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Iglu-Studie

Schülerinnen und Schüler lesen immer schlechter

Die Leseleistungen der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland sind seit 2016 gesunken. Die GEW fordert, mehr Geld in Grundschulen und Leseförderprogramme zu investieren - und vor allem Kinder aus armen Haushalten zu unterstützen.

Die Zahl der Grundschulkinder mit Schwächen beim Leseverständnis hat sich in den vergangenen Jahren erhöht. (Foto: Pixabay / CC0)

Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann einer Studie zufolge nicht richtig lesen. 25 Prozent der Kinder in diesem Alter erreiche nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre, geht aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) hervor. Bei der vergangenen Iglu-Erhebung (2017) lag der Anteil dieser Gruppe bei 19 Prozent. 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bezeichnete die Ergebnisse am Dienstag als „alarmierend“. Die GEW forderte, deutlich mehr Geld in die Grundschulen und gezielte Leseförderprogramme zu investieren sowie die Ganztagsangebote auszubauen.

Erneut wurde zudem ein Befund aus anderen Studien bestätigt: Kinder aus privilegierten Elternhäusern haben größere Chancen auf Bildungserfolg als andere Kinder. Im 20-Jahre-Trend zeige sich weder eine Verstärkung noch Reduzierung dieses Problems. Es habe sich im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit „praktisch nichts verändert“, erklärten die Autorinnen und Autoren der Studie. 

„Es ist alarmierend, wenn die Grundschule ihrem Anspruch, eine Schule für alle Kinder zu sein und Bildungsungerechtigkeiten abzubauen, immer weniger gerecht werden kann.“ (Anja Bensinger-Stolze)

„Es ist alarmierend, wenn die Grundschule ihrem Anspruch, eine Schule für alle Kinder zu sein und Bildungsungerechtigkeiten abzubauen, immer weniger gerecht werden kann“, kommentierte Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule. Die Politik habe versäumt, insbesondere Kinder aus armen Haushalten zu unterstützen.

„Konzepte der Leseförderung müssen einen festen Platz in der Ausbildung der Lehrkräfte bekommen.“

Im Durchschnitt der Europäischen Union (EU) investiere Deutschland besonders wenig Mittel in die Leseförderung, sagte die Expertin weiter. „Wir brauchen dringend ausreichend mehr gut aus- und fortgebildete Lehrkräfte, die auf das Lehren unter schwierigen sozialen Bedingungen vorbereitet sind und mit heterogenen Lerngruppen arbeiten können. Konzepte der Leseförderung müssen einen festen Platz in der Ausbildung der Lehrkräfte bekommen.“ Leseförderprogramme müssten besonders auf benachteiligte Schülerinnen und Schüler zugeschnitten sein. 

100 Milliarden-Euro-Programm für die Bildung

Bensinger-Stolze forderte grundsätzlich mehr Unterstützung für Grundschulen, um soziale Ungleichheit abzubauen. Es sei verantwortungslos, dass das „Startchancenprogramm“ für benachteiligte Schulen der Bundesregierung immer noch nicht in trockenen Tüchern sei. „Das Programm, das bereits auf das Schuljahr 2024/25 verschoben worden ist, steht immer noch unter Haushaltsvorbehalt. Dieser muss unbedingt ausgeräumt werden. Außerdem muss die geplante Summe von einer Milliarde Euro deutlich aufgestockt werden.“

Die GEW schlägt ein 100 Milliarden-Euro-Programm für Investitionen in Bildung vor, das über ein Sondervermögen finanziert wird. Darüber hinaus plädiert sie für ein neues Finanzierungssystem: Der bisher zur Mittelverteilung genutzte „Königsteiner Schlüssel“ sei ungeeignet, stattdessen sollten Gelder nach Sozialindex verteilt werden. 

Deutschland international im Mittelfeld

Die Studie zeigt außerdem: International schneiden Grundschülerinnen und -schüler in Deutschland bei der Lesekompetenz schlechter ab als Gleichaltrige in vielen anderen Ländern. Den Spitzenplatz belegt Singapur, ganz hinten steht Südafrika. Die deutschen Viertklässler landen im Mittelfeld, etwa im EU- und OECD-Schnitt. Länder wie Spanien, Frankreich oder Belgien schneiden schlechter ab. Weit besser als in Deutschland sind die Lese-Leistungen dagegen zum Beispiel in England oder Polen.

Der deutsche Punktwert sank nach anfänglicher Verbesserung Mitte der 2000er Jahre nun zum dritten Mal in Folge auf einen Tiefstand. Die Iglu-Befunde reihen sich zudem in die Ergebnisse anderer Bildungsstudien ein. 2022 zeigte der IQB-Bildungstrend, dass Viertklässler in den sogenannten Basiskompetenzen in Mathe und Deutsch in den vergangenen Jahren deutlich zurückfielen.

Die Iglu-Tests werden seit 2001 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt. Verantwortlich ist das Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund. Die aktuelle Erhebung stammt von 2021. Mitgemacht hatten rund 4600 Schüler aus 252 vierten Klassen in Deutschland. Sie bekamen jeweils Sach- und Erzähltexte und dazugehörige Verständnisaufgaben. International nahmen rund 400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil.