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Coronapandemie

„Die Länder, die jetzt ihre Schulen öffnen, gehen ein hohes Risiko ein“

Angesichts steigender Infektionszahlen wächst die Angst vor einer dritten Corona-Welle. Die GEW kritisiert das mangelnde Verantwortungsbewusstsein der Länder.

Viele Schülerinnen und Schüler kehren wieder in den Präsenzunterricht zurück. (Foto: GEW)

Die Kurve der Corona-Neuinfektionen zeigt erstmals seit Wochen wieder nach oben - trotz des seit Mitte Dezember geltenden strengen Lockdowns. Dessen ungeachtet kehren an diesem Montag in zehn weiteren Bundesländern viele Kinder in Kitas und Grundschulen zurück. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält dies für einen riskanten Schritt und warnt vor Gesundheitsgefahren.

GEW mahnt zu Verantwortungsbewusstsein

„Die Länder, die jetzt ihre Schulen öffnen, gehen ein hohes Risiko ein – für die Gesundheit der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern“, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Ein Wechselspiel aus Öffnung und Schließung der Schulen sichert nicht das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung.“ (Marlis Tepe)

Alles deute darauf hin, dass die dritte Welle – verursacht durch die Corona-Mutanten – anrolle. „Vor diesem Hintergrund hätten wir uns von den Ländern mehr Verantwortungsbewusstsein gewünscht. Niemandem ist damit geholfen, wenn die Schulen bei steigenden Infektionszahlen wieder geschlossen werden müssen. Ein Wechselspiel aus Öffnung und Schließung der Schulen sichert nicht das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung.“

Da die Auswirkungen der Virus-Mutanten noch nicht seriös einzuschätzen seien, sei es richtig gewesen, dass sich Bund und Länder für Lockerungen des Lockdowns auf den Inzidenzwert von 35 verständigt haben: „Vorsicht ist besser als Nachsicht. Dies muss auch für die Öffnung der Schulen gelten“, mahnte Tepe.

GEW fordert einheitlichen Stufenplan

Die GEW macht sich weiter für eine klare Strategie und einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen Stufenplan stark. Dieser müsse vorgeben, bei welchen Inzidenzwerten und weiteren regionalen Faktoren welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Auf dieser Grundlage hätten die Länder dann mit Blick auf das Infektionsgeschehen vor Ort die Möglichkeit, flexibel zu agieren. Die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) seien hierfür nach wie vor eine gute Basis.

„Wenn Schulen geöffnet werden, muss der Einstieg mit Wechselunterricht gestaltet werden. Mit diesem Modell können die Schulen auf unterschiedliche Herausforderungen entsprechend der personellen und räumlichen Situation vor Ort Lösungen entwickeln“, sagte die GEW-Vorsitzende. Entscheidend sei, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den Klassen halbiert werde und feste Gruppen gebildet werden. Zudem müsse der Schülertransport entzerrt werden. Wechselunterricht sei das beste Instrument, Gesundheitsschutz und das Recht auf Bildung unter einen Hut zu bringen.

Die Richtschnur für die Maßnahmen in der Schule sollen nach Ansicht der GEW die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sein. Dafür schlägt die GEW ein Fünf-Punkte-Programm vor:

5-Punkte-Programm zum Gesundheitsschutz an Schulen
Ab der 5. Klasse muss das gesellschaftliche Abstandsgebot von 1,5 Metern gelten. Dafür müssen Klassen geteilt und zusätzliche Räume beispielsweise in Jugendherbergen gemietet werden.
Um die Schulräume regelmäßig zu lüften, gilt das Lüftungskonzept des Umweltbundesamtes. Können die Vorgaben nicht umgesetzt werden, müssen sofort entsprechende Filteranlagen eingebaut werden.
Die Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler muss endlich beschleunigt werden. Flächendeckend müssen eine datenschutzkonforme digitale Infrastruktur geschaffen und IT-Systemadministratoren eingestellt werden. Zudem müssen die Länder Sofortmaßnahmen zur digitalen Fortbildung der Lehrkräfte anbieten.
Für die Arbeitsplätze in den Schulen müssen Gefährdungsanalysen erstellt werden, um Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler besser zu schützen.
Transparenz schaffen: Kultusministerien und Kultusministerkonferenz müssen zügig ihre Planungen umsetzen, wöchentlich Statistiken auf Bundes-, Landes- und Schulebene über die Zahl der infizierten sowie der in Quarantäne geschickten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu veröffentlichen. „Wir brauchen eine realistische Datenbasis, um vor Ort über konkrete Maßnahme zu entscheiden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. 

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Impfstrategie für Lehrkräfte verbessern

Die GEW forderte erneut: „Wer Schulen öffnet, muss dafür die Voraussetzungen schaffen. Neben Hygienemaßnahmen und AHA-Regeln plus Lüften gehört dazu in erster Linie, eine alltagstaugliche Teststrategie zu entwickeln und die Impfstrategie für Lehrkräfte zu verbessern.“

Die GEW begrüßt deshalb ganz ausdrücklich, dass auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geprüft werden solle, Lehrkräfte an Grundschulen früher zu impfen und in die zweite Prioritätsstufe für die Impfungen vorzuziehen. „Diese Lehrkräfte, aber insbesondere auch Lehrerinnen und Lehrer an Förder- und Sonderschulen haben kaum Möglichkeiten, Abstände einzuhalten und sich in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen zu schützen“, sagte Tepe.

Gesundheitsminister Jens Spahn Spahn (CDU) hatte am Samstag angekündigt, man wolle die Beschäftigten an Kitas und Grundschulen zügig in die nächsthöhere Impfgruppe nehmen und ihnen früher ein Impfangebot machen, weil in den Einrichtungen Abstand nicht möglich sei. Dafür sprach sich auch Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) aus: „Beide Berufsgruppen nehmen Aufgaben wahr, die für unsere ganze Gesellschaft von ganz großer Bedeutung sind, was sich auch in der Impfpriorisierung zeigen sollte.“