Lara Schu studiert Informatik in Kaiserslautern, Yvonne Wechuli promoviert im Fach Heilpädagogik in Köln, Oliver Henneberg arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Astronomie und Physik in Potsdam. Was sie verbindet? Sie alle finden, dass die Lehre an den Hochschulen vernachlässigt wird und es mehr als nur des guten Willens der Lehrenden bedarf, sie aufzuwerten.
Deshalb sind sie Ende September ins rheinland-pfälzische Budenheim gereist, hier hatte die GEW zur Wissenschaftskonferenz geladen. Von der Frage, was „gute Lehre“ bedeutet, über die finanziellen Rahmenbedingungen bis zur Akkreditierung von Studiengängen widmen sich die gut 110 Teilnehmenden, Referentinnen und Referenten vier Tage lang dem Aschenputtel im Hochschulalltag.
Dass die Lehre im Vergleich zur Forschung stiefmütterlich behandelt wird, ist unumstritten. Die Universitäten profilieren sich primär über ihre Forschungsleistungen. Für manche Professorin und manchen Professor sind Studium und Lehre nachrangig. Das erlebt Schu, die als Studentin hinzugezogen wird, wenn Studiengänge auf ihre Qualität hin begutachtet werden, immer wieder. Seit der Bologna-Reform gibt es die Akkreditierung von neuen Studiengängen. „Bei jeder Begehung ist mindestens ein Professor dabei, der die Kriterien für die Begutachtung nicht kennt“, berichtet Schu.
Während sie einerseits um Drittmittel und prestigeträchtige Forschungsprojekte wetteifern, müssen sich die Hochschulen auf der anderen Seite seit gut einem Jahrzehnt um viel mehr Studierende kümmern. Auch zum Wintersemester 2018/19 strömt Prognosen zufolge wieder rund ein halbe Million Erstsemester an die Hochschulen – ein Ende des Runs auf die Unis ist nicht absehbar. Laut Andreas Keller, im Vorstand der GEW für Hochschule und Forschung verantwortlich, müsste man längst nicht mehr vom Studierendenberg, sondern vom Hochplateau sprechen.
Doch was ist „gute Lehre“? Eine, die viele Absolventinnen und Absolventen produziert? Eine, bei der Kompetenzvermittlung oder aber das kritische Denken im Vordergrund steht? Die den Studierenden viele Freiräume lässt oder ihnen feste Strukturen vorgibt? Darüber müssten sich die Hochschulen verstärkt Gedanken machen, findet der Wissenschaftsrat, der 2017 ein Papier mit Strategien für die Hochschullehre veröffentlicht hat. Das Beratergremium sieht zwar überall erfreuliche Fortschritte, wenn es darum geht, die Lehrkultur zu stärken, findet aber zu wenig Struktur. Lehre müsse eine Gemeinschaftsaufgabe werden, die alle angeht, fordert der Rat.
„Entscheidend ist der Mittelbau.“ (Carsten Würmann)
Doch die Hochschulen arbeiten unter schwierigen Bedingungen – Zeit und Geld sind knapp. Ausgebildet und betreut werden die Studierenden hauptsächlich von – oft prekär beschäftigten – Dozentinnen und Dozenten. Das ergeben auch Zahlen, die Carsten Würmann vom Zentrum für Bildungsforschung der Universität Halle-Wittenberg zusammengetragen hat. Er durchforstete exemplarisch die Vorlesungsverzeichnisse von vier Hochschulen und kam zu dem Ergebnis: „Entscheidend für die Aufrechterhaltung der Lehre ist der Mittelbau.“ Nur an zehn von 44 untersuchten Fachbereichen erbrachten Professoren mehr als die Hälfte der Lehre. Die Daten stammen aus dem Jahr 2009, Tendenz laut Fachleuten eher fallend.
Nur jede zehnte Stelle im Mittelbau ist unbefristet. Oliver Henneberg, der in Potsdam eine der raren festen Mittelbaustellen innehat, meint: „50 Prozent der Stellen an Hochschulen sollten unbefristet sein.“ Ein Gutteil der Lehre wird zudem unentgeltlich geleistet, wie Würmanns Studie zeigt. Das erlebte auch die Heilpädagogin Wechuli, als sie noch in München promovierte. Schwarz auf weiß habe in ihren Verträgen gestanden, dass sie keine Lehre zu leisten habe. Trotzdem stand sie irgendwann vor Studierenden. „So läuft das eben: Wenn Not am Mann ist, springt jemand ein. Anders würde es gar nicht gehen“, erzählt Wechuli. Eigentlich mache es ihr richtig Spaß, den Studierenden etwas beizubringen, „es ist nur mega blöd, wenn das eigentlich nicht deine Aufgabe ist, sondern nur on top und ehrenamtlich geleistet wird“.
Ob die Hochschulen weiterhin vor allem prekär Beschäftigte für die Lehre anheuern oder – wie es auch der Wissenschaftsrat fordert – Daueraufgaben künftig von dauerhaft Beschäftigten erledigt werden, hängt entscheidend davon ab, wie die Finanzierungsbasis künftig beschaffen ist. Ein wichtiges Element ist hier der Hochschulpakt. Von Bund und Ländern ursprünglich beschlossen, um den Anstieg der Studierendenzahlen kurzfristig abzufedern, verhandeln beide Seiten derzeit darüber, wie und zu welchen Konditionen sie den Hochschulen das Geld dauerhaft zukommen lassen können.
Die GEW fordert in ihrem Budenheimer Memorandum, dass der neue Hochschulpakt nicht nur verstetigt wird, sondern auch dazu beiträgt, die Betreuungsrelationen spürbar zu verbessern. Mindestens eine Professorin oder ein Professor für 40 Studierende sei notwendig, so die Gewerkschaft. Das jedoch setzt entsprechend mehr festes Personal und mehr Geld voraus.
2020 läuft der Hochschulpakt aus – und langsam werden die Hochschulen nervös. Gerade Fachhochschulen sind auf das Geld angewiesen. Die Hochschule RheinMain etwa kümmert sich heute um 80 Prozent mehr Studierende als noch vor zehn Jahren. Ein Drittel des Budgets komme mittlerweile aus dem Hochschulpakt, erläutert Kanzlerin Ayse Asar auf der GEW-Konferenz. Und wenn der Pakt ausläuft? „Dann können wir dichtmachen“, meint Asar. Bestätigung kommt von Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt am Main: „Schluss mit der Projektitis, wir brauchen Dauermittel.“
Wenig Optimismus verbreitet Salvatore Barbaro (SPD), Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministerium: Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern verliefen schleppend. Und das Thema „Gute Arbeit“ sei noch gar nicht zur Sprache gekommen. Am 8. November wird sich die GEW auf dem Follow-up-Kongress zum Templiner Manifest in die Diskussion um den Hochschulpakt einmischen.