel zu tun“, kritisiert Bensinger-Stolze. Die aktuellen Ansätze kämen viel zu spät, aber wenigstens passiere endlich etwas. Wichtig sei, sich langfristig Gedanken zu machen, statt völlig übereilt kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen, unter denen die Qualität des Unterrichts leide.
Vor allem in Bundesländern, in denen die Not am größten ist, unterrichteten inzwischen Aushilfslehrkräfte, die überhaupt kein Studium vorzuweisen hätten. „Deshalb ist der Schritt von Hessen folgerichtig, um einer möglichen Dequalifizierung entgegenzuwirken“, sagt -Bensinger-Stolze. Der große Vorteil der Ein-Fach-Lehrkräfte: „Sie haben ein Fach studiert und sind darin fachlich gut ausgebildet.“ Die pädagogischen und didaktischen Kenntnisse müssten ihnen zusätzlich vermittelt werden. Klar sei, dass Ein-Fach-Lehrkräfte nicht die Lösung seien, sondern nur eine Maßnahme von vielen. Die Gewerkschafterin warnt vor zu großen Erwartungen: „Die Erfahrung wird zeigen, wie viele zusätzliche Lehrkräfte dadurch gewonnen werden können.“ Massen würden es sicher nicht werden.
Zahl der Quereinsteigenden bislang gering
Auch die GEW Hessen verweist darauf, dass es sich bisher um „kleine Zahlen“ handelte. So wurden 2023 in Hessen lediglich 80 Menschen für den Quereinstieg in den Schuldienst eingestellt, die direkt im Unterricht eingesetzt und berufsbegleitend weiterqualifiziert werden. Hinzu kamen 93 Menschen für den Vorbereitungsdienst. Interessant sei, so die GEW Hessen, dass die Bewerbungen für den Quereinstieg die Zahl der Einstellungen deutlich übertrafen. Am häufigsten scheiterte es daran, dass sich aus den Studien- und Prüfungsleistungen nicht das erforderliche zweite Unterrichtsfach ableiten ließ. Die Neuregelung passe die Anforderungen jetzt an, ohne das Niveau abzusenken. Dadurch sei zu erwarten, dass mehr Menschen eingestellt werden könnten.
Wichtig sei jedoch, betont Bensinger-Stolze, dass die neuen Lehrkräfte danach an den Schulen gut begleitet werden. Ob mit einem Fach oder mit zwei Fächern: Viel zu häufig würden die Quereinsteigenden nach dem Referendariat alleine gelassen, weil es an Kapazitäten fehlt. „Mit der Folge, dass viele wieder abspringen.“ Die meisten arbeiteten sehr gerne mit Kindern und Jugendlichen, hätten auch großen Spaß an ihrem Fach, fühlten sich aber alleine vor der Klasse völlig überfordert.
„Das ist fatal“, unterstreicht das GEW-Vorstandsmitglied. Deshalb gelte es, großen Wert auf professionelle Begleitung und Qualifizierung zu legen: Sowohl mit Blick auf Fortbildungen als auch auf das Mentoring vor Ort an Schulen – inklusive Ausgleich und Entlastung für die einzelnen Lehrkräfte. Das beste Mittel, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, ist Bensinger-Stolzes Meinung nach: „Insgesamt die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten.“