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Vorbereitungsdienst

„Der Puffer ist weg“

Das Gehalt, das angehende Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst erhalten, war noch nie üppig. Durch die Inflation der vergangenen Monate hat das Geld jetzt aber auch noch deutlich an Wert verloren. Wie lässt es sich mit dem niedrigen Einkommen leben?

Wenig Geld und doch zufrieden? Jakob Nuhn sagt, dass er nur deshalb einigermaßen über die Runden komme, weil er immer noch wie ein Student lebt. (Jacob Nuhn, Lehramtsanwärter, Bremen Foto: Gudrun Fischer)

„Mein Gehalt reicht für die groben Ausgaben, aber ich merke, dass ich nicht mehr die finanzielle Sorglosigkeit habe, die ich noch vor einem Jahr hatte.“ Jacob Nuhn ist im zweiten Jahr seines Vorbereitungsdienstes auf das Lehramt an einer Schule mit gymnasialem Bildungsgang in Bremen. Der 33-Jährige ist Quereinsteiger, vorher hatte er in Geschichte promoviert. Er bekommt knapp 1.300 Euro Gehalt, der Beitrag für die Krankenversicherung ist davon abgezogen. Er habe zunehmend Geldsorgen, weil alles teurer wird, sagt er. Dabei wird er sogar nach A13 besoldet, in manchen Bundesländern erhalten Anwärterinnen und Anwärter auf das Lehramt nur A12.

„Seit ein paar Monaten fange ich an, mehr aufs Geld zu schauen. Vorher dachte ich nicht darüber nach, ob ich zum Beispiel essen gehen kann oder nicht. Aber so eine Ausgabe merke ich jetzt schon.“ Nuhn macht die Arbeit Spaß, und er schafft es, sich auch im zweiten Vorbereitungsjahr nicht zu stressen. Es bleibt ihm sogar die Zeit, ein paar Extra-Stunden an seiner Schule zu arbeiten. Diese Überstunden will er sich ausbezahlen lassen, denn das Geld ist jetzt willkommen. Der Referendar betont aber auch, dass er sich eigentlich nicht beklagen könne. „Ich finde, ich habe es vergleichsweise immer noch gut. Andere Leute verdienen mit einem vollen 40-Stunden-Job weniger als ich.“

„Diese Angst, oh, das Geld geht weg, spüre ich auch bei anderen.“ (Jacob Nuhn)

Nuhn hat in Dresden studiert und ist danach nach Bremen gezogen. Während der Promotion sei ihm klar geworden, dass er nicht in der Wissenschaft bleiben werde. „Ich weiß nicht, ob ich die ganze Zeit Lehrer sein will, aber ich habe gedacht, jetzt mache ich erst mal das Referendariat – und dann steht mir alles offen.“ Während der Doktorarbeit verdiente er mit einer halben Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni ungefähr so viel wie jetzt als Lehramtsanwärter.

Durch die Preissteigerungen der vergangenen Monate habe sich vieles verändert, sagt er. „Diese Angst, oh, das Geld geht weg, spüre ich auch bei anderen. Vorher war es so, dass man gelebt und ausgegeben hat, und am Ende war der Puffer, den man vielleicht vorher auf dem Konto hatte, noch da. Jetzt ist der weg. Manche Bio-Lebensmittel kann ich mir nicht mehr leisten. Ich kaufe jetzt mehr Lebensmittel im Supermarkt.“ Den Energiekostensteigerungen in den nächsten Monaten sieht er trotz allem „halbwegs gelassen“ entgegen. Das sei für ihn eine politische Frage, da müsse ernsthaft etwas geschehen. „Gaspreisdeckel, und so weiter und so fort, da bin ich voll dabei.“

Leben wie im Studium

Wenig Geld und doch zufrieden? Nuhn räumt ein, dass er nur deshalb einigermaßen über die Runden komme, weil er immer noch wie ein Student lebt. Er bewohnt ein günstiges Zimmer in einer Wohngemeinschaft (WG), außerdem besitzt er kein Auto. In Bremen lasse sich alles mit dem Fahrrad erreichen, sagt er.

