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Die neuen Bund-Länder-Pakte unter der Lupe

Trotz massiver Kritik von Wissenschaftler_innen, Studierenden und der GEW haben die Regierungschefinnen und -chefs von Bund und Ländern am 16. Juni unter dem neuen Namen „Exzellenzstrategie“ die Verlängerung der Exzellenzinitiative beschlossen.

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Eine reine Verlängerung ist es aber tatsächlich nicht. Ironie der Geschichte: Die 2014 beschlossene Lockerung des Kooperationsverbots im Grundgesetz wird ausgerechnet dafür benutzt, das Programm zur Förderung der Spitzenforschung an ausgesuchten Universitäten zu verstetigen - es ist "auf unbestimmte Zeit" angelegt. Politisch gewollt ist weiter, dass Unis, die einmal den Exzellenzstatus ergattert haben, nach einer Evaluation alle sieben Jahre gute Aussichten auf eine Weiterförderung haben.

Gegenüber dem von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) verabschiedeten Konzept haben sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs nach der Kritik des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg auf einige Korrekturen verständigt. Statt wie bisher geplant acht bis elf sollen definitiv elf Exzellenzuniversitäten gekürt werden. Und auf jeden Fall soll es nach sieben Jahren vier neue Exzellenzuniversitäten geben. Sollten alle elf Unis nach sieben Jahren positiv evaluiert werden und die Voraussetzungen für eine Weiterförderung als Exzellenzuniversität erfüllen, muss die Zahl der Exzellenzunis auf 15 aufgestockt werden.

Es bleibt die von der GEW wiederholte grundsätzliche Kritik am Exzellenzprogramm. Auf unbestimmte Zeit fließen Jahr für Jahr 530 Millionen Euro in die die Förderung der Spitzenforschung an wenigen Unis - sehr viel Geld, das für mehr Studienplätze, bessere Betreuungsrelationen sowie stabile Beschäftigung und verlässliche Karrierewege für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fehlt. Statt für gleichwertige Studien- und Beschäftigungsbedingungen im Bundesgebiet zu sorgen, setzen Bund und Länder auf mehr Wettbewerb und strukturelle Hierarchien im Hochschulsystem.

Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Trotz Schwächen wichtiger Reformimpuls

Erwartungsgemäß haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 16. Juni grünes Licht für das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gegeben. Dafür steht über einen Zeitraum von 15 Jahren von 2017 bis 2032 insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung. Erklärtes Ziel des Programms ist, Karrierewege an Universitäten "besser planbar und transparenter zu gestalten".

Mit dem Programm wird die Einrichtung von insgesamt 1.000 Tenure-Track-Professuren an den Universitäten gefördert. Die Förderung erstreckt sich für jede Professur auf eine Laufzeit von sechs Jahren, bei Geburt oder Adoption von Kindern kann die Förderung um zwei Jahre verlängert werden. Im Falle einer positiven Evaluation sind die Tenure Track-Professorinnen und -Professoren auf eine unbefristete Professur zu überführen.

Entscheidend ist, dass das Programm von den geförderten Universitäten den Nachweis eines Personalentwicklungskonzepts verlangt, das systematische Aussagen zur Weiterentwicklung der Personalstruktur und Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern macht. Wenn diese Fördervoraussetzung tatsächlich ernst genommen wird, wird das Programm nicht wie viele andere Bund-Länder-Programm für eine begrenzte Zeit Geld und befristete Stellen ins System spülen, sondern nachhaltig wirken und Impulse für die Schaffung verlässlicher Karrierewege auch über die unmittelbar geförderte Tenure-Track-Professur hinaus geben.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Programm auf den dauerhaften Aufbau von Tenure-Track-Professuren angelegt ist. Jedes Bundesland muss sicherstellen, das sich die Zahl der Tenure-Track-Professorinnen und -Professoren wie auch der unbefristeten Professorinnen und Professoren an den antragsberechtigen Unis entsprechend erhöht und auch nach Auslaufen des Programms erhalten bleibt. So sollen Mitnahmeeffekte vermieden werden. Und die eingerichteten Tenure-Track-Professuren können immer wieder neu ausgeschrieben werden.

