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Kommentar

Das Versagen der KMK

Wir dürfen den dramatischen Lehrkräftemangel in Deutschland nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Die Ursachen müssen endlich bekämpft werden.

Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW, Foto: Kay Herschelmann)

Wissenschaft und Gewerkschaften warnen seit Jahren mit Blick auf die demografische Entwicklung und die Pensionierungswelle bei den Lehrkräften vor einem drohenden Fachkräftemangel. Die Pandemie und die große Zahl geflüchteter ukrainischer Kinder und Jugendlicher, die jetzt in Kitas und Schulen integriert werden, haben den Mangel verschärft. Ursächlich ist jedoch, dass die Länder die Augen vor der Entwicklung schlicht verschlossen haben und die Kultusministerkonferenz (KMK) ihre Aufgabe, strategisch zu planen und die Arbeit der Länder zu koordinieren, vernachlässigt hat.

Und das in einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Anforderungen, die Schule – zu Recht! – angehen und lösen soll, wachsen. Als Stichworte seien die Herausforderungen der Digitalisierung, der Klimakrise, der Inklusion oder der Ausbau des Ganztags genannt. Um diese Aufgaben zu stemmen, ist – über die demografische Entwicklung hinaus – deutlich mehr pädagogisches Personal notwendig.

Die aktuellen Arbeitsbedingungen an Schulen, aber auch an Kitas sind für viele junge Menschen nicht attraktiv genug, um sich für diese eigentlich wunderbaren Berufe zu entscheiden.

Doch woher nehmen? Die aktuellen Arbeitsbedingungen an Schulen, aber auch an Kitas sind für viele junge Menschen nicht attraktiv genug, um sich für diese eigentlich wunderbaren Berufe zu entscheiden. Deshalb müssen die Bildungs- und Kultusministerien ihren Kurs grundlegend ändern, sichere und gut ausgestattete Arbeitsplätze anbieten. Sie müssen kontinuierlich eine große Anzahl Lehrkräfte ausbilden, um aus den Zyklen von Lehrkräftemangel und -überhang auszubrechen. Doch das allein reicht nicht, denn neue Lehrkräfte fallen nicht vom Himmel, ihre Ausbildung dauert rund sieben Jahre.

Schauen wir deshalb auf die aktuelle Lage zu Beginn des Schuljahres und Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Situation nicht aus dem Ruder läuft. In diesem Sommer können im Vergleich zum Vorjahr noch einmal weniger Stellen mit voll ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage wird größer. Die GEW schätzt auf Grundlage der Daten des Deutschen Schulportals, dass 20.000 bis 25.000 Stellen offen bleiben werden. Die Zahl der Quer- und Seiteneinsteigenden wächst – vorausgesetzt, diese sind noch verfügbar. Auch hier ist der Arbeitsmarkt mittlerweile oft leergefegt.

Die Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer sind dringend zu verbessern. Das heißt unter anderem: weniger Pflichtstunden und kleinere Klassen.

Deshalb müssen endlich die Ursachen des Lehrkräftemangels bekämpft werden. Die Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer sind dringend zu verbessern. Das heißt unter anderem: weniger Pflichtstunden und kleinere Klassen. Wenn die Politik sagt, dass sie die Arbeitszeit nicht senken könne, weil es zu wenige Lehrkräfte gebe, wird genau andersherum ein Schuh daraus: Mit abschreckenden Arbeitsbedingungen kann man nicht locken! Die Folge: Es gibt noch weniger personellen Spielraum für bessere Arbeitsbedingungen. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden.

NC für Grundschullehramtsstudiengänge abschaffen

Gleichzeitig müssen Arbeit und Personal an Schulen besser aufgestellt werden. Lehrkräfte sind keine Verwaltungsbeamtinnen oder -beamten und auch keine IT-Fachkräfte. Die Schulen brauchen mehr Fachkräfte, die diese nicht-pädagogischen Arbeiten übernehmen. Zudem müssen viel mehr multiprofessionelle Teams gebildet werden. In diesen arbeiten Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter und -pädagogen sowie Erzieherinnen zusammen.

Insbesondere mit Blick auf den Ganztag muss diese Entwicklung konsequent vorangetrieben werden. Dazu gehört dann aber auch, dass es Zeiten für Kooperation geben muss, jede berufliche Kooperation gehört zur Arbeitszeit. Um die hohen Aussteigerquoten bei den Quer- und Seiteneinsteigenden zu reduzieren, ist es zwingend notwendig, dass Länder, Hochschulen, Lehrkräfteseminare und Gewerkschaften diese Gruppe ab sofort berufsbegleitend mit der Perspektive einer echten Anerkennung qualifizieren.

Parallel müssen die Hochschulen ihre Ausbildungskapazitäten für die Lehrämter hochfahren. Die Länder sind gefordert, mehr Referendariatsplätze zur Verfügung zu stellen. Zudem müssen sie die Begleitung der jungen Menschen in Studium und Referendariat dringend verbessern, denn auch hier gibt es viel zu hohe Abbrecherquoten. Last but not least ist es ein (schlechter) Treppenwitz der Geschichte, dass immer noch auf sehr vielen Grundschullehramtsstudiengängen ein hoher Numerus clausus (NC) liegt. Der muss weg!