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D6 - Kein Reförmchen, sondern eine Reform der Ausbildungsförderung

Studierende und Schüler*innen brauchen eine echte Strukturreform der Ausbildungsförderung.

Die GEW begrüßt, dass die Ampelkoalition mit ihren Gesetzentwürfen für eine 27. und 28. BAföG-Novelle die überfällige Weiterentwicklung des BAföG in Angriff nimmt. Die Regierungsentwürfe sehen eine Reihe an Verbesserungen vor, die von SPD, Grünen und FDP in Aussicht gestellte grundlegende Reform lässt allerdings auf sich warten. Die Studierenden und Schüler*innen dürfen aber nicht mit einem Reförmchen vertröstet werden, sie brauchen eine echte Strukturreform der Ausbildungsförderung.

Die geplante Anhebung der BAföG-Bedarfssätze um fünf Prozent zum Herbst 2022 ist unzureichend. Bedenkt man, dass das Statistische Bundesamt die Inflationsrate für Mai 2022 auf 7,9 Prozent beziffert hat, bleibt eine Erhöhung der Sätze um nur fünf Prozent zum Herbst weit hinter dem Bedarf zurück. Die GEW fordert eine BAföG-Erhöhung auf mindestens 1.200 Euro und künftig jährliche Anpassungen an die Steigerungen der Lebenshaltungskosten sowie eine Überarbeitung der Berechnungsgrundlage.

Auch die geplante Erhöhung der Wohnpauschale von 325 auf 360 Euro für Studierende mit eigenem Haushalt reicht nicht aus, um an der überwiegenden Mehrzahl der Hochschulstandorte eine Unterkunft zu finanzieren. Um den regional unterschiedlichen Wohnkosten für Neumietverträge angemessen Rechnung zu tragen, fordert die GEW eine Ankoppelung des Wohngeldzuschusses an die Wohngeldtabelle gemäß Wohngeldgesetz.

Die geplante Erhöhung der Elterneinkommensfreibeträge um 20 Prozent begrüßt die GEW als Schritt in die richtige Richtung, befürchtet aber, dass sie den Anteil der BAföG-geförderten Studierenden, der derzeit mit rund elf Prozent ein Allzeittief erreicht hat, nur geringfügig steigern könnte – nach Angaben der Bundesregierung um nicht einmal zwei Prozentpunkte. Die GEW spricht sich daher in einem ersten Schritt für eine Erhöhung der Freibeträge um 50 Prozent aus. Darüber hinaus fordert die GEW, dass jährlich eine Anpassung der Einkommensfreibeträge an die Einkommensentwicklung – auf Grundlage einer unabhängigen Ermittlung der Einkommensentwicklung sowie von Prognosen zu den Auswirkungen der Erhöhung der Freibeträge auf die Förderquote erfolgt.

Die GEW begrüßt den im Entwurf einer 28. Novelle vorgesehenen „Notfallmechanismus“, der die Bundesregierung ermächtigen soll, im Fall einer durch Beschluss des Bundestages festgestellten bundesweiten Notlage für ausbildungsbegleitende Erwerbstätigkeiten den Kreis der Förderungsberechtigten vorübergehend auszuweiten. Die GEW hält allerdings den der Bundesregierung eingeräumten Gestaltungsspielraum für zu weit gefasst, insbesondere, insoweit diese vom Grundsatz der Bedarfsdeckung der Ausbildungsförderung abweichen oder auch ganz auf eine Inkraftsetzung des Notfallmechanismus verzichten kann. Die GEW fordert daher den Einbezug der hochschulpolitischen Sozialpartner (DSW, fzs, HRK, GEW, DAAD) bei der Festlegung von Art und Umfang dieses Notfallmechanismus.

Die GEW kritisiert, dass die vorliegenden Regierungsentwürfe für eine 27. und 28. BAföG-Novelle entgegen der Ankündigungen von SPD, Grünen und FDP im Koalitionsvertrag keine Maßnahmen zur Reduzierung des Darlehensanteils des Studierenden-BAföG mit dem Ziel einer Rückkehr zum Vollzuschuss vorsehen. Auch die in Aussicht gestellte Verlängerung der Förderungshöchstdauer fehlt, obwohl sich die Koalitionsparteien darauf verständigt haben.

Weiter kritisiert die GEW scharf, dass weder im Koalitionsvertrag noch in den vorliegenden Regierungsentwürfen Maßnahmen zur Ausweitung der Förderung von Schüler*innen enthalten sind. Die GEW pocht auf Wiedereinführung einer Regelförderung von Schüler*innen an weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt. Fachschulausbildungen mit vorheriger Ausbildung z. B. zur*zum Erzieher*in oder Heilerziehungspfleger*in, müssen im BAföG als Einheit gewertet werden, damit im Anschluss die Förderung einer weiterführenden Ausbildung nach dem BAföG möglich wird.

Die GEW tritt für eine herkunftsunabhängige Ausgestaltung des BAföG ein und fordert, dass das Studium an deutschen Hochschulen für alle Studierenden unabhängig von ihrer Herkunft förderfähig wird, auch für Geflüchtete unabhängig von ihrem Status.

Die GEW erinnert SPD, Grüne und FDP schließlich an ihr im Koalitionsvertrag gemachtes Versprechen, das BAföG „elternunabhängiger“ zu machen, und verweist auf den Beschluss des GEW-Hauptvorstands vom Juni 2021 aus Anlass des 50. Geburtstags des BAföG „Talfahrt stoppen – Gerechtigkeitslücken schließen –Strukturreform anpacken“. In diesem Sinne fordert die GEW die Ampelkoalition auf, so bald als möglich, auf jeden Fall aber noch in dieser Wahlperiode die überfällige strukturelle Reform der Ausbildungsförderung anzupacken. Ziel der Strukturreform muss die Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung zu einem elternunabhängigen staatlichen Studienhonorar für alle sein.