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Arbeitsalltag von Kita-, Hort- und Schulleitungen

Dauerhaft gefordert - in der Krise gestaltungsbereit

Schulleitungen sind durch die Folgen der Corona-Pandemie und die Digitalisierung noch einmal besonders belastet worden.

Foto: GEW/Shutterstock
Mit der Corona-Pandemie kamen vielfältige neue und vor allem kurzfristige Anforderungen hinzu. (Foto: GEW/Shutterstock)

Um den Bildungsauftrag der Schule in der Pandemie erfüllen zu können, musste vieles plötzlich kontaktlos und digital gemacht werden. Lehrkräfte wie Schulleitungen stellten ihre etablierten Arbeits- und Kommunikationsformen quasi ad hoc um. Sie haben dies unter den gegebenen Bedingungen bemerkenswert schnell bewerkstelligt. Was lässt sich zu diesem Prozess aus wissenschaftlicher Perspektive mit Blick auf Schulleitungen kursorisch festhalten?

Schon vor der Pandemie gehörten Schulleitungen zur Gruppe besonders belasteter Lehrkräfte an deutschen Schulen. Eine Sonderauswertung für das Niedersächsische Expertengremium Arbeitszeitanalyse (2018) ermittelte für Schulleitende aus Grundschulen, Gesamtschulen und Gymnasien in Niedersachsen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von deutlich über 50 Stunden. Ebenfalls vor der Pandemie (2019) wurde in der Studie Leadership in German Schools (LineS2020) für ganz Deutschland ein Durchschnitt von 50 Stunden ermittelt.

20 Prozent der Schulleitenden dachten darüber nach, den Job zu wechseln (Schule verlassen/Arbeitsplatz wechseln), 24 Prozent empfanden ihre beruflich erbrachten Leistungen als gesellschaftlich nicht angemessen gewürdigt und nicht ausreichend bezahlt (berufliche Gratifikationskrise) und bei 53 Prozent wurde chronischer Stress aufgrund der Arbeitsüberlastung diagnostiziert.

Vertrauensverlust gegenüber Schulverwaltungen

Mit der Corona-Pandemie kamen vielfältige neue und vor allem kurzfristige Anforderungen hinzu. Angesichts der Rahmenbedingungen verwundert da weder der von Marcus Pietsch und Colin Cramer in einer Folgestudie beschriebene Vertrauensverlust der Schulleitungen gegenüber Schulverwaltungen von 62 Prozent (Herbst 2019) auf 52 Prozent im Herbst 2021, noch der aus Schulleitendensicht größte Belastungsfaktor (80 Prozent): Die Schulpolitik lasse bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag außer Acht (Schulbarometer SJ 20/21).

Während der Pandemie und insbesondere bei neuen Verordnungslagen (Hygiene, Quarantäne, Homeschooling, Wechselunterricht etc.) waren Schuleitungen als Führungskräfte besonders gefordert. Als ortsnahe Ansprechpartner fungierten sie als Übersetzer und Entscheider für Kollegien, Eltern- sowie Schülerschaft und überschritten dabei teils etablierte Kompetenzgrenzen.

Digitale Kluft wuchs

Als Mittler und wohl häufig auch als Troubleshooter zwischen Schulverwaltungen und Gesundheitsämtern waren Hygienepläne anzupassen und umzusetzen. Gleichzeitig mussten kurzfristig kontaktlose digitale Unterrichtsformen etabliert werden – ein weiterer Belastungsfaktor für das Schulleitungspersonal angesichts der häufig schlechten digitalen Infrastruktur. Anfang 2021 gab es in 50 Prozent der Schulen kein WLAN für Schülerinnen und Schüler und auch nur in 70 Prozent WLAN für alle Lehrkräfte (Digitalisierung im Schulsystem 2021).

Im Dickicht aus umständlicher Digitalpaktförderung des Bundes, kommunalen Schulträgern, Vergabeordnungen, IT-Anbietern und IT-Dienstleistern wurden Digitalisierungslösungen etabliert, die allzu häufig Sachzwängen gehorchten statt pädagogischen Prämissen. Was bei der Schulentwicklung lange Zeit zurückgestellt worden war, musste nun vielfach aus dem Stand entwickelt werden: Medienbildungskonzepte und digitale Schulstrategien. Wie nicht anders zu erwarten, gelang dies kontextabhängig mal besser, mal schlechter. Die digitale Kluft zwischen den Schulen wuchs.

