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Sozial- und Erziehungsdienst

Dritte Verhandlungsrunde mobilisiert erneut Tausende Beschäftigte

Wenige Tage vor der möglicherweise entscheidenden dritten Tarifrunde haben Tausende Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst den Arbeitgebern im Warnstreik noch einmal signalisiert, wie ernst es ihnen mit ihren Forderungen ist.

Zuletzt aktualisiert am 13.5.2022

Ein Schwerpunkt der ganztätigen Warnstreiks ist in dieser Woche erneut Sachsen gewesen. Dem Aufruf der GEW folgten dort mehr als 1.400 Erzieherinnen und Erzieher. „Seit Februar läuft die derzeitige Tarifrunde im Sozial- und Erziehungsdienst, in der die Arbeitgeber noch kein Angebot vorgelegt haben. Dabei hatten sie zwei Jahre Zeit, sich Gedanken zu machen. Es liegt ganz klar bei ihnen, sich in der am kommenden Montag beginnenden dritten Verhandlungsrunde nun auf die Gewerkschaften zuzubewegen und annehmbare Angebote vorzulegen“, sagte die Landesvorsitzende Uschi Kruse.

„Wir sind hier, weil wir uns Sorgen um die frühkindliche Bildung machen. Schließlich geht es um die kommende Generation.“ (Erzieherin aus Görlitz)

Eine Görlitzer Erzieherin betonte auf auf der Streikversammlung in Dresden: „Wir sind hier, weil wir uns Sorgen um die frühkindliche Bildung machen. Schließlich geht es um die kommende Generation. Die wird momentan im besten Fall betreut, von Bildung kann flächendeckend keine Rede sein. Dazu braucht man ausreichend und motivierte pädagogische Fachkräfte.“

Die Warnstreiks in Bildern

Warnstreiks von Nord bis Süd

In Hamburg waren am heutigen Freitag, den 13.5. noch einmal mehr als 2.000 Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienst in Hamburg im Warnstreik. Die Streikenden versammelten sich dort zunächst auf dem Gänsemarkt. Anschließend setzte sich der Demozug zum DGB-Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof in Bewegung. „Wir sind sind heute gemeinsam hier, um allen und ganz besonders den Arbeitgebern zu zeigen: Ihr seid Profis – eine angemessene Aufwertung ist längst überfällig!“, sagte Jens Kastner, Kita-Experte der GEW Hamburg während der Kundgebung.

In Baden-Württemberg legten in den vergangenen Tagen insgesamt und 9.000 Beschäftigte die Arbeit nieder und nahmen an zentralen Kundgebungen in Stuttgart, Freiburg, Ulm, Reutlingen und Heilbronn teil. „Die kommunalen Arbeitgeber müssen nächste Woche in Potsdam endlich konstruktiv verhandeln“, forderte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein am Donnerstag in Stuttgart. „Nur mit einer besseren Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen wird der Beruf attraktiv für junge Menschen.“ Alleine in Baden-Württemberg fehlten in den nächsten Jahren 40.000 Erzieherinnen und Erzieher. „Der Fachkräftemangel lässt sich nicht wegsparen und geht schon jetzt zu Lasten der Beschäftigten und deren Gesundheit.“

„Die Kolleginnen sehen es jeden Tag: Es gibt in den Kitas bereits jetzt zu wenig Personal. Und der Fachkräftemangel wird zukünftig noch größer.“ (Ayla Celik)

Ähnlich äußerte sich die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Ayla Celik am Mittwoch bei einer Kundgebung in Gelsenkirchen. „Die Kolleginnen sehen es jeden Tag: Es gibt in den Kitas bereits jetzt zu wenig Personal. Und der Fachkräftemangel wird zukünftig noch größer. Bis 2030 fehlen in NRW 67.000 Erzieherinnen. Die bekommt man nicht mit warmen Worten.“ Vielmehr gehe es um konkrete Verbesserungen bei der Eingruppierung und spürbare Entlastungen im Arbeitsalltag. Schon jetzt verließen Erzieherinnen und Erzieher das Arbeitsfeld, weil die Bedingungen zu schlecht und die Bezahlung zu gering sei.

„Wenn nicht gehandelt wird, wird sich die Situation für alle auf unzumutbare Weise verschärfen.“ (Max Hewer)

Mehr als 1.000 Beschäftigte aus Sozial- und Erziehungsberufen machten am 12. Mai auch die Stadt Kirchheimbolanden zu einem landesweiten Streikzentrum. „Die große Resonanz auf unseren Aufruf zeigt deutlich, dass die Beschäftigten in den Sozial- und Erzie­hungsberufen in der laufenden Tarifrunde jetzt ein Angebot der kommunalen Arbeitgeber erwarten, wel­ches ihr berufliches Engagement würdigt und gleichzeitig die Rolle der Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe für unsere Gesellschaft ernsthaft anerkennt“, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Kathrin Gröning begleitet von lautem Beifall der Streikenden.

In Schleswig-Holstein haben ebenfalls rund 1.200 Beschäftigte aus Sozial- und Erziehungsberufen die Arbeit niedergelegt. Auch im Norden, aber in Hamburg waren sogar gut 2.500 Streikende auf dem Gänsemark unterwegs. In Saarbrücken zogen rund 1.000 Streikende durch die Stadt. Bei der anschließenden Kundgebung sagte der GEW-Landesvorsitzende Max Hewer: „Das System Kita, zusammen mit den anderen Bildungseinrichtungen der Jugendhilfe und Sozialarbeit, steht mit dem Rücken zur Wand. Wenn nicht gehandelt wird, wird sich die Situation für alle auf unzumutbare Weise verschärfen.“ Laut Prognose der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2021 werden bundesweit für eine kindgerechte Personalausstattung bei gleichzeitigem Kitaplatzausbau bis 2030 mehr als 230.000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen.

„Von lobenden Worten und ein paar Mal in die Hände klatschen werden die Arbeitsbedingungen nicht besser.“ (Daniel Merbitz)

GEW-Tarifexperte Daniel Merbitz forderte die Arbeitgeber auf der zentralen Warnstreikkundgebung in München dazu auf, sich im Tarifstreit endlich zu bewegen: „Von lobenden Worten und ein paar Mal in die Hände klatschen werden die Arbeitsbedingungen nicht besser. Die kommunalen Arbeitgeber ducken sich weg und blockieren Verbesserungen für die Beschäftigten.“

Entscheidende Runde

Bundesweit arbeiten eine Million pädagogische Fachkräfte im Sozial- und Erziehungsdienst. Direkt betroffen von den Verhandlungen sind rund 330.000 Beschäftigte bei den Kommunen – in Kindertagesstätten, Jugendämtern, Schulen, der Schulsozialarbeit und anderen sozialen Einrichtungen. Die Gewerkschaften fordern bessere Arbeitsbedingungen, eine finanzielle Aufwertung und mehr Zeit für Qualität in der Arbeit, etwa durch feste Zeiten für die Vor- und Nachbereitung.

Dazu verhandelt die Gewerkschaft ver.di, die für die DGB-Gewerkschaften die Verhandlungen führt, seit dem 25. Februar 2022 mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über die Weiterentwicklung der Sonderregelungen und der Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). In den ersten beiden Verhandlungsrunde legten die Arbeitgeber kein Angebot vor.

Die Verhandlungen gehen vom 16. bis 17. Mai in die dritte und möglicherweise entscheidende Runde.