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Initiative Bildung. Weiter denken!

Das A13-Mikado

Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. So sieht es noch immer eine knappe Mehrheit der Landesregierungen, die sich der Forderung, Lehrkräfte aller Schularten nach A13 (Beamte) und E13 (Angestellte) gleich zu entlohnen, hartnäckig verweigert.

Plakat: GEW Hessen

Das Brandenburger Tor, das Grüne Gewölbe, Schloss Sanssouci – einen Besuch wert sind sie allemal. Für Grundschullehrkräfte haben Brandenburg, Sachsen und Berlin abgesehen von solchen Sehenswürdigkeiten freilich noch eine weitere handfeste Attraktion zu bieten: Hier wie in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist A13 für alle mittlerweile entweder verwirklicht oder für eine nahe Zukunft beschlossen, hat gewerkschaftlicher Druck zum Ziel geführt.

Für den zum vierten Mal bevorstehenden bundesweiten JA13-Aktionszeitraum der GEW hat der Landesverband Hessen „superschöne“ Postkarten mit touristischen Motiven der Vorreiter-Länder drucken lassen. Eine „lustige Aktion“ nach den Worten der Vorsitzenden Birgit Koch, zugleich ein demonstrativer Hinweis, dass im Schuldienst bessere Arbeits- und Lebensbedingungen möglich sind als Hessen sie derzeit bietet. Dort haben Lehrerinnen und Lehrer nicht nur die bundesweit höchste Pflichtstundenzahl abzuleisten – 28,5 in der Woche. Grundschullehrkräfte verharren überdies in der Besoldungsgruppe A12 ohne Aussicht auf baldige Höherstufung.

„Wir sagen sehr klar, dass die Arbeit in Grundschulen gleichwertig mit der Arbeit an anderen Schularten ist. Alle, die wissen, was an einer Haupt- und Werkrealschule geleistet wird, betonen: Das kann ja überhaupt nicht sein, dass die, die die größten Herausforderungen haben, so schlecht bezahlt werden.“ (Doro Moritz)

„Die schwarz-grüne Koalition wird die Entwicklung in anderen Bundesländern beobachten“, sagt GEW-Landeschefin Koch. Sobald „eines der großen Bundesländer“ – Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen (NRW) – sich bewege, werde auch Hessen nachziehen, ist sie sich sicher: „Wer der erste ist, der zuckt, weiß ich nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir als Gewerkschaft den Druck immer hoch halten.“ Von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) ist ein Zitat im Umlauf, es sei „bei Strafe verboten“, im Kräftemessen um A12 oder A13 Schwäche zu zeigen.

In Baden-Württemberg hat CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann jetzt angekündigt, in den nächsten sechs Jahren jeweils 200 „verdienten“ Lehrkräften an Werkrealschulen den Aufstieg nach A13 zu ermöglichen. Entsprechende Mittel wolle sie für den Doppelhaushalt 2020/21 beantragen. „Ob was kommt, ist offen“, meint GEW-Landeschefin Doro Moritz indes, für die der Südwesten, wenn es um das Anliegen gleicher Besoldung in allen Schulformen geht, „ganz klar ein Problemland“ ist. In der Grundschule gebe es „überhaupt keine Chance für A13“.

Wer an einer weiterführenden Schule arbeite, könne sich für A13 qualifizieren, Lehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen nicht – „ungerecht“, findet Moritz: „Wir sagen sehr klar, dass die Arbeit in Grundschulen gleichwertig mit der Arbeit an anderen Schularten ist. Alle, die wissen, was an einer Haupt- und Werkrealschule geleistet wird, betonen: Das kann ja überhaupt nicht sein, dass die, die die größten Herausforderungen haben, so schlecht bezahlt werden.“

Umso mehr, als gerade diese Schulformen wie auch die Grundschule in Baden-Württemberg am meisten von Personalnot betroffen sind. Das Land erfreue sich zwar eines Überhangs von 2.000 Gymnasiallehrkräften vor allem geisteswissenschaftlicher Fächer. Diese können sich in 15 Tagen für die Grundschule fit machen lassen, wo sie dann mit A12 einsteigen. Hingegen herrsche an Grundschulen, Werkreal- und Gemeinschaftsschulen ein „massiver“, ja „extremer“ Lehrkräftemangel, gibt Moritz zu bedenken.

Musterklagen gegen geltende Besoldungsordnung in NRW

„Null, tut sich, nix“, antwortet auch NRW-GEW-Vorsitzende Maike Finnern auf die Frage nach dem Stand der Dinge. Dabei hat im Düsseldorfer Landtag FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer bereits vor zwei Jahren Lehrerinnen und Lehrern eine amtsangemessene Besoldung in Aussicht gestellt. Gegen Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) habe sie sich damit allerdings nicht durchsetzen können, meint Finnern.

