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Die Glaubwürdigkeit ist weg

Die Kampagne für Saubere Kleidung, der auch die GEW angehört, kämpft für faire Arbeitsbedingungen in der weltweiten Textilindustrie. Nun hat die Kampagne das deutsche Textilbündnis aus Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen verlassen.

Mehr als 1.000 Menschen starben 2013 beim Einsturz einer Textilfabrik in Rana Plaza (Bangladesch). (Foto: IMAGO/ZUMA Press)

Gegründet wurde das Textilbündnis 2014, ein Jahr nach dem Unglück von Rana Plaza. 1.138 Menschen starben damals und mehr als 2.000 wurden verletzt, weil die Textilfabrik in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka wegen Baumängeln eingestürzt war, Fluchtwege waren versperrt. Auch Benetton, KiK, Primark und andere Marken ließen dort Shirts oder Jeans nähen. Ihr Tenor: Man trage keine Mitschuld an den Zuständen in den Textilfabriken in Fernost.

Auf solche Ausreden der Modebranche hatte Deutschlands damaliger Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) keine Lust mehr. Die Textilbranche müsse endlich Verantwortung in ihren globalen Lieferketten übernehmen „und sich auf einheitliche Sozial- und Umweltstandards verpflichten“, verlangte er. Diese Standards sollten die Modeindustrie mit der Kampagne für Saubere Kleidung – kurz CCC –, Gewerkschaften und Politik in einem Textilbündnis festlegen. In diesem sitzen bis heute Textilhändler wie C&A, H&M, KiK, Esprit und Primark, aber auch Lebensmittelkonzerne wie Aldi und Lidl sowie die Spitzenverbände von Handel und Textilindustrie.

„Es hat sich für die Textilarbeiterinnen und -arbeiter nichts bewegt – nicht an den Produktionsbedingungen und schon gar nicht an den Löhnen.“ (Bettina Musiolek)

Jetzt ist die CCC aus dem Textilbündnis ausgetreten. Der Grund: „Es hat sich für die Textilarbeiterinnen und -arbeiter nichts bewegt – nicht an den Produktionsbedingungen und schon gar nicht an den Löhnen“, sagt Bettina Musiolek, Co-Koordinatorin für Osteuropa bei der CCC. „In beiden Punkten verweigert sich der Großteil der Mitgliedsunternehmen jeglichem Engagement.“

Die CCC forderte zudem vergeblich, dass auch die Einkaufspraxis der Unternehmen mit einbezogen werde: Wer sich bereit erklärt, die Arbeitnehmerrechte zu stärken, dürfe nicht gleichzeitig Lieferanten und deren Subunternehmer unter Druck setzen, was Lieferfristen und Preise angeht. Doch Teile der Branche setzen „auf einen Mindeststandard, der machbar und bezahlbar ist“ – und der freiwillig bleibe, verlangt etwa der Gesamtverband textil+mode.

GEW trägt Austritt mit

Die GEW trägt den Austritt mit: „Den für uns wichtigen Zielen des Bündnisses sind wir nicht wesentlich nähergekommen“, kritisiert Bruni Römer. Sie sitzt für die GEW im Vorstand der Kampagne für Saubere Kleidung. „Das Prinzip der Freiwilligkeit wurde von zu großen Teilen der Unternehmer dazu missbraucht, sich vor den eingegangenen Verpflichtungen weitgehend zu drücken und die Bündnisregeln aufzuweichen.“

Beim Thema Lohn gab es in den zurückliegenden zwei Jahren sogar Rückschritte: „Für viele Beschäftigte ging es nicht mehr um höhere Löhne, sondern darum, ob sie überhaupt einen Lohn bekommen“, sagt Vivien Tauchmann von der Kampagne #payyourworkers. Etliche Modeunternehmen, darunter auch Bündnis-Mitglieder wie H&M, Primark oder Adidas, hätten mit Ausbruch der Corona-Pandemie angesichts anstehender Umsatzeinbrüche die zuvor erteilten Aufträge storniert, bereits produzierte Ware nicht bezahlt und Verträge mit Fabriken gekündigt.

„Zwar betonen die Handelsmarken im Textilbündnis immer, dass sie etwas ändern wollen – doch in der Pandemie zeigte sich offen, dass sie es nicht ernst meinen.“ (Vivien Tauchmann)

„Hunderttausende Textilarbeiterinnen und -arbeiter haben weder ausstehende Löhne noch Abfindungen bekommen“, sagt Tauchmann. Sie hatten von einem Tag auf den anderen kein Geld mehr für Essen oder Miete. „Zwar betonen die Handelsmarken im Textilbündnis immer, dass sie etwas ändern wollen – doch in der Pandemie zeigte sich offen, dass sie es nicht ernst meinen.“ Die Glaubwürdigkeit der Modemarken, sagt Tauchmann, „ist jetzt weg“.

Sie sowie ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter der CCC hoffen nun auf das Europäische Lieferkettengesetz. Bis Herbst soll es verabschiedet werden. „Dann wären unsere gezielten Kampagnen durch Gesetze gedeckt, und wir könnten auf Marken und Textilunternehmen stärker Druck machen“, sagt GEW-Vertreterin Römer. Vorausgesetzt, die Lobby der Modeindustrie und konservative Wirtschaftsverbände verwässern das Gesetz in Brüssel nicht.