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Filmkritik

Der Traum vom besseren Leben

Das iranische Drama „Sun Children“ erzählt die Geschichte von vier Jungen, die auf den Straßen Teherans um ihre Existenz kämpfen. Dabei spielt eine Schule eine besondere Rolle.

Rund 152 Millionen Kinder weltweit müssen arbeiten – und das unter oft gefährlichen Bedingungen. Diesen Mädchen und Jungen sei „Sun Children“ gewidmet, heißt es im Vorspann des Films des Iraners Majid Majidi. Dennoch betont der Regisseur und Drehbuchautor: „Ich wollte keine ernsthafte Polemik über Kinderarbeit machen. Ich wollte einen unterhaltsamen, energiegeladenen, fröhlichen Film voller Abenteuer und Mut drehen, der zeigt, wie fähig, einfallsreich und widerstandsfähig diese Kinder wirklich sind.“

Das fasst „Sun Children“ ziemlich gut zusammen: Der zwölfjährige Ali und seine Freunde schlagen sich auf den Straßen Teherans durch. Sie stapeln Reifen in einer Werkstatt und klauen auf Bestellung die Räder westlicher Limousinen. Dann gibt es plötzlich einen attraktiven Job: Ein Kleinganove beauftragt Ali, einen mysteriösen Goldschatz auf einem Friedhof zu heben. Dorthin gelangt man indes nur über das Tunnelsystem der benachbarten Schule.

Und so melden sich die vier Jungs in der „Sun School“ an, in der Straßenkinder unterrichtet werden und sich Schulleiter Rafie mit großem Herzen für diese einsetzt. Dort antworten Schüler auf die Frage, was ihr Vater beruflich mache, zwar mit „Er nimmt Drogen.“ Oder: „Er ist im Gefängnis.“ Dennoch gelingt es dem Lehrer immer wieder, Kinder zur Begabtenförderung zu schicken.

Der 1959 geborene Majid Majidi zählt zu den bekanntesten Filmemachern des Iran. Thema in den meisten seiner Filme, für die er bereits zahlreiche Preise erhalten hat, ist die Gesellschaft seines Landes. Wie die Protagonisten in seinem aktuellen Film wuchs Majidi in ärmlichen Verhältnissen auf und kam über eine gemeinnützige Organisation zur Förderung von Kindern und Jugendlichen zum Theaterspielen. Später studierte er am Institut für dramatische Künste in Teheran.

Sein erster Spielfilm „Baduk“ (1992) wurde bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes gezeigt. „Kinder des Himmels“ (1997) war für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert, „Regen“ (2001) für den Europäischen Filmpreis in der Kategorie bester nicht-europäischer Film. 2008 war Majidi mit „Das Lied der Sperlinge“ im Wettbewerb der Berlinale vertreten, Hauptdarsteller Reza Naji bekam einen silbernen Bären als bester Darsteller.    

Grandiose Laiendarsteller

„Sun Children“ ist kein pessimistischer Film, auch wenn sich viele Szenen im düsteren Keller der Schule abspielen, wo die Gang heimlich buddelt und von einem Waschsalon, einem Internetcafe und einem Falafel-Imbiss träumt. Zudem erzählt Majidi nicht nur von Chancenungleichheit, familiärer Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, sondern feiert auch die Freundschaft der Schüler.

Viele Bilder und Metaphern sind dabei sehr offensichtlich – etwa der Weg zum Schatz, der über die Schule sprich Bildung führt, oder die Kinder, die sich ihren Weg durch den Tunnel graben und einen Fluchtweg suchen. Dennoch wirkt dies nie zu aufgedrückt.

Dass „Sun Children“ eine intensive Geschichte erzählt, liegt vor allem an den grandiosen Laiendarstellern, die natürlich und eindrücklich durch den Film führen und ihm einen realistischen Anstrich geben. Hauptdarsteller Rouhollah Zamani wurde bereits bei den Filmfestspielen von Venedig 2020, wo das Drama Premiere feierte, mit dem Marcello Mastroianni Award für den besten jungen Schauspieler geehrt.

Kinostart: 5. Mai 2022