Annekathrin Fornaçon arbeitet in Berlin als Lehramtsanwärterin an einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe. Ihre Fächer sind Französisch und Spanisch. Nach Abzug der Krankenversicherung bleiben der 27-Jährigen 1.220 Euro im Monat. Auch sie lebt in einer günstigen WG. Ihr Ziel ist es, ihre BAföG-Schulden bis zum Jahr 2024 zu begleichen, denn in diesem Fall würden ihr 2.000 Euro des Darlehens erlassen. Also versucht sie, von ihrem Gehalt noch etwas zurückzulegen. Sie kauft im Supermarkt immer das Billigste und lebt sehr genügsam. Ohne BAföG hätte sie gar nicht studieren können. Insgesamt ist sie zufrieden mit ihrer Berufswahl, aber „manchmal komme ich wegen der langen Vorbereitungszeit auf eine 60-Stunden-Woche“. Einmal hat sie ihre Vorbereitungszeit reduziert, bekam dann aber prompt nicht so gute Bewertungen wie zuvor.

Ob die Energiepauschale von 216 Euro, die sie mit dem jüngsten Gehalt bekam, ausreichen wird, wenn Gas und Strom teurer werden? „Ich hoffe, es wird nicht so schlimm, wie alle sagen. Aber wir sind sowieso sehr sparsam in der WG, auch aus Umweltgründen. Und ich wurde auch so erzogen“, sagt Fornaçon. Sie sei es gewohnt, mit wenig Geld zu leben. „Ich habe meinen Lebensstandard nach dem Studium einfach nicht erhöht. Klar, von einem Arbeitszimmer träume ich, aber niemand in meiner Umgebung hat eins.“ Der größte Wunsch der Referendarin ist, irgendwann im Ausland arbeiten zu können.

Wohngeld und Zuschuss der Eltern

Auch der angehende Lehrer Martin, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitschrift lesen möchte, wartet auf eine bessere Zukunft. Er ist im Januar 2022 Vater geworden und lebt in Frankfurt am Main. Seine Fächer sind Englisch, Wirtschaft und Politik. Wie Nuhn ist er Quereinsteiger in den Lehrerberuf. Vor dem Referendariat machte der heute 37-Jährige eine andere Ausbildung. Wegen des Kindes reduzierte er seine Wochenarbeitszeit, nun unterrichtet er sieben Stunden und absolviert dazu noch einen Seminartag pro Woche. Daher verdient er jetzt nur noch knapp 800 Euro netto im Monat. Das reiche hinten und vorne nicht, sagt er.

Angst machen ihm vor allem die steigenden Energiekosten. Schon jetzt ist die Gasrechnung doppelt so hoch wie vor der Energiepreisexplosion, seine Stromrechnung stieg von 40 Euro auf 70 Euro im Monat. Nun hat Martin Wohngeld beantragt, und seine Frau bekommt einen Zuschuss von ihren Eltern. Außerdem suchen sie nach einer Sozialwohnung, damit die Miete billiger wird.

Martin hatte einen Studienkredit, den er zurzeit nicht zurückzahlen kann. Momentan kommt er nur für die Kreditzinsen von 40 Euro im Monat auf. Urlaub ist in diesem Jahr für die kleine Familie ausgefallen. Ähnlich wie Nuhn in Bremen und Fornaçon in Berlin lebt Martin immer noch „wie ein Student“. Er, seine Frau und das Kind bewohnen eine Dreizimmerwohnung, ein Arbeitszimmer gibt es nicht. Als die Spülmaschine und das Fahrrad kaputt gingen, mussten sie auf ihre Ersparnisse zurückgreifen. Martin findet, Familien müssten in diesen schwierigen Zeiten unbedingt entlastet und das Elterngeld erweitert werden. Er freut sich auf den März nächsten Jahres, denn dann hat er die Prüfung hinter sich und kann auf eine feste Anstellung als Lehrer hoffen.