NRW hat vor zehn Jahren als erstes Bundesland die Ausbildungsgänge für alle Lehrämter der unterschiedlichen Schularten einander angeglichen und damit im Grunde das entscheidende Argument geliefert, um auch die Forderung nach gleicher Bezahlung zu untermauern. So sieht es der Würzburger Staatsrechtler Ralf Brinktrine, der im Januar 2016 für die Landes-GEW entsprechend gutachtete: Nicht nur mit Blick auf die Einheitlichkeit der Ausbildung, sondern auch, weil die Tätigkeit an Grund-, Haupt-, Real-, Gemeinschaftsschulen sowie Gymnasien zwar unterschiedlich, aber gleichermaßen anspruchsvoll sei, sei „A13 für alle“ verfassungsrechtlich geboten.

Auf dieser Grundlage betreibt die NRW-GEW Musterklagen gegen die geltende Besoldungsordnung. Wann sie damit ein Gericht erreicht, sei allerdings überhaupt nicht abzusehen, denn die Landesregierung, meint die GEW-Landesvorsitzende, spiele auf Zeit. Das Ministerium weigert sich seit 2016, die Widersprüche betroffener Lehrerinnen und Lehrer gegen ihre damaligen Bezügemitteilungen wenigstens abzulehnen und damit den Rechtsweg zu öffnen. So bleibt der Gewerkschaft zunächst nichts anderes als der Versuch, mit der Androhung einer Untätigkeitsklage die Kultusbürokratie auf Trab zu bringen – womit in der Sache aber längst nichts entschieden ist. Nach GEW-Einschätzung hat man sich im Ministerium damit abgefunden, dass auf Dauer an der Besoldungsangleichung kein Weg vorbeiführt, möchte sich die Zusatzkosten indes noch so lange wie irgend möglich sparen.

„Es wandern zu viele in Nachbarländer ab.“ (Maik Walm)

Es gibt Länder wie Hessen oder Baden-Württemberg, die erkennbar mit Vorbedacht auf die Angleichung der Ausbildungsgänge verzichten, wohl um A13-Begehrlichkeiten erst gar nicht aufkommen zu lassen. Trotzdem stehen sie natürlich allesamt vor der Herausforderung, das Lehramt zumal in der Grundschule und der Sekundarstufe I, wo die schmerzlichsten Personallücken klaffen, attraktiver zu gestalten. Aus Niedersachsen etwa berichtet die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth von Grundschulkollegien, die mittlerweile zur Hälfte aus abgeordneten Gymnasiallehrkräften bestehen. Die Regierung in Hannover hat sich jetzt entschlossen, ab August 2020 allen nach A12 besoldeten Lehrerinnen und Lehrern eine monatliche Zulage von 94 Euro zu zahlen. Ein Einstieg in A13? Eine „Stillhalteprämie“? Für Pooth „ein Schritt in die richtige Richtung – aber es müssen weitere folgen“.

Die „Not der Schulen“ hat auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierung zu einer Richtungsänderung bewegt. „Es wandern zu viele in Nachbarländer ab“, kommentiert der Ko-Vorsitzende der Landes-GEW Maik Walm die Entscheidung, die knapp 3.200 Grundschullehrkräfte mit Beginn des Schuljahres 2020/21 in A13/E13 zu heben. Mecklenburg-Vorpommern ist umgeben von Ländern, die die Besoldungsangleichung vollzogen oder eingeleitet haben. 2018 wurde die Schweriner Regierung zudem durch den Befund aufgeschreckt, dass 80 Prozent der derzeit im Land beschäftigten Lehrkräfte bis 2030 zu ersetzen sind. „Das muss man nüchtern sagen“, findet Walm: „Druck von außen, Druck von innen haben gewirkt.“

„Wir lassen uns da nicht auseinanderdividieren.“ (Frauke Gützkow)

In Bremen bequemte sich der Senat im vergangen Mai zu der von GEW-Landesvorstandssprecher Bernd Winkelmann propagierten „politischen Lösung“: Beginnend im August 2019 soll der Weg zur Besoldungsangleichung bis 2021 in drei Etappen zum Ziel führen. In Hamburg fand das Versprechen, zwischen 2020 und 2023 die bisherige Zweiteilung der Besoldungsstruktur stufenweise zu überwinden, Eingang in den im August novellierten „Schulfrieden“ der wichtigsten politischen Parteien. Allerdings stehe ein Gesetzentwurf bisher aus, moniert GEW-Landeschefin Anja Bensinger-Stolze: „Auf jeden Fall werden wir weiter Druck machen, sollten sich die Verantwortlichen die Sache anders überlegen.“

Frauke Gützkow, im GEW-Vorstand verantwortlich für Frauenpolitik, betont, dass an Grundschulen zu 90 Prozent Frauen beschäftigt sind, deren Bezahlung nach A12/E11 mithin ein Fall „mittelbarer“ Diskriminierung sei. Und hebt hervor, wie wichtig es sei, alle betroffenen Gruppen im Blick zu behalten, an Grundschulen wie in der Sekundarstufe I, Nachwuchs- und Bestandslehrkräfte: „Wir lassen uns da nicht auseinanderdividieren.“