Stichtag für diese Regelung war der 1. Dezember 2014. Für die Länder Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es aber eine Sonderregelung: Bei ihnen sind bis 2015 getroffene Entscheidungen über Stellenkürzungen zu berücksichtigen: Das Programm kann dort also zur Finanzierung der Rücknahme von Kürzung verwendet werden. Hier gilt es genau hinzusehen, um Taschenspielertricks der Finanzministerinnen und Finanzminister, Unikanzlerinnen und Unikanzler zu vermeiden.

Die GEW hat die Ausgestaltung des Programms wiederholt kritisiert. Mit einem Volumen von 1.000 Tenure-Track-Professuren greift es quantitativ zu kurz. Nötig wären 5.000 Tenure-Track-Professuren - das hat die Bildungsgewerkschaft im April 2016 gestützt auf Berechnungen des Instituts für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gefordert. Inhaltlich hat die GEW das Fehlen von Gleichstellungsstandards kritisiert und vorgeschlagen, mindestens 50 Prozent der Tenure-Track-Professuren für qualifizierte Wissenschaftlerinnen zu reservieren. Bedauerlich ist weiter, dass in der Auswahlkommission keine Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen, die die Interessen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vertreten, etwa die GEW, mitwirken sollen.

Trotz der Kritik an der Ausgestaltung des Programms ist das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ein weiterer Teilerfolg der GEW-Kampagne für den "Traumjob Wissenschaft". Bereits 2013 hatte die GEW im Köpenicker Appell ein Bund-Länder-Programm für verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft vorgeschlagen und diesen Vorschlag im April 2016 im "Fünf-Punkte-Programm zur Durchsetzung des neuen Befristungsrechts in der Wissenschaft" wiederholt

"Innovative Hochschule": Trostpflaster für Fachhochschulen sowie kleinere und mittlere Universitäten

Schließlich haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern am 16. Juni auch das neue Bund-Länder-Programm zur Förderung des forschungsbasierten Ideen-, Wissens- und Technologietransfers an deutschen Hochschulen ("Innovative Hochschule") auf den Weg gebracht. Für einen Zeitraum von zehn Jahren von 2018 bis 2027 stehen insgesamt 550 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm richtet sich an Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaft sowie kleinere und mittlere Universitäten. Ziel des Programms ist die "Stärkung der strategischen Rolle der Hochschulen im regionalen Innovationssystem". Zum Zuge kommen solche Hochschulen, die über ein Konzept für die "Interaktion mit Wirtschaft und Gesellschaft" sowie Erfahrungen im "Ideen-, Wissens- und Technologietransfer" verfügen. Kritikerinnen und Kritiker sehen im neuen Programm ein Trostpflaster für jene Hochschulen, die in der Exzellenzstrategie per se gar nicht zugelassen sind (Fachhochschulen) oder praktisch keine Chancen haben, zu reüssieren (kleine und mittlere Universitäten). Im Ergebnis dürfte die Förderpolitik von Bund und Ländern die künstlich erzeugte Ausdifferenzierung des Hochschulsystems weiter vertiefen: Milliarden für die Spitzenforschung an exzellenten Unis, der Rest darf sich um Fördergelder für den Wissenstransfer bemühen und muss zusehen, Studium und Lehre noch anwendungsorientierter auszugestalten.

Bedauerlich bleibt, dass Bund und Länder den Vorschlag des Wissenschaftsrats, die verschiedenen Bund-Länder-Programme zu einem "Zukunftspakt" zusammenzuführen, nicht aufgegriffen haben. Statt ein Flickwerk aus immer neuen Pakten zu schnüren, bräuchten wir ein nachhaltiges Gesamtkonzept für eine zukunftsfähige Hochschulfinanzierung - das hat die GEW am Vortag der Entscheidung der Regierungschefinnen und Regierungschefs kritisiert.