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Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Die Hochschulen nicht vergessen!

Bundestag und Bundesrat haben das Infektionsschutzgesetz geändert. Bis zu einem Inzidenzwert von 165 können Hochschulen Präsenzlehre machen, von einer Testpflicht und Teststrategie sind sie weiter ausgenommen. Das kritisiert GEW-Vize Andreas Keller.

Foto: GEW/Shutterstock
Foto: GEW/Shutterstock

Waren die Hochschulen in den nächtlichen Runden der Regierungschefinnen und Regierungschefs des Bunds und der Länder regelmäßig „vergessen“ worden, tauchen sie jetzt im Text des Infektionsschutzgesetzes auf, dessen geänderte Fassung am Freitag vom Bundespräsidenten unterzeichnet worden ist und am Samstag in Kraft treten soll.

Wie allgemein- und berufsbildende Schulen dürfen auch Hochschulen ab einem Inzidenzwert von 100 im jeweiligen Landkreis Präsenzlehre nur noch in Form des „Wechselunterrichts“ anbieten. Das bedeutet: Um Hygienestandards wie Abstände in Seminarräumen und Hörsälen einhalten zu können, müssen Gruppen geteilt und abwechselnd unterrichtet werden. Ab einem Inzidenzwert von 165 ist Präsenzlehre nicht mehr gestattet. Anders als an den Schulen gibt es an den Hochschulen allerdings keine Verpflichtung von Studierenden und Lehrenden, sich zweimal wöchentlich testen zu lassen.

„Hochschulen könnten so zu Hot Spots für die Ausbreitung des Coronavirus werden.“ (Andreas Keller)

Der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller kritisierte die Ungleichbehandlung. „Es ist denkbar, dass die Hochschulen auch bei einem hohen Inzidenzwert von über 100, bei dem die bundesweite sogenannte Corona-Notbremse greift und beispielsweise die nächtliche Ausgangssperre in Kraft tritt, wieder in den Präsenzbetrieb gehen. Gleichzeitig sind sie jedoch nicht Teil der Teststrategie für die Bildungseinrichtungen. Hochschulen könnten so zu Hot Spots für die Ausbreitung des Coronavirus werden“, sagte Keller am Freitag in Frankfurt am Main.

Zwar sei eine flächendeckende Rückkehr zum Präsenzbetrieb im bereits gestarteten Sommersemester unwahrscheinlich. „Bei Prüfungen oder praktischer Ausbildung in Laborfächern, Medizin oder Kunst ist es aber durchaus zu erwarten, dass Studierende auf den Campus müssen. In diesen Fällen muss es selbstverständlich auch an den Hochschulen Test für Studierende und Lehrende geben“, betonte Keller.

Die scharfe Kritik der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) an der Infektionsschutzgesetz-Novelle teilte er jedoch nicht. „Die HRK hat zwar recht, dass eine Einstellung der Präsenzlehre an Hochschulen nicht zu einer kompletten Schließung der Hochschulen führen darf. Unter Beachtung strenger Hygienevorgaben müssen etwa Bibliotheken und Forschungslabore öffnen dürfen. Doch genau das lässt aber das geänderte Gesetz zu“, sagte Keller.

„Da es sich bei Studierenden wie bei Lehrenden um Erwachsene handele, ist Impfen, Impfen, Impfen die wichtigste Grundlage für eine Rückkehr in die Präsenzlehre im Wintersemester. Vor diesem Hintergrund ist die geplante Berücksichtigung der Hochschulen in der Corona-Impfverordnung zu begrüßen.“ Entscheidend sei, dass man mit dem Impfen vorankomme. Dem Vernehmen nach plant die Bundesregierung, Beschäftigte an Hochschulen eine „erhöhte Priorität“ (Gruppe 3) in der Impfreihenfolge zu geben. Damit würden sie mit Lehrerinnen und Lehrern in der Sekundarstufe gleichgestellt.

„Es fehlen auch Regelungen für Lehrbeauftragte und Studierende.“

Außerdem hat das Parlament die Pflicht der Arbeitgeber, Homeoffice anzubieten, ins Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Neu ist, dass die Beschäftigten das Angebot annehmen müssen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Außerdem wird der Anspruch auf Kinderkrankengeld, das auch bei geschlossenen Schulen und Kitas in Anspruch genommen werden kann, auf 30 Tage erhöht, bei Alleinerziehenden auf 60 Tage. GEW-Vize Keller begrüßte die Regelung, kritisierte sie aber als nicht weitgehend genug. „Beim Kinderkrankengeld handelt es sich um eine Lohnersatzleistung, die Gehaltsausfälle nicht vollständig kompensiert. Hinzu kommt: Privat Versicherte, und das sind, ob sie wollen oder nicht, alle Beamtinnen und Beamte, gehen ganz leer aus. Es fehlen auch Regelungen für Lehrbeauftragte und Studierende. Hier muss der Bund nachlegen, damit nicht ausgerechnet Beschäftigte mit Kindern, die in der Wissenschaft derzeit ohnehin ins Hintertreffen geraten, in Existenznot geraten.“

Im Übrigen müsse der Bund jenseits von Impf- und Teststrategien Studierende und Hochschschulbeschäftigte in der Coronakrise stärker unterstützen. „Die pandemiebedingte Verlängerung von Zeitverträgen darf nicht nur eine Option für die Arbeitgeber sein, wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Vertragsverlängerung. Das gleiche gilt für die Verlängerung von Stipendien sowie Ausbildungsförderung nach dem BAföG. Die Überbrückungshilfe für Studierende muss aufgestockt, der Zugang zu ihr erleichtert werden“, mahnte Keller.