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Kleinere Klassen gefordert

„Das hat nichts mehr mit modernem Unterricht zu tun“

Deutsche Schulklassen werden laut einem Bericht des „Spiegels“ immer voller. Besonders betroffen seien Berliner Grundschulen. Der GEW-Landesverband, der seit langem kleinere Klassen fordert, bereitet sich derweil auf den nächsten Warnstreik vor.

Die GEW fordert kleinere Klassen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. (Foto: Dominik Buschardt)

Das Problem immer größer werdender Schulklassen ist in Berlin laut einem Bericht des „Spiegels“ besonders akut. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigten, dass die Hauptstadt im Schuljahr 2020/21 bei den Klassengrößen an Grundschulen mit fast 30 Kindern in einer Klasse im Ländervergleich zu den Schlusslichtern gehört habe, schreibt das Nachrichtenmagazin in seiner aktuellen Ausgabe. „In Berlin wird die Situation seit Jahren schlechter“, betont auch der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann. Die Bildungsgewerkschaft ruft seit Monaten immer wieder zu Streiks für kleinere Klassen auf und fordert einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der diese vorschreibt.

Dem „Spiegel“-Bericht (Paywall) zufolge sollen in Berliner Grundschulen laut Schulverordnung in der Regel 23 bis 26 Kinder sein, in weiterführenden Schulen liege der Richtwert je nach Schulform bei 26 bis 29 Schülerinnen und Schülern. In der Praxis seien jedoch etliche Klassen deutlich größer, habe eine Anfrage der Grünen bei der Senatsverwaltung für Bildung im Jahr 2020 ergeben.

„Wenn Gruppen so groß sind, läuft das meist auf Frontalunterricht hinaus, das hat nichts mehr mit modernem Unterricht zu tun.“ (Tom Erdmann)

Demnach lernten in mehr als 80 ersten und zweiten Klassen 27 Kinder zusammen. An Sekundarschulen saßen in mehr als 50 siebten und achten Klassen 28 oder mehr Schülerinnen und Schüler. In fast 300 Gymnasialklassen der siebten und achten Klassen wurden 32 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, in 41 Klassen sogar mehr.

„Wenn Gruppen so groß sind, läuft das meist auf Frontalunterricht hinaus, das hat nichts mehr mit modernem Unterricht zu tun“, sagte Erdmann dem „Spiegel“. „Irgendwann schlagen sich solche Missstände bei den Kindern auf die Leistungen nieder und bei den Lehrkräften auf die Gesundheit.“

Neue Warnstreiks am 7. und 8. Februar

Die GEW will, dass in Berliner Grundschulen nicht mehr als 19, in sozial benachteiligten Stadtteilen nicht mehr als 17 Kinder in einer Klasse sitzen. In Klasse sieben soll diese Zahl bei maximal 21 liegen, ab Klasse 8 bei 24. Für kleinere Klassen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen sowie einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz gehen die Gewerkschaft und ihre Mitglieder am 7. und 8. Februar bei einem zweitägigen Warnstreik erneut auf die Straße. 

„Die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher und Sozialpädagoginnen und -pädagogen zahlen mit ihrer Gesundheit den Preis für die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen.“

Zuletzt streikten Mitte Dezember rund 2.500 Lehrkräfte und weitere pädagogische Fachkräfte, es war bereits die siebte Protestaktion dieser Art. „Der Krankenstand in den Schulen und Kitas dieser Stadt ist aktuell so hoch wie nie. Die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher und Sozialpädagoginnen und -pädagogen zahlen mit ihrer Gesundheit den Preis für die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen“, sagte der Vorsitzende der GEW Berlin, Tom Erdmann. „Die Politik versäumt es seit Jahren, die nötigen Lehrkräfte auszubilden und die fehlenden Schulen zu bauen.“

Zwar hatten alle drei Regierungsparteien das Ziel kleinerer Klassen in ihren Wahlprogrammen – „passiert ist seit der letzten Wahl jedoch rein gar nichts“, betonte die Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik, Anne Albers. 

SWK empfiehlt größere Klassen

Neue Brisanz hat das Thema Klassengröße durch die Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) in der Kultusministerkonferenz (KMK) zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel bekommen. Zu den am vergangenen Freitag präsentierten Vorschlägen der Kommission gehört nämlich auch die „Anpassung der Klassenfrequenzen“. 

Die GEW reagierte umgehend mit Ablehnung: „Diese Empfehlungen der SWK werden die ohnehin überlasteten Lehrkräfte nur zusätzlich belasten“, sagte die Vorsitzende Maike Finnern. Ohnehin benachteiligte Kinder und Jugendliche würden so nur weiter abgehängt.