Die jüngst vorgestellte „Empirische Untersuchung zur Versorgung von Mädchen und Jungen, deren Missbrauchsabbildungen bzw. Sextingabbildungen digital verbreitet werden“ des Vereins Innocence in Danger hat dem Thema Schule ein eigenes Kapitel gewidmet. Dazu wurden 84 Schulen mit 33.732 Schülerinnen und Schülern aus 7 Bundesländern befragt.
Die GEW dokumentiert einige der Ergebnisse: |
Fallzahlen ungewollter Weiterverbreitung von Sexting-Aufnahmen:
- 46 Schulen (54,7 Prozent) berichten für 2010 bis 2015 437 Fälle mit 462 betroffenen Schülerinnen und Schülern – das entspricht etwa 2 Betroffenen pro Jahr für diese Schulen. Hochgerechnet auf etwa 33.000 Schulen bundesweit entspräche das 33.000 Fällen pro Jahr.
- Mädchen sind am häufigsten betroffen (75 Prozent). Die meisten Betroffenen (rund 64 Prozent) sind 11 bis 14 Jahre alt.
- 33 Schulen (39 Prozent) berichteten für 2010 bis 2015 von 676 verbreitenden Schüleinnen und Schülern. Es sind mehr Mädchen und Jungen an der Verbreitung intimer Aufnahmen beteiligt als davon betroffen.
- In der Altersgruppe 11 bis 14 Jahre verbreiten etwa gleich viele Mädchen wie Jungen. In der Altersgruppe 15 bis 18 Jahre überwiegen mit zwei Dritteln die männlichen Verbreiter.
Reaktionen auf Betroffene und Einschätzungen von Lehrkräften:
- Lehrkräfte sehen sich mit Abstand als größte Fürsprecher für Betroffene von „Sharegewaltigung“ (96 Prozent).
- Es lassen sich zwei Haltungen von Lehrkräften ausmachen. Typ 1: „Ich möchte gar nicht alles wissen. Weil, wenn ich es weiß, muss ich reagieren.“ Typ 2: „Da geht es auch um meinen Job, meine Schüler zu schützen.“
- Die Versorgung Betroffener findet nur selten statt, weil sich Schülerinnen und Schüler erst spät oder gar nicht an Lehrkräfte wenden. Möglicherweise ist das Thema schambesetzt oder die Opfer haben Angst vor Schuldumkehr.
Wie sehen Lehrkräfte die Verantwortungsaufteilung im System Schule?
- Lehrkräfte sehen sich als geeignete Beratungsinstanz für Schülerinnen, Schüler und Eltern, weil sie bestenfalls mit Polizei, Beratungsstellen und Jugendämtern kooperieren.
- Zum Teil fehlt es Schulen an Schutzkonzepten und Ansprechpersonen, so dass Lehrkräfte unsicher sind, wegschauen oder sich nicht handlungsfähig fühlen. Sie sehen sich aber grundsätzlich in der Verantwortung, zu agieren.
- Kooperationen mit Schul- und Jugendämtern werden als wichtige Voraussetzung zur besseren Versorgung angesehen – in der Realität sind diese aber nicht immer gegeben.
Welchen Bedarf sehen Lehrkräfte für eine bessere Versorgung und Prävention?
- Zu den Themen Sexting und digitale sexualisierte Gewalt fehlt es vielen Lehrkräften an Wissen. 97 Prozent wünschen sich Fortbildungen.
- In vielen Schulen fehlt ein ausgewiesenes Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt.
- Gute Versorgung und Prävention braucht Zeit und Raum, aber häufig fehlt es an mehr Personal, klaren Handlungsleitfäden und einer „Kultur des Hinschauens“.
- Die Prävention von sexualisierter (digitaler) Gewalt muss fest in Schulstrukturen verankert werden.