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Länderserie Digitalisierung

Ein bürokratisches Monster

Die Umsetzung des Digitalpakts kommt nur langsam voran. Das liegt auch am aufwändigen Antragsverfahren. Am schnellsten ist bisher Sachsen gewesen. Dort können Schulträger bereits seit Juni 2019 Mittel beantragen.

Die Mittel des Digitalpakts sind nur für die technische Ausstattung gedacht, die Kosten für Wartung, Support und Fortbildung der Lehrkräfte sind darin nicht eingerechnet. (Foto: imago images/Christian Ohde)

Jahrelang wurde diskutiert und verhandelt, bis der Digitalpakt Schule im Mai 2019 endlich in Kraft treten konnte. Doch die Umsetzung des Förderpakets, mit dem laut Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) „gute digitale Bildung unter pädagogischen Gesichtspunkten in den Schulen“ verwirklicht werden soll, läuft bislang nur schleppend. Ein halbes Jahr nach dem Start war von den 5,5 Milliarden Euro an Fördergeldern erst eine halbe Million abgerufen, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa in allen 16 Bundesländern. Nur in drei von ihnen – Bremen, Hamburg, Sachsen – war demnach bislang Geld geflossen.

Besonders schnell war Sachsen. Noch im Mai hatte der Freistaat seine Förderrichtlinie zur Umsetzung des Digitalpakts aufgelegt. Bereits seit Juni können Schulträger Mittel beantragen. Die Antragsphase läuft ein Jahr lang. Bis November wurden 13 Anträge mit einer Fördersumme von 5,5 Millionen Euro genehmigt, geflossen sind 140.000 Euro. Weitere 15 Anträge lagen vor. Insgesamt stehen Sachsen 250 Millionen Euro bis 2024 zur Verfügung. 25 Millionen davon steuern das Land Sachsen und die Kommunen bei. Auch bei Freien Schulen gibt es eine Beteiligung.

„Der Fortbildungsbedarf ist immens. Wir brauchen eine Qualifizierungswelle.“ (Jens Risse)

Dass die Gelder bislang nur langsam fließen, liegt auch an dem Antragsverfahren. „Das ist ein bürokratisches Monster“, sagt Jens Risse, stellvertretender Vorsitzender der GEW Sachsen. Die Schulträger, die die Mittel bei der Sächsischen Aufbaubank beantragen, müssen einen Medienentwicklungsplan erarbeiten; die Schulen, die die Mittel erhalten sollen, müssen ein Medienbildungskonzept vorlegen. Zwar hat das sächsische Kultusministerium dazu eine „Orientierungshilfe“ sowie detaillierte Empfehlungen veröffentlicht. Auch ein „unkompliziertes und schnelles Förderverfahren“ wurde zugesagt.

Dennoch sind die Anträge aufwändig. „Da wird viel Arbeit erzeugt und Arbeitszeit verbrannt“, sagt Risse. Für das erforderliche pädagogische Konzept hätten viele Lehrkräfte mit großem Aufwand Tabellen erstellt, in welchen Fächern welche digitalen Medien in welcher Form eingesetzt werden sollen. Dabei würden die eingereichten Unterlagen nur abgeheftet, sagt Risse. „Die finanzverwaltende Stelle – also die Aufbaubank – prüft ja nicht den Inhalt der Konzepte, sondern nur, ob alles vollständig ist.“ Mittlerweile habe das Ministerium aber eine Vereinfachung zugesagt.

Auch einen Fortbildungsplan für Lehrkräfte sollen die Schulen vorlegen. Hier sieht Risse ein weiteres Problem. „Der Fortbildungsbedarf ist immens“, sagt er. „Wir brauchen eine Qualifizierungswelle.“ Die Mittel des Digitalpakts können dafür aber nicht eingesetzt werden. Sie sind nur für technische Geräte wie interaktive Tafeln, Displays, Laptops oder Tablets gedacht sowie für die digitale Infrastruktur wie Server, Verkabelung und WLAN-Netzwerke.

Zweiter Digitalpakt notwendig

Dasselbe gilt für Wartung und Support. „Das ist im Pakt nicht eingerechnet“, sagt Berufsschullehrer Carsten Müller, der ehrenamtlich das Referat Schulische Bildung beim GEW-Landesverband Sachsen leitet. „Ich bekomme ein Problem, wenn ich die Geräte nur hinstelle und keiner sich kümmert.“ Müller fürchtet, dass die zusätzliche Arbeit an den PITKOs hängen bleiben wird, den Pädagogischen IT-Koordinatoren. Diese sind zumeist Informatiklehrer und müssen schon heute immer wieder einspringen, wenn Geräte zu reparieren sind, obwohl das gar nicht ihre Aufgabe ist. „Eigentlich“, sagt Müller, „müsste man einen zweiten Digitalpakt auflegen.“ Die jetzt vereinbarte Förderung sei „schon ein großer Schritt“, aber doch nur „eine Minimallösung“. Zudem könne die Digitalisierung der Schulen zu einer „Entgrenzung der Arbeitszeiten“ führen.

Dazu kommt: Für das Jahr 2024, wenn der Digitalpakt endet, ist in Sachsen eine „komplett neue Generation von Lehrplänen angekündigt, in denen auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle spielen wird“, sagt Risse. „Die jetzt angeschaffte Technik könnte dann schon veraltet sein.“