Ukraine-Krieg
„Die Ängste kommen immer wieder“
Die GEW unterstützt die ukrainische Bildungsgewerkschaft TUESWU und ukrainische Kolleginnen, die vor dem Krieg nach Deutschland geflohen sind.
„Als die russischen Truppen bis auf zwei Kilometer an unser Haus herankamen und Granaten fielen, da musste ich Kiew verlassen.“ – Olha Chabaniuk und ihre Tochter flohen zunächst nach Polen, dann weiter nach Wien. Inzwischen ist die Vizepräsidentin der Bildungsgewerkschaft Trade Union of Education and Science Workers of Ukraine (TUESWU) zurück in Kiew. TUESWU hat mehr als 1,2 Millionen Mitglieder und vertritt Lehrkräfte, Dozentinnen und Dozenten, weitere Bildungsbeschäftigte und Studierende.
Die Gewerkschaft biete während des Krieges täglich Beratungen an, die sich auf das Arbeiten unter Kriegsrecht beziehen, berichtet die Gewerkschafterin der E&W. Sie erarbeite Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen. Sie sorge für die finanzielle und psychologische Unterstützung ihrer Mitglieder. Außerdem beteilige sich TUESWU daran, drei Bildungszentren für binnenvertriebene Pädagoginnen und Pädagogen einzurichten.
„Unsere Lehrkräfte unterrichten auch aus Kellern, Bunkern, U-Bahn-Stationen und zerstörten Wohnungen.“ (Olha Chabaniuk)
„3.126 Bildungseinrichtungen sind durch Bomben und Granaten beschädigt, 337 wurden komplett zerstört“, so die TUESWU-Vizepräsidentin. Dennoch laufe der Unterricht in fast 13.000 Schulen weiter. 3.100 Schulen fahren Normalbetrieb, 5.339 Schulen bieten Fernunterricht, über 4.400 Schulen arbeiten teils in Präsenz, teils online. „Unsere Lehrkräfte unterrichten auch aus Kellern, Bunkern, U-Bahn-Stationen und zerstörten Wohnungen.“ Während des Krieges dienen Schulen und Hochschulen auch als Hilfszentren. „Sie produzieren Tarn-Netze, packen Lebensmittelpakete für Binnenvertriebene sowie Soldaten und sammeln Kleider und Schuhe für Bedürftige“, so Chabaniuk.
Dank für Hilfe der GEW
Sie dankt der GEW für die finanzielle und humanitäre Hilfe. So lud die GEW in Zusammenarbeit mit der Jugendorganisation „Die Falken“ im Sommer 2022 zu einem Zeltlager in Berlin-Heiligensee. Kinder von TUESWU-Mitgliedern hatten dort zwei Wochen Gelegenheit, „sich zu erholen und ihren Gesundheitszustand zu verbessern“, lobt Chabaniuk. Das Zeltlager soll wiederholt werden. Die Vizepräsidentin bedankt sich zudem, dass die GEW nach Deutschland geflohene ukrainische Bildungsbeschäftigte unterstützt.
Unterstützung aus Heinrich-Rodenstein-Fonds
Unterstützung aus dem Heinrich-Rodenstein-Fonds der GEW erhält etwa Oksana Kokorina, 35 Jahre und TUESWU-Mitglied. Die Lehrerin kommt aus der Industrie- und Bergarbeiterstadt Pokrowsk im Bezirk Donezk. Heute lebt sie in Schönau im Schwarzwald. Stundenweise unterrichtet sie zwölf ukrainische Kinder, die hier die Grundschule besuchen. „Am 8. April vergangenen Jahres hatte ich meinen ersten Tag an der Schule“, erzählt sie in einer Mischung aus Deutsch und Englisch. Außerdem gibt sie Online-Unterricht: 23 Mädchen und Jungen, die weiterhin im Osten der Ukraine leben. Freitags drückt sie selber die Schulbank: sechs Stunden Deutschkurs. Der Anfang in Schönau, der Umgang mit den Behörden, sei schwierig gewesen, sagt sie rückblickend. „Diese Dokumente, ich habe nichts verstanden.“ Doch Kokorina scheint sich durchzubeißen. „Alle sind freundlich, alles gut.“
Dankbar für die GEW-Hilfe ist auch Natalia Bückert. Die gebürtige Ukrainerin lebt seit 2010 in Deutschland, ist GEW-Mitglied – und hat vergangenen März vier Familienangehörige und eine Freundin der Schwester mit Kind aus der Ukraine aufgenommen. „Sie kamen alle gleichzeitig“, berichtet die 37-Jährige. Ob Wohnungs- und Arbeitssuche oder Sprachkurs – Bückert kümmerte sich. Sie arbeitet als pädagogische Fachkraft in einem Betriebskindergarten in Weimar.
„Schön, dass die Gewerkschaft uns unterstützt.“ (Larissa)
Ihre Mutter Larissa, 56 Jahre, fand inzwischen eine Bleibe im benachbarten Apolda. „Eine Ein-Zimmer-Wohnung“, erzählt Larissa auf Ukrainisch, ihre Tochter übersetzt. „Ich besuche jetzt einen Integrationskurs. Außerdem unterrichte ich stundenweise an der VHS Weimar, Russisch-Unterricht für Kinder mit russischen Wurzeln.“ Geld kommt mittlerweile vom Jobcenter. Wie es ihr in Deutschland heute gehe? Larissa beginnt zu weinen. „Ich träume immer, wie unsere Stadt angegriffen wird. Die Ängste, die kommen immer wieder.“ Es habe dort ständig Luftalarm gegeben, die Unruhe in der Bevölkerung sei groß. Larissa möchte in Deutschland in ihrem Beruf als Erzieherin arbeiten. Dazu musss sie ihre ukrainischen Ausbildungsabschlüsse anerkennen lassen. Die Kosten dafür übernimmt der Heinrich-Rodenstein-Fonds. Bückert fühlt sich entlastet. „Schön, dass die Gewerkschaft uns unterstützt.“