Die Alternative für Deutschland (AfD) sitzt nicht nur in 14 von 16 deutschen Landtagen, sondern seit September 2017 auch im Bundestag. Eines der Felder, auf denen die AfD versucht in die Offensive zu kommen, ist die Bildungspolitik. Sie will dabei gezielt auf Unterrichtsinhalte aber auch auf die Struktur des Bildungswesens Einfluss nehmen. Erhard Korn hat für die Zeitschrift „der rechte rand“ (164/2017) genauer hingesehen und entlarvt die Programmatik der AfD dabei als nationalistisch und rückwärtsgewandt. Dies ist der zweite von drei Teilen zur Bildungspolitik der AfD.
Die Bildungspolitik der AfD: „Survival of the Fittest“
Der zweite von drei Teilen entlarvt die AfD und ihre Bildungspolitik als Förderin von Eliten, statt als Unterstützerin der vielbeschworenen „kleinen Leute“.
„Es zeigt sich deutlich, dass die ganzen linken Bildungsexperimente, gepaart mit einer völlig falschen Inklusionspolitik und immer mehr Kindern mit Migrationshintergrund, dazu führen, dass unsere Kinder schon in der Grundschule unerhört ins Hintertreffen geraten.“ (André Poggenburg, AfD)
Für die AfD sind Kinder mit Migrationshintergrund schuld an Defiziten: „Es zeigt sich deutlich, dass die ganzen linken Bildungsexperimente, gepaart mit einer völlig falschen Inklusionspolitik und immer mehr Kindern mit Migrationshintergrund, dazu führen, dass unsere Kinder schon in der Grundschule unerhört ins Hintertreffen geraten“, meint AfD-Politiker André Poggenburg. Derselbe André Poggenburg war bereits mit seiner Aschermittwochsrede als volksverhetzend aufgefallen. Er nannte Türken „Kameltreiber“ oder „Kümmelhändler“. Die AfD entzog ihm inzwischen das Vertrauen, der AfD-Mann zog sich von seinen Ämtern zurück.
Den zunehmenden Lehrkäftemangel vor allem an Grundschulen versucht die AfD auszunutzen, indem sie fordert, zuerst die Versorgung der deutschen Kinder zu sichern: „Bevor als ernsthaft darüber nachgedacht werden kann, Kinder von Flüchtlingen auf ohnehin bis an ihre Grenzen ausgelastete Regelschulen gehen zu lassen, müssen erst einmal mehr Lehrer eingestellt und die Klassenstärken verringert werden“, positioniert sich die AfD im Landtag von Nordrhein-Westfalen zur Forderung des Flüchtlingsrats, Kinder schneller in die Schulen zu bringen. In Sachsen-Anhalt hat die AfD „im Plenum beantragt, Extra-Klassen für Kinder mit Migrationshintergrund einzurichten und auch das unselige Inklusionsexperiment zugunsten von ausreichend finanzierten Förderschulen, zu beenden“.
„Eine Grundbeschulung möglichst in ihrer Muttersprache.“ (Björn Höcke, AfD)
Björn Höcke, Sprecher der AfD-Thüringen und Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag will für Asylbewerberinnen und -bewerber nur „eine Grundbeschulung möglichst in ihrer Muttersprache erhalten“. Nur anerkannte Asylsuchende – für die AfD sollen das bestenfalls zwei Prozent der Asylbewerberinnen und -bewerber sein – „sollen regelbeschult werden“, allerdings nicht „integrativ“, sondern in Sonderklassen. Die AfD in Sachsen hat gerade unter dem Motto „Lehrer sollen zuerst deutsche Kinder unterrichten“ beantragt, dass „alle vollständig ausgebildeten Lehrer im regulären Schulbetrieb eingesetzt werden, statt in Vorbereitungsklassen für Migranten“.
Auch die AfD in Baden-Württemberg lehnt eine Förderung von Migrantenkindern in Vorbereitungsklassen ab: „1.165 Lehrerstellen werden benötigt für den Schulunterricht von ausländischen Minderjährigen und Kindern. Die Alternative für Deutschland fordert, (…) die Lehrer für diese Klassen sollten nicht dem allgemeinen Schulbetrieb entzogen werden, wie dies derzeit praktiziert wird und auch weiterhin geplant ist“. Hilfen bei der Integration durch Schulsozialarbeit und durch Psychologen werden abgelehnt, sie seien „neben der Asylindustrie Teil einer Sozialindustrie“. Ein „Sumpf“, den die AfD austrocknen werde, sagte Hans-Thomas Tillschneider am 30. September 2016 im Magdeburger Landtag. Da allerdings Sozialpädagogik ein wichtiges Element von Integration und Konfliktprävention ist, macht die AfD damit deutlich, dass sie genau das nicht will.
Die AfD greift vorhandene Probleme wie den Lehrkräftemangel auf und bietet dafür Lösungen an, die wegen der daraus folgenden Gettobildung die Probleme verschärfen würden. Die Vorschläge der AfD zielen auf eine Segregation von Migrantinnen und Migranten etwa in Hauptschulen und die Verhinderung ihrer Integration ab. Ihre Polemik richtet sich faktisch keineswegs nur gegen Flüchtlinge oder den Islam, sondern grundsätzlich gegen Menschen mit Migrationshintergrund.
