Foto: Manfred Brinkmann
Ein ganz besonderer Workshop wurde in Tunis vom österreichischen Sozialforum und der Gruppe „Prague Spring II- Network against the far right“ veranstaltet. Es kamen Vertreter der Zivilgesellschaft aus dem Donbass und der Westukraine zusammen, um einen Dialog über Frieden und soziale Gerechtigkeit zu führen. Moderator Leo Gabriel vom ÖSF hob den „historischen Moment“ hervor, denn zum ersten Mal überhaupt seit Beginn des Krieges in der Ukraine kamen linke Aktivisten von beiden Seiten zusammen an einen Tisch. Bisherige Versuche waren an Visabestimmungen gescheitert. So musste man also nach Tunis reisen, um sich überhaupt Auge in Auge treffen zu können.
Gegen Hass und Kriegshysterie auf beiden Seiten
Die Dialogpartner konnten sich überraschend schnell und umfassend auf gemeinsame Positionen einigen, die bereits im Vorfeld des Workshops in einem Joint Statement festgehalten wurden. Einig ist man sich darin, dass der Krieg den Menschen in der Ukraine von außen aufgezwungen wurde – von eben jenen Oligarchen, gegen die sich die Maidanbewegung richtete. Diese ziehen auch heute noch die Strippen, im Osten wie im Westen des Landes. Der Einfluss des Auslandes tut ein Übriges. So heißt es im Joint Statement: „Wir stehen gegen unseren Willen auf verschiedenen Seiten der Front.“ Es wird ein wirksamer Waffenstillstand gefordert und das „Aufblasen von Hass und Kriegshysterie auf beiden Seiten“ verurteilt. Den Opfern der Krieges müsse schnell geholfen und der Wiederaufbau des Donbass ermöglicht werden.
Alexander Smekalin, Gewerkschafter und Abgeordneter der Volksrepublik Donetzk, hob den gemeinsamen Klassenstandpunkt aller ukrainischen Arbeiterinnen und Arbeiter hervor. Diese litten nicht nur unter dem Krieg und der ökonomischen Blockade der Donbassregion, sondern auch unter der extremen Austeritätspolitik der Kiever Regierung. Darin pflichtete ihm Zakhar Popovych, Maidanaktivist aus Kiev, bei. Zugleich verteidigte er die Maidanbewegung. In ihren Reihen hätten sich zwar tatsächlich Rechtsradikale befunden, aber eben auch progressive Aktivisten und Linke. Militante Neonazis, so berichteten beide, kämpfen heute auf beiden Seiten der Front.
Von der Friedensbewegung der achtziger Jahre lernen
Was können wir tun? Nadja Shevchenko vom alternativen Kiever Kanal Spilno.tv und ebenfalls auf dem Maidan dabei, wünscht sich von westlichen NGOs, dass sie helfen die Forderungen der ukrainischen Akivisten international hörbar zu machen. Von den Erfahrungen der Friedensbewegten der achtziger Jahre könne gelernt werden, wie Feindbilder abgebaut und die „Kultur einer Friedensbewegung“ entwickelt würden. Nina Potarksa vom Center für Social and Labor Research in Kiev hob hervor, dass NGOs in der ganzen Ukraine sich meist unterschiedslos um Kriegsopfer kümmerten – Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Standpunktes eines „gemeinsamen Humanismus“.
Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament, nahm ebenfalls an dem Workshop teil und zitierte Berta von Suttner: „Die Waffen nieder“. Sie nennt es einen Skandal, dass weder ihre Fraktion, noch die europäische Linke oder die Friedensbewegung bisher eine gemeinsame Position zum Ukrainekonflikt gefunden haben. Statt die Situation der Menschen in den Blick zu nehmen, werde über globale Schuldfragen diskutiert, zuweilen in einem angestaubten Jargon. Direkte Informationen von linken Gruppen aus der Region seien eminent wichtig für eine Positionsfindung der progressiven Kräfte in Europa.
In der offenen Diskussion am Ende des Seminars wurde eine Vielzahl von konkreten Ideen zusammengetragen, wie die europäische und globale Friedensbewegung helfen könnte. Auffällig war die breite Zusammensetzung des Publikums – Diskutanten aus Schweden, Russland und Tschechien waren ebenso vertreten wie interessierte Zuhörerinnen aus dem Maghreb und von Attac Japan. Leo Gabriel schloss die Diskussion mit dem Appell, „Hilfe zu globalisieren“ und an der begonnenen Positionsfindung gemeinsam weiterzuarbeiten.
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