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Unterstützung in der Coronapandemie

Wissenschaftsorganisationen machen sich für Hochschule und Forschung stark

Der Wissenschaftsrat will „die Resilienz des Wissenschaftssystems steigern“, die Hochschulrektorenkonferenz fordert „entlastende Regelungen“. Die GEW begrüßt die Positionspapiere, behält aber auch einen kritischen Blick.

Foto: Pixabay / CC0

In der Coronakrise haben Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) jeweils ein Positionspapier vorgelegt. „Gut, dass sich die Wissenschaftsorganisationen endlich für die Unterstützung von Hochschule und Forschung stark machen“, meint die GEW.

In seinem 73 Seiten starken Positionspapier „Impulse aus der COVID-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland“ identifiziert der Wissenschaftsrat zunächst Herausforderungen und Handlungsbedarf, die sich aus der Coronakrise ergeben: etwa in der Gesundheitsforschung oder im digitalen Raum, aber auch, was die Krisenreaktionsfähigkeit, die Internationalisierung oder die Wissenschaftskommunikation angeht.

Wissenschaftssystem resilient machen

Auf dieser Grundlage regt das offizielle Bund-Länder-Beratungsgremium eine Debatte über „Resilienz im Wissenschaftssystem“ an. Seine zukünftige Entwicklung solle sich nicht allein „an der Förderung von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit orientieren“, sondern ebenso an der „Fähigkeit, Krisen zu antizipieren und zu bewältigen sowie verändert und gestärkt aus ihnen hervorzugehen“. „Bei aller Leiderfahrung lassen Sie uns die Krise auch als Chance begreifen“, sagte die wiedergewählte Vorsitzende des Wissenschaftsrats, die Karlsruher Informatikprofessorin Dorothea Wagner.

„Wir müssen Studierende, Lehrende, Forscherinnen und Forscher aktiv unterstützen.“ (Andreas Keller)

Der stellvertretende Vorsitzende der GEW, Andreas Keller, begrüßte die Initiative aus Köln. „Der Wissenschaftsrat spricht von ‚Resilienz des Wissenschaftssystem‘, wir haben im Oktober ein Positionspapier ‚Lehre und Studium krisenfest machen‘ vorgelegt. Wir brauchen eine zukunftsfähige Forschung und gut qualifizierte Fachkräfte auch, um aktuellen und künftigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Krisen zu begegnen. Das bedeutet aber umgekehrt: Wir müssen Studierende, Lehrende, Forscherinnen und Forscher aktiv unterstützen, ihnen Nachteilsausgleiche für die Folgen der Pandemie gewähren und die digitale Infrastruktur und die Qualität von Lehre und Studium an den Hochschulen stärken. Diese wissenschaftspolitische Dimension vermisse ich im Positionspapier des Rats“, führte der GEW-Hochschulexperte aus.

Er mahnte einen kritischen Umgang mit dem aus der Psychologie stammenden Resilienzbegriff an. „Falsch ist, den auf dem Wissenschaftssystem lastenden Druck an Studierende und Beschäftigte weiterzugeben, die sich gefälligst widerstandsfähig zu machen hätten. Richtig ist aber, Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Institutionen resilient zu machen – nicht zuletzt durch Sicherheit und gute Studien- und Arbeitsbedingungen.“

Corona als Gefahr für Wissenschaftskarrieren

Stärker in die von der GEW eingeschlagene Richtung geht das Positionspapier „COVID-19-Krise: Auswirkungen auf Forschung an den Hochschulen“, das der Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) verabschiedet hat. Der HRK-Senat stellt fest, dass die pandemiebedingten Einschränkungen von Forschung und Lehre im aktuellen Wintersemester andauern und das kommende Sommersemester zu erfassen drohten. Die Pandemie stelle eine Gefahr für Wissenschaftskarrieren dar und bedrohe das gesamte Wissenschaftssystem.

Daraus leitet die HRK eine Reihe hochschulpolitischer Forderungen an Bund und Länder, aber auch an Forschungsfördereinrichtungen sowie die eigenen Mitgliedshochschulen ab. Letztere werden aufgefordert, neben einer strikten Umsetzung von Hygienekonzepten pandemiebedingte Beeinträchtigungen bei Personalentscheidungen „angemessen zu berücksichtigen“. „Insbesondere die Übernahme zusätzlicher Sorgeaufgaben während der Pandemie muss in eine faire Leistungsbewertung eingehen“, heiß es in dem Papier. Bund und Länder sowie Forschungsförderer sollten krisenbedingte Einnahmeausfälle kompensieren und Mehrbedarfe gegenfinanzieren.

GEW fordert Verlängerung von Zeitverträgen

GEW-Vize Keller begrüßte, dass die HRK endlich Handlungsbedarfe für Bund, Länder und Hochschulen beschreibt. „Allerdings bleiben die Forderungen der Rektorinnen und Rektoren viel zu vage und unbestimmt und damit weit hinter den Herausforderungen zurück“, kritisierte er. Vielen Forschungsprojekten und Qualifizierungsvorhaben drohe der Abbruch, weil die Hochschulen nicht von der im Mai 2020 ins Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) aufgenommenen Option Gebrauch machten, befristete Arbeitsverträge unbürokratisch zu verlängern, um pandemiebedingte Verzögerungen zu kompensieren.

„Was wir jetzt gebraucht hätte, wäre ein deutlicher Appell der HRK-Spitze an die HRK-Mitgliedshochschulen, Zeitverträge pauschal um ein Jahr zu verlängern. Die berechtigte Forderung an Bund und Länder, kostenneutrale Verlängerungsoptionen mit einer besseren Hochschulfinanzierung zu untermauern, wäre dann deutlich überzeugender“, mahnte Keller.

Die GEW-Kolleginnen und -Kollegen in den Hochschulpersonalräten seien bereit, mit den Hochschulleitungen sachgerechte Regelungen zur Umsetzung der pandemiebedingten Verlängerungsoptionen im WissZeitVG auszuhandeln. Die GEW habe sogar eine Formulierungshilfe für die Ausarbeitung einer entsprechenden Dienstvereinbarung ausgearbeitet.

Er bot der HRK gleichwohl die Zusammenarbeit mit der GEW an, um eine bessere Unterstützung durch Bund und Länder durchzusetzen. Erst letzte Woche hatte die Bildungsgewerkschaft Bund und Länder aufgefordert, die Coronahilfen für die Hochschulen zu verlängern und zu erweitern. Diese müssten die Weichen für eine Verlängerung von Zeitverträgen, Forschungsprojekten, Stipendien, BAföG und Regelstudienzeiten stellen, so die GEW.