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Politische Bildung

Demokratie muss gelernt und nicht nur gelehrt werden

Demokratiebildung an Schulen steht vor großen Herausforderungen: Es reicht nicht aus, gelegentliche Maßnahmen zu ergreifen. Demokratie muss systematisch gefördert, in den Schulalltag integriert und aktiv gelebt werden – von allen Beteiligten.

Demokratiebildung an Schulen ist ein Prozess, der Teil des Schulalltags sein muss. (Foto: IMAGO/Panthermedia/zplusz)

Die Ergebnisse der Landtagswahlen im vergangenen Jahr waren für viele Menschen schockierend, da ein hoher Anteil junger Menschen mit der AfD eine rechtsextreme Partei gewählt hat. Die Frage, ob dies ein Armutszeugnis für die Demokratiebildung an Schulen ist, stand daher im Zentrum der Podiumsdiskussion „Demokratiebildung und -erziehung in der Schule“. Waltraud Eder, Schulleiterin der Conrad-Graf-Preysing-Realschule in Plattling, Fabian Schön, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, und Maike Finnern, GEW-Vorsitzende, bezogen Stellung. Finnern nahm den Ball auf und betonte, dass man nicht nur auf diese Wahlergebnisse schauen dürfe: „Wenn wir das Ergebnis der Europawahl betrachten, sehen wir, dass 85 Prozent der jungen Menschen eben nicht AfD gewählt haben.“ Dennoch sei es entscheidend, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen, sie vorzuleben und jungen Menschen echte Beteiligungsmöglichkeiten zu geben.

„Schülerinnen und Schüler erhalten in ihrer gesamten Schulzeit nur 1 bis 4 Prozent politische Bildung.“ (Fabian Schön)

Schulen stehen vor dem Problem, politische Bildung in einen ohnehin vollen Schulalltag zu integrieren. Lehrkräfte stehen unter Druck, da sie den Lehrplan abarbeiten müssen. Dazu kommt der Fachkräftemangel, der viele Schulen zusätzlich belastet. In dieser Situation bleibt wenig Zeit für demokratische Prozesse im Schulalltag. Ein Beispiel für eine Maßnahme, die dem entgegenwirken soll, ist die sogenannte Verfassungsviertelstunde in Bayern – einmal pro Woche vermitteln Lehrkräfte politische Bildung. Für Schulleiterin Eder ist das „besser als nichts“. Schülersprecher Schön hält das für unzureichend: „Schülerinnen und Schüler erhalten in ihrer gesamten Schulzeit nur 1 bis 4 Prozent politische Bildung. Demokratie muss gelernt werden, das passiert nicht von selbst.“

„Demokratiebildung muss strukturell verankert sein. Man darf nicht alles auf die Schulen abwälzen, auch die Politik trägt Verantwortung.“ (Maike Finnern)

Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler. Eder setzt sich für ein demokratisches Miteinander an ihrer Schule ein: „Kinder haben gute Argumente, und sie müssen lernen, sie zu nutzen. Demokratie heißt aber nicht nur, Forderungen zu stellen, sondern auch Verantwortung zu übernehmen.“ In ihrer Schule wurde beispielsweise eine Werte-AG gegründet, die unter anderem ein Projekt zur Verschönerung der Toiletten umsetzte. Schön forderte, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur in Schulprojekten mitwirken, sondern auch bei Lehrplänen mitbestimmen sollten: „Wir wollen einen praxisnahen Unterricht, der uns auf das Leben vorbereitet – mit Inhalten, die wirklich relevant sind.“ GEW-Vorsitzende Finnern ergänzte: „Demokratiebildung muss strukturell verankert sein. Man darf nicht alles auf die Schulen abwälzen, auch die Politik trägt Verantwortung. Doch statt Fördermittel bereitzustellen, werden vielerorts Gelder gestrichen.“

Medienbildung ist Teil von Demokratiebildung

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Diskussionsrunde war die Medienkompetenz. Jugendliche informieren sich größtenteils in sozialen Netzwerken. Dies ist ein Problem, da einige Parteien dort sehr präsent sind, während andere kaum wahrgenommen werden. Deswegen hält Finnern Medienbildung für einen essenziellen Bestandteil der Demokratiebildung: „Es muss Teil des Schulalltags sein, dass junge Menschen lernen, Quellen kritisch zu hinterfragen.“ Allerdings fehle es oft an qualifizierten Lehrkräften und Fortbildungsangeboten. Schön hält verpflichtende Fortbildungen für Lehrkräfte für richtig, dahingehend gab Finnern zu bedenken, dass viele Schulen nicht die Kapazitäten haben, solche Maßnahmen umzusetzen.

Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der ab dem 1. August 2026 gilt, rückt auch die Frage der Demokratieerziehung in den Fokus. Daniela Schneckenburger vom Deutschen Städtetag, Katja Flämig vom Deutschen Jugendinstitut, die GEW-Vorsitzende Maike Finnern und Sven Iversen von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen diskutierten darüber.

„Demokratie muss für alle Beteiligten erlebbar sein – für Kinder genauso wie für Beschäftigte.“

Schneckenburger machte gleich zu Anfang deutlich: „Unsere Versorgungsquoten sind momentan nicht ausreichend. Es gibt noch viel zu tun beim quantitativen Ausbau, damit bis 2026 alle Kinder einen Platz haben.“ Doch die Herausforderungen liegen nicht nur in der Infrastruktur. Flämig hob hervor, dass es beim Übergang von der Kita zur Grundschule einen Bruch in der Demokratiebildung gebe. In Kitas würden demokratische Kompetenzen spielerisch vermittelt, doch in der Grundschule erwarte man von den Kindern Anpassung. Das führe dazu, dass bereits erlernte demokratische Kompetenzen in den ersten Schuljahren verloren gehen. 

Finnern betonte, dass Demokratiebildung im Ganztag nicht nur den Kindern zugutekommen dürfe: „Wir müssen auch die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte verbessern und ihre Mitbestimmung stärken. Demokratie muss für alle Beteiligten erlebbar sein – für Kinder genauso wie für Beschäftigte.“ Dies könne durch mehr Mitsprache zum Beispiel bei Schulprogrammen und baulichen Entwicklungen geschehen.

Eltern mit einbinden

Ein weiteres Thema war die Rolle der Eltern. Iversen bezeichnete die Elternarbeit als Herausforderung. Die Zusammenarbeit gelinge dort am besten, wo Schulen von Anfang an klare Kommunikationsstrukturen schaffen und Eltern aktiv in Entscheidungen einbinden. Studien zeigen zudem, dass sich engagierte Eltern positiv auf die demokratische Entwicklung ihrer Kinder auswirken.

Auch die Haltung der pädagogischen Fachkräfte wurde als entscheidender Faktor benannt. „Wenn eine Schule ein klares Leitbild entwickelt hat, in dem Demokratie als Wert verankert ist, dann sind auch die pädagogischen Konzepte stabiler“, erklärte Flämig. Schließlich wurde auch die Finanzierungsfrage diskutiert. Finnern stellte klar: „Die Länder müssen jetzt handeln und sich klar zu einem hochwertigen Ganztagsangebot bekennen.“ Ein qualitativer Ganztag müsse angemessen finanziert werden, um sowohl den pädagogischen Fachkräften gute Arbeitsbedingungen als auch den Kindern ein förderliches Umfeld zu bieten.