Feministische Zeitpolitik
Die Chemie muss stimmen
Beate Ritter hat sich fünf Jahre lang mit einer Kollegin die Stelle der Konrektorin am August-Ruf-Bildungszentrum in Ettenheim geteilt – und Vor- und Nachteile des Jobsharings kennengelernt. Heute ist Ritter Schulleiterin – mit ihrer Kollegin als Konrektorin.
- E&W: Wann und warum hatten Sie sich fürs Jobsharing entschieden?
Beate Ritter: Das war 1999. Meine Kollegin und ich hatten damals beide kleine Kinder, wollten aber auch Führungsverantwortung übernehmen. Wir kannten uns und wussten: Die Chemie stimmt, und wir haben eine ähnliche Vorstellung davon, wie Schule sein sollte. Da lag es auf der Hand, sich eine Stelle zu teilen, um so Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen. Damals war das Jobsharing-Modell für Funktionsstellen in Baden-Württemberg noch ganz neu.
- E&W: Wie hat das im Alltag funktioniert?
Ritter: Sehr gut, weil wir uns eng ausgetauscht haben. Wir waren zwar nicht immer beide vor Ort, haben uns aber trotzdem täglich besprochen und uns gegenseitig auf dem Laufenden gehalten. Das heißt: Wir haben sehr viel telefoniert. Das war für uns wichtig, aber auch für die Kolleginnen und Kollegen an der Schule. Alle wussten, dass eine von uns immer ansprechbar ist.
- E&W: Das hört sich aber nicht nach einem 50-Prozent-Job an.
Ritter: Das war es auch nicht. Wir haben sehr viel Zeit investiert und natürlich mehr Stunden gearbeitet als wir bezahlt bekommen haben. Die Rechnung ging also finanziell nicht auf. Aber wir waren – und sind es heute immer noch – mit Herzblut dabei. Wir wollten ja etwas voranbringen. Da legt man nicht einfach den Stift aus der Hand und sagt: „Jetzt sind meine Stunden rum.“ Das machen ja andere Kolleginnen und Kollegen auch nicht – egal ob Leitungsfunktion oder nicht.
- E&W: Wie hat das Kollegium an der Schule damals auf Ihr Jobsharing-Modell reagiert?
Ritter: Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen, weil wir eng zusammengearbeitet haben. Es waren viele organisatorische Aufgaben zu bewältigen, etwa die ganze Stundenplangestaltung. Wir haben uns in dieser Zeit aber auch intensiv um die Schulentwicklung gekümmert und viel vorangebracht. Meine Kollegin und ich hatten große Lust auf Innovation – und die anderen sind da mitgegangen.
- E&W: Haben Sie auch deshalb Reformen umsetzen können, weil Sie keine Einzelkämpferin waren, sondern zu zweit auf einer Funktionsstelle?
Ritter: Wahrscheinlich ja. Denn wenn man sich mit jemandem austauschen kann und dabei auch kritisch miteinander umgeht, dann kommen Dinge besser voran. Das lässt sich natürlich nicht nur auf ein Tandem anwenden: Man schafft als Team immer mehr als allein. Das ist an einer Schule nicht anders als im Management eines Großunternehmens oder anderswo.
- E&W: Hört sich nach einem Traumjob an. Gab es auch Situationen, etwa wenn wichtige und schnelle Entscheidungen gefragt waren, in denen das Teilzeit-Modell hinderlich war?
Ritter: Ich kann mich an keine erinnern. Natürlich waren wir auch mal unterschiedlicher Meinung. Aber wir sind am Ende immer auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Das ist übrigens bis heute so. Ich bin zwar jetzt formal Schulleiterin und meine Kollegin die Konrektorin, verantwortlich für die Grundschule hier im Schulverbund, aber wir arbeiten auch heute nicht in einer hierarchischen Struktur.
- E&W: Wenn Sie zurückblicken: Was ist nicht gut gelaufen beim Tandem-Modell?
Ritter: Wie gesagt, die finanziellen Bedingungen waren und sind nicht gut. Das wussten wir natürlich – deshalb war uns von Anfang an klar, dass das Modell für uns keine Dauerlösung sein kann. Und als der damalige Schulleiter dann in den Ruhestand ging, haben wir das Jobsharing beendet und uns neu orientiert. Dabei war uns wichtig, die Schulentwicklung in einer Leitungsfunktion weiterzuführen. Wir wollten sichern, was wir uns in den Jahren als Tandem gemeinsam erarbeitet hatten.
- E&W: Was müsste sich generell ändern beim Jobsharing?
Ritter: Das Modell muss flexibler werden. Beim klassischen Tandem kommt man ja vom halben Gehalt nicht mehr weg. Wenn sich aber zum Beispiel vier Leute drei Stellen teilen könnten, sieht das schon anders aus. Das wäre sicher für viele attraktiver.
- E&W: Könnten Sie sich vorstellen, nochmal ins Jobsharing zurückzugehen?
Ritter: Nein, für mich persönlich kommt das nicht mehr in Frage. Prinzipiell könnte es aber durchaus ein gutes Modell sein für die letzten Jahre der Berufstätigkeit.