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Männer in pädagogischen Berufen

„Du als Mann …“

Männer werden in den Sozial- und Erziehungsberufen noch immer gesucht. Doch die, die im Care-Bereich arbeiten, sind mit Herz und Seele dabei. Manchmal erleben sie dabei klassische Rollen-Stereotype aus einer anderen Perspektive.

„Soziale Berufe werden nicht wertgeschätzt. Die Bezahlung müsste deutlich besser sein.“ Fabian Schmidt, Sozialarbeiter aus Berlin (Foto: Andrea Vidović)

Fabian Schmidt aus Berlin kann sich noch gut an ein typisches Bild aus seinen Studientagen erinnern. „An der Alice-Salomon-Hochschule für Soziale Arbeit“, so erzählt er, „saßen zu 80 Prozent Frauen.“ Sein persönlicher Befund trifft bis heute die realen Zahlenverhältnisse ziemlich genau. Seit Jahrzehnten hat sich das Geschlechterverhältnis in der sozialen Arbeit kaum verändert. Noch deutlicher ist es nur im Kita-Bereich: In der frühkindlichen Bildung sind lediglich 7 Prozent der Beschäftigten Männer, trotz aller Einsteigerprogramme und Appelle der Politik und Arbeitgeber. Unter den Grundschullehrkräften beträgt der Anteil der Männer etwas mehr als 11 Prozent.

"Neben einer besseren Bezahlung wäre ein diverseres Rollenbild ein echter Vorteil." (Till Janda, Erzieher / Foto: Christoph Bockheler)

Till Janda, 33 Jahre, Erzieher aus Mainz

Seit acht Jahren ist Till Janda Kita-Erzieher in Mainz. In der Kinderbetreuung hat er seine berufliche Heimat gefunden – als einer von drei Männern in einem zwölfköpfigen Team. „Für mich ist das Arbeitsumfeld sehr angenehm“, sagt der 33-Jährige. „Man hat nicht dieses Männer-Getue wie in anderen Berufen, in denen man immer Stärke zeigen und die Ellenbogen ausfahren muss.“ Er hat als Student im Messebau und in der Möbelmontage gejobbt und kennt das Macho-Gehabe anderer Kollegen. Außerdem war der Erzieherberuf sein zweiter Anlauf: Zunächst hatte er unter dem Eindruck seines in der Finanzbranche verorteten Elternhauses eine Ausbildung zum Bankkaufmann in einer Frankfurter Privatbank für gut betuchte Kunden begonnen. „Das war überhaupt nicht meine Welt.“

Während des Zivildienstes mit Demenzkranken erkannte Janda seine Stärken und fand den Weg, den er wirklich gehen wollte. „Meine Geduld im Umgang mit anderen Menschen wird von vielen geschätzt“, erzählt er. Statt des täglichen Umgangs mit Krankheit und Tod entschied er sich nach ein paar Semestern Soziologie und Politik an der Uni schließlich für das pralle Leben: die Betreuung von Kindern. Janda begann die Ausbildung zum Erzieher an einer staatlichen Schule, 2014 startete er in der Mainzer Kita sein Anerkennungsjahr. Zunächst arbeitete er mit Drei- bis Sechsjährigen, jetzt unterstützt er im Hort der Kita Maler-Becker-Schule vor allem Kinder im Grundschulalter.

„Neben einer besseren Bezahlung wäre ein diverseres Rollenbild ein echter Vorteil.“ (Till Janda)

Doch auch in der Kita erlebt er zuweilen klassische Rollenklischees. „Manchmal bekomme ich ganz typische Erwartungshaltungen zu spüren“, erzählt er. In Konfliktsituationen zum Beispiel. „Dann wird implizit von mir erwartet, dass ich als Mann doch mal die Dinge beim Namen nennen oder mit der Faust auf den Tisch hauen soll.“ Auch Fußball- und Werkstattprojekte werden zuerst ihm angetragen. „Dabei liegen meine Talente eher beim Zeichnen als darin, einen Nagel in die Wand zu schlagen.“

Trotz dieser gelegentlichen Momente schätzt Janda seinen Beruf sehr. Und er hat beobachtet: Je mehr Männer in einer Einrichtung tätig sind, umso geringer sind die Hürden für weitere männliche Bewerber. „Neben einer besseren Bezahlung wäre ein diverseres Rollenbild ein echter Vorteil“, sagt er. Es wäre eine Welt, in der Männer nicht immer für Fußball, Bauen und Kämpfen zuständig sind.

Fabian Schmidt, 36 Jahre, Sozialarbeiter aus Berlin

Auch bei Fabian Schmidt war es der Zivildienst, der ihn von einem ganz anderen Berufsweg in die Soziale Arbeit führte. Zunächst absolvierte er ein technisches Fachabitur und begann ein Studium der Umwelttechnik. Schon seine Mutter und seine Schwester sind in Ingenieurberufen tätig. „Aber mir fehlte einfach der Drive“, erzählt er. Schmidt machte eine kleine Lebenskrise durch und stellte fest: „Viele Menschen reproduzieren häufig die Vorbildrollen der Eltern – egal, ob sie dafür geeignet sind oder nicht. Die Bilder sitzen in den Köpfen fest.“ Doch die Unterstützung seiner Familie half ihm dabei, aus den tradierten Bahnen auszubrechen.

Schmidt brach das Studium ab und besann sich auf seine ersten Erfahrungen als Zivi in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Er absolvierte ein Praktikum beim Lernmobil e. V. in Berlin, der Verein organisiert Hilfen für junge Leute mit Beeinträchtigungen. Dann begann er als Seiteneinsteiger bei der Lebenshilfe. „Ich habe gemerkt: Ich mag den Bereich und eigne mich dafür.“ Menschen in besonderen Lebenslagen zu unterstützen, Solidarität zu leben und den Zusammenhalt zu stärken, ist ein Auftrag, den er gern ausfüllt. Schließlich studierte er an der Alice-Salomon-Hochschule Sozialarbeit. Seit vorigem Jahr arbeitet der 36-Jährige in der Familienhilfe und unterstützt Menschen dabei, wieder auf die Beine zu kommen.

„Die niedrigen Gehälter und die wenigen Aufstiegschancen schrecken viele Männer ab.“ (Fabian Schmidt)

Benachteiligt habe er sich als Mann in der vermeintlichen Frauenwelt nie gefühlt – im Gegenteil. „Man gehört ja zu einer dringend benötigten Minderheit, weil so wenige Männer auf dem Arbeitsmarkt sind“, sagt er. „Man kann sich seine Tätigkeit beinah aussuchen.“ Dass seine Chefinnen Frauen sind, empfindet er als angenehm, solange sie ihn nicht fragen: „Kannst du als Mann das nicht mal klären.“ Nur fehle es bis heute an gesellschaftlicher Anerkennung. „Soziale Berufe werden nicht wertgeschätzt“, sagt er. „Die Bezahlung müsste deutlich besser sein. Die niedrigen Gehälter und die wenigen Aufstiegschancen schrecken viele Männer ab.“

Doch auch wenn Schmidt manchmal mit einem „chronisch unterfinanzierten System hadert, das die Menschen fit machen soll für die kapitalistische Gesellschaft“: Für ihn ist die Sozialarbeit ein Traumberuf. „Praktische Solidarität zu leben und dafür bezahlt zu werden, das ist für mich ein idealer Zustand.“

"Es ist ein erfüllender Job, weil man so viel Grundlegendes bewirken kann." (Carsten Arnheim, Grundschullehrer / Foto: Babette Brandenburg)

Carsten Arnheim, 51 Jahre, Grundschullehrer aus Hamburg

Carsten Arnheim hatte schon früh Lust, auch jüngere Jahrgänge zu unterrichten. Mitte der 1990er-Jahre studierte er Lehramt für Grund- und Mittelstufe, dann begann er an einer Hamburger Gesamtschule zunächst mit seinem Lieblingsfach Physik. Seit mehreren Jahren arbeitet der heute 51-Jährige nun an der Adolph-Schönfelder-Grundschule in Hamburg-Barmbek. „Es ist ein erfüllender Job, weil man so viel Grundlegendes bewirken kann“, sagt Arnheim. „Nicht nur beim Schreiben, Lesen, Rechnen – sondern in sozialen Kompetenzen, Konfliktverhalten und anderen Lebensbereichen.“ Dabei war der natur- und technikbegeisterte Lehrer anfangs mit einer Ausbildung zum Industrie-Elektroniker ins Berufsleben gestartet. „Aber ich merkte bald: Ich will intensiver mit Menschen arbeiten.“

„Es war ja keine Überraschung, ich konnte mich drauf einstellen und wurde immer mit offenen Armen empfangen.“ (Carsten Arnheim)

Während des Zivildiensts nach der Ausbildung eröffneten sich ihm neue Perspektiven: Er arbeitete im sozialen mobilen Hilfsdienst auf St. Pauli für Menschen, die im Alltag Unterstützung benötigen. „Während dieser Zeit beschäftigte ich mich viel mit der Frage, wie ein Mensch lernt und vergisst – und dachte viel über meine eigene Schulzeit nach“, erzählt er. „So bin ich zum Lehrerberuf gekommen.“ Dass er im Grundschulbereich fast nur mit Frauen zusammenarbeitet, sei für ihn nie ein Problem gewesen: „Es war ja keine Überraschung, ich konnte mich drauf einstellen und wurde immer mit offenen Armen empfangen.“

Arnheim ist ein erfahrener Schulpersonalrat, seine Unterstützung ist im Kollegium oft gefragt. „Manchmal sind Kolleginnen froh, wenn ich nach vorn gehe. Die meisten Schulleitungen sind ja immer noch mit Männern besetzt.“ Der Hamburger Pädagoge ist zudem jemand, der Abwechslung und neue Herausforderungen sucht. Er hat schon mehrfach die Schule gewechselt, um neue Unterrichtskonzepte kennenzulernen, andere Aufgaben und andere Jahrgänge zu übernehmen. Wenn er seine 3. Klasse in anderthalb Jahren abgibt, hätte er Lust, mal wieder Physik in älteren Jahrgängen zu unterrichten. Und in einem gemischten Kollegium, sagt Arnheim, finde er öfter mal Themen wieder, die ihn auch neben der Schule bewegen.