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RELIVE Aktionskonferenz

Der lange Weg zu Dauerstellen

Die Ampel will Dauerstellen für Daueraufgaben in der Wissenschaft schaffen. Ob der Gesetzentwurf zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) ein großer Wurf wird, ist unsicher. Die Positionen der Parteien liegen weit auseinander. Das zeigte sich bei der GEW-Aktionskonferenz „Her mit den Dauerstellen!“.

„Gute Wissenschaft braucht verlässliche Arbeitsbedingungen.“ So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vom Dezember 2021. Die Ampelparteien haben darin langjährige Forderungen der GEW aufgegriffen. Sie wollen das WissZeitVG reformieren und „darauf hinwirken, dass in der Wissenschaft Dauerstellen für Daueraufgaben geschaffen werden“.

Der Entwurf steht noch aus. Derzeit wird über die Eckpunkte beraten. Auch das parlamentarische Verfahren wird noch einiges an Zeit beanspruchen. Doch ob die Reform so radikal ausfallen wird, wie Gewerkschaft und Hochschulbeschäftigte es sich wünschen, ist alles andere als sicher.

Art Sonderarbeitsrecht in der Wissenschaft

Das zeigte sich bei der GEW-Aktionskonferenz „Her mit den Dauerstellen!“ am 15. März in Berlin. Fachleute aus Wissenschaft und Politik waren eingeladen, um über die anstehende Reform zu diskutieren. Zwar herrscht Einigkeit darüber, dass der Handlungsbedarf enorm ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Evaluation der vorherigen Reform, die nun als Basis der Gesetzesnovelle dienen soll. Wie die Ampel konkret gegensteuern will, das zeichnet sich bislang nur in Umrissen ab. Die Positionen der Parteien, auch die der Opposition, liegen in vielen Fragen weit auseinander.

Beispielsweise beim Qualifizierungsbegriff. Er ist das zentrale Argument für die Befristung von Stellen in der Wissenschaft. Weil sie auch der Qualifizierung dienen, so die Logik, kann es hier eine Art Sonderarbeitsrecht geben, das es sonst nirgendwo gibt. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2022 hat zudem eine sehr weite Definition festgelegt: Wenn es „in irgendeiner Form“ eine Qualifizierung gibt, kann befristet werden. Einen „Blankoscheck“ nennt das GEW-Vorstand und -Hochschulexperte Andreas Keller. Wie soll der Begriff nun definiert werden? SPD und Linke, das zeigte sich bei der Konferenz, wollen eine enge Definition, die sich allein auf die Promotionsphase bezieht. Die Grünen wollen das auch für die Post-Doc-Phase. Auch FDP und Union wollen den Begriff „relativ weit“ fassen.

Ähnlich verhält es sich bei der Frage von Mindestlaufzeiten. Heute beträgt die Vertragslaufzeit im Schnitt 1,5 Jahre. Beschäftigte müssen sich von Kurzvertrag zu Kurzvertrag hangeln. Die GEW fordert mindestens vier, besser sechs Jahre. Die FDP spricht sich für drei Jahre aus, die Grünen für vier Jahre, die anderen Parteien wollen sich noch nicht festlegen.

Oder bei der Tarifsperre. Nach dem WissZeitVG dürfen Gewerkschaften und Arbeitgeber keine abweichenden tarifvertraglichen Regelungen treffen – auch dies ein Unikat im Arbeitsrecht. SPD, Grüne und Linke wollen dies abschaffen und damit Tarifautonomie auch an den Hochschulen ermöglichen, FDP und Union plädieren für ein „gestuftes Modell“.

Bundesregierung dämpft Erwartungen

Auch bei weiteren wichtigen Punkten gehen die Vorstellungen teils weit auseinander. Wie soll mit Drittmittel-finanzierten Stellen umgegangen werden? Mit welchen Regeln schafft man die Verlässlichkeit, für die sich alle aussprechen? Was ist mit den Lehrbeauftragten? Mit den studentischen Beschäftigten? Mit Tenure Track? Und wenn mehr Dauerstellen geschaffen werden sollen, wie definiert man sie? Und wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Der zuständige Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) versprach, man werde eine „gute Balance“ finden zwischen den unterschiedlichen Positionen. Wie dieser „Interessensausgleich“ aussehen könnte, ließ er im Vagen. Immerhin kündigte er an, es werde „bald“ Eckpunkte geben – „nicht in Monaten, eher Tagen“. Zugleich dämpfte er die Erwartungen an die Reform: „Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz wird nicht alle Probleme lösen.“

Für den Soziologen Tilman Reitz, der an der Evaluation mitgearbeitet hat, geht das nicht weit genug. Er forderte einen Systemwechsel. „Das war der Subtext der Evaluation.“ Das WissZeitVG sei eine Einschränkung von Arbeitnehmerrechten. „Das muss sehr gut begründet werden“, sagte Reitz, der sich im Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft engagiert. „Wenn man das nicht als Problem sieht, hat man als Gesetzgeber versagt.“

Info:

Das fordert die GEW: Die Mindestvertragslaufzeit soll mindestens vier, besser sechs Jahre betragen; dies soll eine verbindliche Vorgabe sein. Der Qualifizierungsbegriff soll eng definiert werden und möglichst nur für die Promotionsphase gelten. Für die Post-Doc-Phase soll es eine Verpflichtung zur Entfristung geben. Drittmittel-Beschäftigte sollen nicht schlechter gestellt sein. Die Tarifsperre soll wegfallen, sodass Tarifautonomie auch an den Hochschulen gilt.