Positionspapier zu Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit
Rund 60 Forderungen von Algorithmen bis zu Curricula
In der Debatte über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung spielt Geschlechtergerechtigkeit bisher kaum eine Rolle. Der Deutsche Frauenrat hat ein Positionspapier mit Forderungen unter anderem zu den Themen Bildung und Arbeit verfasst.
Neben dem Gender Pay Gap, dem Gender Care Gap und dem Gender Pension Gap – also der geschlechtsspezifischen Lücke zwischen Frauen und Männern beim Gehalt, der Sorgearbeit und der Rente – gibt es inzwischen auch den sogenannten Digital Gender Gap: Dieser markiert zum einen die Unterschiede zwischen Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Nutzung von digitalen Technologien und zum anderen ihre unterschiedliche Sichtbarkeit in digitalen Medien.
„Themen des Bildungszugangs, des Arbeitsmarktes und der Kommunikation werden im Kontext der Digitalisierung und der digitalen Transformation weder im öffentlichen Diskurs noch in den bundespolitischen Debatten ausreichend geschlechtsspezifisch erkannt und bislang entsprechend nur unzureichend behandelt“, bilanzieren die Autorinnen des Positionspapieres Zukunft gestalten. Digitale Transformation geschlechtergerecht steuern des Deutschen Frauenrates.
Bisher kümmere sich die Bundesregierung nur um wenige geschlechterpolitische Themen wie den Schutz von Frauen und Mädchen vor digitaler Gewalt und dem MINT-Aktionsplan. In der „Strategie Künstliche Intelligenz“ und der Digitalstrategie „Digitale Zukunft: Lernen. Forschen. Wissen“ fehlten dagegen frauenpolitische Ansätze. Der Deutsche Frauenrat fordert die Bundespolitik auf, die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch bei der Digitalisierung umzusetzen.
Die 30 Seiten lange Publikation gliedert sich in die Kapitel Bildung 4.0, Arbeit 4.0 und Kommunikation im digitalen Raum. Unterteilt ist sie ferner in frühkindliche und schulische Bildung, berufliche Ausbildung, akademische Bildung, Weiterbildung und lebenslanges Lernen, Beschäftigungsperspektiven, berufliche Weiterbildung, Führung und Gründung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Sichtbarkeit, Teilhabe und Geschlechterstereotype sowie digitale Sicherheit und Gewalt.
Insgesamt formuliert der Deutsche Frauenrat knapp 60 Forderungen, hier eine Auswahl:
- Pädagogische Digitalisierungskonzepte müssen so entwickelt werden, dass die Geschlechterperspektive integraler Bestandteil ist.
- Das Thema Digitalisierung und Geschlecht muss sowohl für Bildung und Fortbildung im Lehramt als auch in die Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern integriert werden.
- Berufsbildungsangebote sind im Zuge digitaler Weiterentwicklungen unvoreingenommen und geschlechtersensibel in Bezug auf Tätigkeiten, Berufe, Kompetenzen und Chancen zu gestalten.
- Die Curricula sind in allen Studiengängen um die notwendigen Lehrinhalte zur digitalen Transformation zu ergänzen.
- Algorithmen und KI-Anwendungen sind so zu gestalten, dass jegliche Diskriminierungen von Frauen in all ihrer Vielfalt auszuschließen sind.
- Auswahlkriterien und Algorithmen der verwendeten Software in der Personalrekrutierung und -entwicklung müssen unterschiedliche Fähigkeiten, Perspektiven und Biografien berücksichtigen und diskriminierungsfrei und nachprüfbar sein.
- Die Effekte der digitalen Transformation auf die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern müssen herausgearbeitet werden.
- Programme und Initiativen im außerschulischen Bereich sind zu fördern, die Mädchen und Frauen in der politischen Meinungsbildung und -äußerung im Netz sichtbarer machen.