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Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK)

„Die Empörung in den Lehrerzimmern ist riesig“

Die SWK will den massiven Lehrkräftemangel mit einschneidenden Maßnahmen bekämpfen. Ohnehin seit Jahren überlastete Kolleginnen und Kollegen sollen noch mehr ran. Nicht nur die GEW geht auf die Barrikaden. Auch im Netz ist die Verärgerung groß.

Foto: Pixabay / CC0

Mehr Pflichtstunden, weniger Teilzeit, größere Klassen, flexibler Hybridunterricht: Mit ihren Empfehlungen zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel sorgt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) in der Kultusministerkonferenz (KMK) für Empörung. Pädagoginnen und Pädagogen kommentierten die Vorschläge in den sozialen Medien mit Verärgerung bis Sarkasmus. In Medienkommentaren war von einer Kapitulation der Bildungspolitik die Rede. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern bekräftigte im NDR-Interview ihre Kritik.

„Die Empörung in den Lehrerzimmern ist riesig.“ (Maike Finnern)

„Die Empörung in den Lehrerzimmern ist riesig“, sagte Finnern im NDR. An Lehrkräfte zu appellieren, ihre Teilzeitarbeit aufzustocken, sei zudem „nur auf dem Papier“ eine scheinbar effektive Maßnahme. Schließlich arbeiteten Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in Teilzeit, um Familie und Beruf zu vereinbaren. „Ein viel größerer Teil sagt auch, ich schaffe eine Vollzeitstelle nicht, weil die Belastungen zu groß sind.“ Lehrkräfte könnten nichts mehr einbringen, ihre Situation sei bereits „dramatisch“. Die Pädagoginnen und Pädagogen könnten viele Kinder schon nicht mehr erreichen, weil sie nicht mehr die Zeit hätten, „um wirklich vernünftig zu arbeiten“.

Lehrkräfte schon jetzt am Limit

Deutlich schärfer ging es derweil im Netz zu, wo Facebook- und Insta-Kommentare zeigten, dass Lehrkräfte schon jetzt am Limit sind.

 „Was für ein Schwachsinn! Bereits jetzt arbeiten wir mehrmals die Woche von der ersten bis zur achten Stunde durch! Ich schaffe das als Alleinerziehende mit 2 Schulkindern nicht auf Dauer! Sehr schade! Liebe meinen Beruf, aber meine Gesundheit und meine Kinder sind mir auch wichtig!“ (Nina auf Facebook)

„Yoga anbieten ist eine Farce! Bekomme ich dafür dann eine Stunde in meinen Stundenplan integriert oder soll ich das nach meinem Unterricht machen, wo ich sowieso schon keine Zeit für Sport habe, weil ich mit korrigieren, vor-/nachbereiten, telefonieren mit Eltern, Arbeitskreisen und ein wenig Privatleben beschäftigt bin? Das ist doch wohl alles ein Witz!“ (Anja auf Facebook)

„Sehr verstörend finde ich, dass sich ca. 20 Professor*innen, die es eigentlich besser wissen müssten, so einen Unsinn ausdenken, der das Problem mittel- und langfristig nur vergrößert.“ (Alexander auf Facebook)

Kritik an kurzfristigen Maßnahmen

Die GEW-Vorsitzende betonte zudem, die Arbeitgeber seien zum Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten verpflichtet. Das Angebot von Achtsamkeitstrainigs, wie es die SWK in ihre Empfehlungen aufnahm, „ist aber nicht das, was wir jetzt brauchen“.

Die jüngsten Vorschläge seien darüber hinaus alle nur kurzfristige Maßnahmen. Nötig sei jedoch eine Mischung aus kurz-, mittel- und langfristigen Konzepten und Ideen. Unter Verweis auf das 15-Punkte-Programm der Bildungsgewerkschaft nannte Finnern etwa eine veränderte Lehrkräfteausbildung, eine Verringerung der Abbrecherquote im Studium und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Vorbereitungsdienst.

Noch mehr Lehrkräfte könnten Beruf aufgeben

Vielfach kommentiert wurde auch – etwa bei Instagram – , die Arbeitsbedingungen könnten sich weiter verschlechtern, so dass noch mehr Lehrkräfte aus dem Beruf abwandern beziehungsweise schon das Studium oder Referendariat abbrechen könnten. Die eigentlich schöne und sinnstiftende Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werde so zudem immer weniger attraktiv.

„Warum haben wir zu wenig Lehrkräfte? Der Beruf ist doch laut vieler Aussagen quasi ein überbezahlter Halbtagsjob mit überproportional viel Freizeit in den vielen Ferien. Wieso will den Beruf dann niemand machen?“ (a chillea millefolium auf Instagram)

„Ich bin Referendarin im letzten Drittel. Die Arbeit mit den SchülerInnen und meine Fächer bereiten mir sehr viel Freude. (...) Dennoch überlege ich immer wieder, ob ich das Ref nicht abbrechen sollte. (...) Das Ref selbst ist für mich eine wirklich schwierige Zeit, mit dem dauerhaften Gefühl der Überforderung und Überlastung. Wo zuvor der rettende Gedanke war, dass sich das irgendwann einspielt, mit dem Beendigen des Refs und einer gewissen Erfahrung, ist jetzt nur noch Sorge um weiter steigende Belastung. (...)  Ein weiteres Mal würde ich mich daher nicht für diesen Beruf entscheiden, so erfüllend er auch sein kann. Nicht unter diesen Umständen. Und das macht mich sehr traurig! Ich befürchte, dass all diese ‘Maßnahmen’ zu einem steigenden Mangel führen.“ (Odiel auf Instagram)

„Ich habe einen hohen Anspruch an mich, um Kindern und Eltern bestmöglich während der Grundschulzeit zu begleiten. Es kommen jedoch so viele weitere Aufgaben hinzu (v.a. Dokumentieren, Verwalten, Datenschutz, Aufgaben anderer durch Personalmangel übernehmen), dass auch ich in Teilzeit gegangen bin. Eine bewusste Entscheidung für weniger Geld, um weiterhin Kindern/Eltern gerecht zu werden und meine Ressourcen nicht zu überlasten! (...) Würde ich "gezwungen" werden, voll zu arbeiten, würde auch ich mich umorientieren.“ (lara auf Instagram)

Unterdessen hat übrigens auch das KI-Tool ChatGPT eine Antwort auf die Frage, was die Bildungspolitik gegen den Lehrkräftemangel tun könne: