Neue Kitastudie der Bertelsmann Stiftung
„Dramatisch hohe Krankheitsausfälle“ in Kitas
Kita-Mitarbeitende sind laut einer neuen Studie deutlich häufiger krank als der Durchschnitt aller Berufsgruppen. Die GEW sieht die Qualität der frühkindlichen Bildung gefährdet und fordert die Politik zum Handeln auf.
Beschäftigte in der Kinderbetreuung und -erziehung sind im vergangenen Jahr durchschnittlich an knapp 30 Tagen krankgeschrieben gewesen - das sind rund zehn Tage mehr als der Schnitt bei allen Berufsgruppen. Zwischen 2021 und 2023 seien die krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitstage des Kita-Personals zudem um rund 26 Prozent angestiegen, teilte die Bertelsmann Stiftung am Dienstag nach Auswertung von Daten der Krankenkassen mit und sprach von “dramatisch hohen Krankheitsausfällen”. Die GEW sieht dringenden Handlungsbedarf aller Verantwortlichen, um die Beschäftigten in der frühkindlichen Bildung zu entlasten.
„Jetzt sind schnelle und gezielte Maßnahmen von Bund und Ländern notwendig, um den Personalengpass zu beheben. Es muss sichergestellt werden, dass eine qualifizierte Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder gewährleistet bleibt." (Doreen Siebernik)
„Die Fachkräfte in den Kitas sind stark überlastet und stecken in einer ernsten Krise. Durch die hohen Krankheitsausfälle gerät das Personal zunehmend unter außerordentlichen Druck. Das gefährdet die Qualität der frühkindlichen Bildung stark“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, in Frankfurt am Main. „Jetzt sind schnelle und gezielte Maßnahmen von Bund und Ländern notwendig, um den Personalengpass zu beheben. Es muss sichergestellt werden, dass eine qualifizierte Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder gewährleistet bleibt, Kinder haben ein Recht darauf!“
Psychische Erkrankungen steigen
Am häufigsten fielen Kita-Beschäftigte im Jahr 2023 laut Bertelsmann Stiftung aufgrund von Atemwegsinfektionen aus, auf Platz zwei folgen psychische Erkrankungen. Die Arbeitsunfähigkeitstage infolge psychischer Erkrankungen stiegen in den vergangenen Jahren zudem stark an und liegen deutlich höher als im Schnitt aller Berufsgruppen.
Auch der Krankenstand, also der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage an den Soll-Arbeitstagen, fiel mit rund acht Prozent im Kita-Bereich höher aus als der Mittelwert aller Berufsgruppen, der bei rund sechs Prozent lag.
Es fehlen 97.000 Vollzeit-Fachkräfte
„Viele Kitas stecken in einem Teufelskreis: Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt. An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken“, sagte Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung.
Die Bertelsmann Stiftung und das Fachkräfte-Forum aus Kita-Fachkräften, Leitungskräften und Fachberaterinnen und -beratern plädieren in einem Positionspapier daher dafür, Vertretungen durch qualifiziertes Personal für alle Ausfallzeiten zu finanzieren. Mit Blick auf die aktuellen Ausfallzeiten je Bundesland müssten dazu bundesweit zusätzlich knapp 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte eingestellt werden. Dies würde zusätzliche Personalkosten von rund 5,8 Milliarden Euro pro Jahr verursachen.
GEW: Qualifikation nicht senken
„Wenn unqualifiziertes Personal eingesetzt wird, erfordert das die zusätzliche Anleitung und Unterstützung durch Fachkräfte. Das erhöht deren Arbeitslast weiter und beeinflusst die Qualität der Betreuung negativ.“ (Doreen Siebernik)
Siebernik warnte jedoch davor, die Standards für pädagogische Qualifikationen zu senken, um die Personalnot zu kompensieren. In einigen westlichen Bundesländern gäbe es Tendenzen, nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Vertretungen einzusetzen. „Wenn unqualifiziertes Personal eingesetzt wird, erfordert das die zusätzliche Anleitung und Unterstützung durch Fachkräfte. Das erhöht deren Arbeitslast weiter und beeinflusst die Qualität der Betreuung negativ“, erklärte die Expertin. Daher sollten die in der Fachkräftestrategie angestrebten Maßnahmen umgesetzt und ausreichend finanziert werden.
Kita-Qualitätsgesetz mit einheitlichen Standards
Die GEW setzt sich seit langem für ein bundesweites Kita-Qualitätsgesetz mit einheitlichen Standards sowie für eine umfassende Fachkräfteoffensive ein. Zentral sind dabei
- eine bessere Fachkraft-Kind-Relation,
- mehr Zeit für Leitungsaufgaben in der Kita,
- Zeit für Vor- und Nachbereitung,
- das Recht auf Fort- und Weiterbildung sowie
- Fachberatung.
Die Daten zu den in der Studie der Bertelsmann Stiftung genannten Krankenständen stammen von der DAK-Gesundheit und beziehen sich auf die Jahre 2020 bis 2023. Die Häufigkeit der Diagnosen kann Auswertungen der Techniker Krankenkasse entnommen werden.