Pandemiegeprägter Digitalisierungsschub

Ergebnis dieser Entwicklung ist ein pandemiegeprägter Digitalisierungsschub, vielfach erkauft mit Ad-hoc-Lösungen, Improvisationen, kurzfristigen Zusatzanforderungen und temporären Überforderungen. Schulleitungen hatten insbesondere bei organisatorischen Unklarheiten und Widersprüchen einen deutlich erhöhten Aufwand, etwa um vor Ort Hygieneregeln adäquat umzusetzen oder Digitalisierungslösungen (Hardware, Software, Administration, digitale Lehr- und Lernformen) voranzutreiben. Dabei gab es quantitativ kaum Spielräume, Schulleitende stießen an ihre Belastungsgrenzen.

Die Daten der Digitalisierungsstudie 2021 für Schulleitende* weisen während der Pandemie eine durchschnittliche Arbeitszeit von 52:06 Stunden in der Woche aus. Die Arbeitsverdichtung und Zunahme qualitativer Belastungen hat Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit. Vor der Pandemie war etwa jede 20. Schulleitung mit ihrer Arbeit (eher) unzufrieden, in der Corona-Krise ist es jede sechste. Und nicht zuletzt drohen bei andauernder Überbeanspruchung unerwünschte Gesundheitsfolgen.

Das Ergebnis dieser Kraftanstrengung kann sich trotzdem durchaus sehen lassen: Im Jahr 2021 gehörte der Einsatz digitaler Basislösungen mehrheitlich (rund 90 Prozent) zum normalen Unterrichtsgeschehen an deutschen Schulen (Visualisierung der Inhalte, Feedback, im Internet recherchieren etc.). Interaktive und anspruchsvollere Lehr- und Lernformen sind dagegen weit weniger verbreitet. Dass es beim digitalen Unterricht noch viel Entwicklungsbedarf gibt, auch angesichts der digitalen Kluft, ist offensichtlich.

Mehr freie Leitungszeit nötig

Zwar rangen nach der S-Clever-Studie im Juni/August 2021 noch immer 62 Prozent der Schulen um eine adäquate WLAN-Verfügbarkeit, aber die Schulleitungen trieben sowohl im Schuljahr 20/21 wie auch 21/22 bei der Schulentwicklung digitale Lehr- und Lernkonzepte prioritär voran. Dazu passt, dass Schulleitende auch nach unseren Befunden aus der Digitalisierungsstudie 2021 die digitale Schulentwicklung deutlich optimistischer beurteilen als andere Lehrkraftgruppen.

Die Beschäftigten an Schulen sind hoch motiviert, da darf man also durchaus optimistisch sein. Gelingen können die Überwindung der digitalen Kluft und ein „umfangreiches digitales Bildungssystem“ (Deutsche Digitalstrategie der Kultusministerkonferenz) aber nur, wenn genügend Spielräume, also zusätzliche Ressourcen und geeignete Entlastungen für die digitale Schulentwicklung zur Verfügung stehen; wenn Schulleitungen also über mehr freie Leitungszeit verfügen, um aktiv gestalten zu können. Mit Blick auf die Arbeitszufriedenheit der Schulleitenden ist zu wünschen, dass ihre beruflichen Leistungen zudem stärker gewürdigt werden. 

* Das Merkmal „Schulleitung“ wurde aus Datenschutzgründen in der Digitalisierungsstudie 2021 nicht erhoben. Für die Auswertung wurden daher Gruppen gebildet, denen die Annahme zugrunde liegt, dass Beschäftigte mit 15 und mehr Abminderungsstunden sicher der Schulleitung und mit neun bis 15 Stunden der „erweiterten“ Schulleitung angehören (beispielsweise Koordinatorinnen und Koordinatoren).

Das deutsche Schulsystem steht arbeitspolitisch seit Jahren vor großen Herausforderungen und in vielen Bereichen unter Druck – beispielsweise Nachwuchsmangel, Mehrarbeit, zudem besonders beanspruchte Teilgruppen, Arbeitsverdichtung und belastende Priorisierungen im Schulalltag. Dazu kommen verschiedenste qualitative Beanspruchungsformen je nach Schulkontext sowie zurückgehende Unterrichtsanteile an der Gesamtarbeitszeit, während Aufgaben, die über den Unterricht hinausgehen, wachsen. All das hat Auswirkungen auf die Qualität der Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte und Schulleitungen sowie auf die Qualität der Bildung.