„Es ist der gezielte und schleichende Weg in den Bildungssozialismus.“ (Jörg Meuthen, AfD)
Nicht „Gleichmacherei“, eine Schule für alle, wo für jeden eine Extrawurst gebraten wird, wolle die AfD, „sondern ein System, das die Messlatte hoch legt“. In ihrem Bundesprogramm kritisiert die AfD die „nach unten nivellierende Einheitsschule“. Jörg Meuthen, Fraktionschef der wiedervereinigten AfD in Stuttgart, wittert hinter dem „Deckmäntelchen der Chancengleichheit“ eine große Verschwörung: „Es ist der gezielte und schleichende Weg in den Bildungssozialismus“. Sein Fraktionskollege Stefan Räpple, ehemaliges Vorstandsmitglied vom „Verband Bildung und Erziehung“, machte im Stuttgarter Landtag in einer „Wutrede“ am 21.Juli 2017 die „sinnlosen Irrlehren der neuen Lernkultur, die aus der Erziehungswissenschaft und der Didaktik über GEW-Leute produziert“ werde, für eine angebliche moralische Verwahrlosung verantwortlich. Empfohlen werden von der rechtskonservativen Partei hingegen „Frontalunterricht“ und „Disziplin“.
Survival of the Fittest
In Landtagswahlprogrammen beklagt sie die „Planierung unseres leistungsorientierten, mehrgliedrigen Schulsystems zur semi-sozialistischen Gleichmacherei der Gemeinschaftsschulen“. Selbst „offene Kindergartenkonzepte“ stoßen auf Ablehnung. Statt Inklusion soll es überall „leistungshomogene Lerngruppen“ geben, die Starken dürfen in ihrem Lernerfolg nicht durch Inklusion von Behinderten eingeschränkt werden. Dagegen sei der Anteil der Abiturientinnen und Abiturienten durch eine „Stärkung des Leistungsprinzips“ zu senken. „Wenn Sachsens Schüler im deutschlandweiten Vergleich die größte Belastung (…) haben, so ist das der beste Weg, auf ein Berufsleben vorzubereiten“.
Mit der Wiedereinführung der verbindlichen Zuweisung zu den drei weiterführenden Schularten nach Klasse 4 will die Rechtspartei das gegliederte Schulwesen und die Hauptschule restaurieren. Eltern, gemeint sind vor allem solche aus eher benachteiligten Gesellschaftsgruppen, hält die AfD offenbar für unfähig, selbst eine Entscheidung für eine weiterführende Schule zu treffen. Hinter dem angeblichen Engagement für die kleinen Leute verbirgt sich deren Verachtung.
Da eine frühe Selektion der Schülerinnen und Schüler nach der vierten Klasse zweifelsohne zur Verschärfung der Bildungsungleichheit führt, dient die Bildungspolitik der AfD keinesfalls den vielbeschworenen „kleinen Leuten“, sie verschärft dessen Benachteiligung und förderte allein den Erhalt von Bildungsprivilegien. „Gleichmacherei“ und „Bildungssozialismus“ sind für die AfD nur Kampfbegriffe gegen eine Bildung, die Benachteiligte unterstützt. Stattdessen setzt die AfD auf „Elitenförderung“, so die AfD-Landtagsfraktion in Stuttgart, und eine noch stärkere Hierarchisierung des Bildungswesens, deren Überwindung zentrales Versprechen der Bildungsreformen der letzten 50 Jahre war. Verbunden mit dem Vorschlag, Schülerinnen und Schüler sollten sich ihre Mitschülerinnen und Mitschüler selbst aussuchen, zielen sie zudem auf eine Segregation von Migranten etwa in Hauptschulen und die Verhinderung einer Integration von Migranten.
Wenn die AfD „konzentriertes Lernen am Vormittag“ für „wesentlich erfolgversprechender“ hält als Ganztagsschule, da es „die Möglichkeit des überwiegend freien Nachmittags für individuelle Aktivitäten“ biete, steht sie damit faktisch nicht nur gegen die Berufstätigkeit von Frauen und für eine familiär begrenzte Frauenrolle. Sie lehnt damit auch die schulischen und kulturellen Fördermöglichkeiten ab, die Ganztagsschule besonders für Kinder mit nicht-akademischer Herkunft bieten kann. Während sie auf Parteitagen gegen Eliten polemisiert, orientiert sich ihre Bildungspolitik deutlich an den Interessen arrivierter Gesellschaftsgruppen.
Fazit: Die AfD gibt vor, eine ideologische Bildungspolitik abzulehnen, betont aber nur ideologisch begründete Positionen etwa beim Zugang zu weiterführenden Schulen. So sozial wurde die sozial-selektive Rolle von Aufnahmeprüfungen und verbindlicher Grundschulempfehlung schon in den 60er Jahren wissenschaftlich nachgewiesen. PISA hat gezeigt, dass auch Schularten Lernumgebungen darstellen, die Lernentwicklung verlangsamen oder beschleunigen können. Die AfD will pädagogisch ein Roll-Back zurück zu „Elitenförderung“ statt „individueller Förderung“, was ebenfalls deutlich zu Lasten der eher bildungsfernen „kleinen Leute“ gehen würde, deren Kinder auf zusätzliche Förderung angewiesen sind, um Defizite auszugleichen, und die mit den Füßen deutlich gegen die Hauptschule gestimmt haben.
Quellen |
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Die Recherche von Erhard Korn für die Zeitschrift „der rechte rand“ geht auf eine Vielzahl von Quellen, wie z. B. AfD-Wahlkampfprogramme und Zeitungsartikel zurück. Das Quellverzeichnis gibt dabei einen Überblick über die Quellen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. |
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