Fotos: DGB/Simone M. Neumann
Bis Ende 2015 wollen die beiden weltweit größten Wirtschaftsblöcke EU und USA, die gemeinsam fast die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften, die derzeit laufenden Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zum Abschluss bringen. Die Verhandlungen werden von der EU-Kommission und der US-Regierung geführt und finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der DGB-Bundeskongress, der vom 11. – 16. Mai 2014 in Berlin tagte, fordert in einem Initiativantrag, die TTIP-Verhandlungen auszusetzen und einen neuen Verhandlungsauftrag transparent zu bestimmen. Auch der GEW Hauptvorstand lehnt das TTIP-Abkommen ab und fordert ein Ende der laufenden Verhandlungen.
Wirtschaftlicher Nutzen ist fraglich
Die Befürworter des Abkommens versprechen wirtschaftliche Wachstumsimpulse und neue Arbeitsplätze in Europa und in den USA. Doch daran bestehen erhebliche Zweifel. Verschiedene Studien zu den makroökonomischen Wirkungen des Handelsabkommens errechnen nur geringe Wachstums- und Beschäftigungseffekte, die zudem erst sehr langfristig wirksam werden sollen. Zu viele unterschiedliche Faktoren nehmen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung, als dass seriöse Voraussagen über die langfristige Wirkung von Handelsabkommen möglich wären. Dies zeigt auch ein Blick auf die Geschichte des Europäischen Binnenmarkts und der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA vor zwei Jahrzehnten. Rückblickend betrachtet sind die optimistischen Voraussagen zu Wachstum und zusätzlichen Arbeitsplätzen weder in der Europäischen Union noch in den NAFTA-Staaten USA, Kanada und Mexiko eingetreten.
Intransparenz schafft Misstrauen und Politikverdrossenheit
Die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung sind intransparent und undemokratisch. Die Gespräche finden im kleinsten Kreis unter Ausschluss des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente und der Zivilgesellschaft statt. Eine Einbeziehung der Sozialpartner, etwa im Rahmen der Sektoralen Sozialen Dialoge in Europa, findet eben so wenig statt wie eine Beteiligung der Bundesländer oder der Kommunen. Textdokumente zum Verhandlungsmandat und zu den Inhalten der Gespräche sind nicht öffentlich zugänglich, auch wenn vereinzelt Informationen durch Indiskretionen bekannt gemacht werden. Die Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen erzeugt Misstrauen und fördert die Politikverdrossenheit.
Sozialstandards und Arbeitnehmerrechte werden bedroht
Es besteht Anlass zur Sorge um die Zukunft sozialer Standards und Arbeitnehmerrechte in Deutschland, falls TTIP zustande kommt. Zwischen den USA und den Staaten der Europäischen Union bestehen große Unterschiede in den Arbeitsbeziehungen und bei Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten. Sechs der acht grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind von den USA bisher nicht ratifiziert, darunter das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit und Tarifverhandlungen. Die Gefahr ist real, dass durch Angleichungsprozesse mit den USA bei der Beseitigung sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse die Rechte von Arbeitnehmern und Gewerkschaften und Sozial-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards bei uns bedroht werden. So könnten internationale Konzerne staatliche Auftraggeber verklagen, wenn diese bei Ausschreibungen für öffentliche Aufträge tarifliche Entlohnung zur Bedingung machen würden.
Einfallstor für weitere Privatisierung
TTIP will US-Anbietern den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen auf allen staatlichen Ebenen nach dem Prinzip der Inländerbehandlung ermöglichen. Bestehende Standards und Regulierungen sollen angeglichen und auf ein Mindestmaß reduziert werden. Wo dies nicht möglich ist, soll eine gegenseitige Anerkennung von Standards erfolgen. Es muss befürchtet werden, dass dies zu weiteren Liberalisierungen und Privatisierungen öffentlicher Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und soziale Dienste in Deutschland führen wird.
Negativlisten und Standstill-Klauseln legen falsche Weichen für die Zukunft
Nach allem was bisher bekannt ist, werden die Verhandlungen zum TTIP nicht mit Positivlisten geführt, wie sie etwa im GATS-Dienstleistungsabkommen zur Anwendung kommen. Stattdessen wird offensichtlich auf Grundlage von Negativlisten verhandelt, bei dem alle Bereiche, die nicht ausdrücklich aufgelistet sind, zur Liberalisierung freigegeben werden. Dem gleichen Ziel dienen auch sogenannte Standstill- und Ratchet-Klauseln, die das höchste erreichte Liberalisierungs-Niveau festschreiben sollen: Sie verhindern zukünftige Regulierung und befördern einseitig eine Entwicklung in Richtung weiter gehender Liberalisierung.Unnötige Sonderrechte für Unternehmen
Eine Sondergerichtsbarkeit für Konzerne, wie es mit dem Investor-State Dispute Settlement (ISDS) im TTIP-Abkommen beabsichtigt wird, ist völlig unnötig. Bei den Vertragsparteien EU und USA handelt es sich um Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen, die umfassenden Schutz von Eigentumsrechten und hohe Investitionssicherheit garantieren. Bereits heute sind dreißig Prozent der europäischen ausländischen Direktinvestitionen in den USA investiert. Umgekehrt sind rund vierzig Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in der Europäischen Union US-amerikanischen Ursprungs. Es bedarf daher keiner zusätzlichen Rechte für Investoren, die es Unternehmen erlauben, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen.
TTIP und CETA sind unnütz und schädlich
TTIP ist schädlich und wird den Menschen in Europa und in Deutschland nichts Gutes bringen. Das EU-US-Freihandelsabkommen birgt große Gefahren für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und für die Zukunft öffentlicher Dienstleistungen in Europa. Deshalb muss TTIP verhindert werden. Gleiches gilt übrigens auch für das CETA-Abkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement), das seit nunmehr vier Jahren zwischen der EU und Kanada verhandelt wird und als Blaupause für TTIP gilt. Auch von CETA sind bisher keine Details in der Öffentlichkeit bekannt.