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Kolumbien

Die Gewalt gegen Gewerkschaften hält an

Die Bildungsgewerkschaft FECODE setzt sich für Sozialreformen, Bildungsgerechtigkeit und Gewerkschaftsrechte ein. Deshalb ist sie immer massiveren Bedrohungen ausgesetzt.

Mitglieder von FECODE demonstrieren für ein Ende der Gewalt gegen Gewerkschaftsmitglieder in Kolumbien (Foto: Secretaria de Prensa de Fecode).

Von einem Motorrad aus schossen zwei unbekannte Männer auf den kolumbianischen Lehrer und Gewerkschafter Carlos Fredy Londoño. Er wurde Mitte August im Dorf Fuente de Oro ermordet. Die Bewohnerinnen und Bewohner dieses kleinen Ortes am Fuße der Anden sind nun verängstigt. Sie wollten die dunklen Zeiten hinter sich lassen, als sie in den 2000er Jahren immer wieder zwischen die Fronten von Guerilla, Armee und Polizei gerieten. Weil diese Hoffnung mit Londoños Tod in weite Ferne rückt, muss umso mehr auf die Einhaltung der gewerkschaftlichen Rechte beharrt werden.

Zu dem Zeitpunkt, als Londoño im Kugelhagel starb, wendete sich die internationale Aufmerksamkeit gerade vom Aufruhr in Kolumbien ab. Es schien so, als ob sich die sozialen Proteste in Kolumbien beruhigt hätten. Londoños Tod zeigt aber: Die strukturellen Konflikte der kolumbianischen Gesellschaft sind noch weit entfernt von ihrer Lösung.

Proteste für Sozialreform und Bildungsgerechtigkeit

Von April bis Juli 2021 hatten soziale Proteste Kolumbien bis ins Mark erschüttert. Die Gewalt eskalierte besonders auf den Straßen der Großstädte Cali, Bogotá und Medellín. Die Bilanz ist erschreckend: Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Indepaz kamen mindestens 25 junge Menschen durch die Polizei zu Tode.

Zu Beginn richteten sich die Proteste gegen eine Steuerreform. Dieses Projekt ist längst archiviert. Die einkommensschwächsten Schichten des Landes befürchteten, stärke Belastungen tragen zu müssen. Schnell entwickelte sich der Protest zu einer grundsätzlichen Ablehnung der Regierungspolitik: Kolumbianerinnen und Kolumbianer protestierten gegen die fehlende Absicherung bei Krankheit, vor Arbeitslosigkeit und im Alter. Auf die Straßen wurde auch die Unzufriedenheit über die mangelnde Anerkennung von Sorgearbeit und nicht zuletzt über die höchst ungleichen Bildungschancen getragen.

Bei den Protesten geriet auch Kolumbiens Dachverband der Bildungsgewerkschaften, FECODE, ins Kreuzfeuer der Debatte. Der ehemalige Vorsitzende, Nelson Alarcón Suárez, hatte bei einer Protestansprache darauf hingewiesen, dass die vielen unzufriedenen jungen Menschen für eine progressive Wahlentscheidung bei den Präsidentschaftswahlen 2022 kämpfen sollen. Daraufhin maßregelte ihn Kolumbiens rechtsgerichteter Präsident Iván Duque persönlich. Zuletzt musste Alcarón im Radio falsche Vorwürfe entkräften. Er machte deutlich: Der gewerkschaftliche Bildungsverband FECODE ist keine politische Partei.

 

FECODE fordert Schutz vor Bedrohungen

Klar ist, das antigewerkschaftliche Stimmungsmache in Kolumbien Tradition hat. Das haben Kolumbiens Bildungsgewerkschaften besonders vor dem Friedensabkommen von 2016 zu spüren bekommen. Aber auch heute reicht das gewerkschaftsfeindliche Klima von Hetze in den sozialen Medien, dem Versand von Grabkerzen bis hin zu Attentaten auf Funktionärinnen und Funktionäre der Gewerkschaften. Auch das Vorstandsmitglied von FECODE, Nelson Alarcón Suárez, musste zeitweise aus dem Land fliehen. Angesichts einer langen Geschichte der Gewalt gegen die Gewerkschaftsverbände fordert FECODE immer wieder Gewerkschaftsrechte und konkreten Schutz vor Bedrohungen ein.

Frieden ist gefährdet

Kolumbien blickt auf ein unruhiges Jahr zurück. Eigentlich hatte sich das Land 2016 vom Friedensvertrag mit der FARC-Guerilla einen Neuanfang versprochen. Nach Dekaden bewaffneter Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla sollten endlich die Waffen schweigen. Mittlerweile ist aber völlig fraglich, ob das Land mit dem Friedensschluss die lang ersehnte Post-Konfliktphase erreicht hat. Immer wieder werden soziale Aktivistinnen, Aktivisten, Ex-Guerilleros, Mitglieder indigener Gemeinschaften und auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ermordet.

Zusätzlich geht auch die Drogengewalt weiter. Noch immer sind paramilitärische Gruppen beteiligt. Schließlich kommen neue Konflikte rund um die Migration aus den Nachbarstaaten und insbesondere aus Venezuela hinzu. Für Kolumbien, so scheint es gegenwärtig, ist der Horizont des Friedens trotz des Friedensabkommens wieder in die Ferne gerückt.