Studie der Bildungsinternationale
Corona-Pandemie treibt Privatisierung der Bildung voran
Kommunikationsplattformen haben während der Schulschließungen weltweit die Klassenzimmer ersetzt. Eine Studie der Bildungsinternationale warnt vor dem Einfluss kommerzieller Technologie-Anbieter auf Bildungsinhalte.
Die Corona-Pandemie hat kommerziellen Anbietern von Bildungs- und Kommunikationstechnologie weltweit ein Tor zur öffentlichen Bildung geöffnet: Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Bildungsinternationale (Education International - EI), die von den beiden Autoren am 10. Juli live im Internet vorgestellt wurde.
„Wir akzeptieren die kostenlosen Angebote des Privatsektors oft zu unkritisch.“ (Anna Hogan)
Nach Schließen der Schulen hätten Regierungen erhebliche Summen investiert, um Schulen und Lernenden Online-Unterricht zu ermöglichen. Dabei seien sie Partnerschaften mit großen Unternehmen wie Google und Microsoft eingegangen. Während sie das als kurzfristige Hilfe anerkannten, warnte die Forscherin Anna Hogan doch vor Abhängigkeit vom kommerziellen Sektor: „Wir akzeptieren die kostenlosen Angebote des Privatsektors oft zu unkritisch“, sagte die Bildungsdozentin von der University of Queensland. „Auf der Suche nach neuen Kunden nutzen große internationale Technologiekonzerne die Krise, um Plattformen in den schulischen Raum hinein zu tragen“, erklärte ihr Kollege Ben Williamson vom Forschungszentrum digitale Bildung der Universität von Edinburgh bei der Veranstaltung.
Vorrang für technologische Lösungen
Internationale Institutionen wie die Weltbank, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die UNESCO haben nach den Beobachtungen von Hogan und Williamson die kommerziellen Anbieter von Bildungstechnologie in der Krise unterstützt. Dabei seien neue Netzwerke und Koalitionen entstanden, die die Nutzung technologischer Lösungen durch Eltern, Schulen und Lehrer förderten. Sie illustrierten die „wachsende Rolle des privaten Sektors bei der Regulierung und Gestaltung von Bildung“, heißt in der Studie, im Juli erschienen unter dem Titel „Commercialisation and privatisation in/of education in the context of Covid-19“.
Finanzielle und politische Unterstützung für technologische Lösungen während der Schulschließungen seien auch von „reichen Menschenfreunden“ aus der Gates-Stiftung und der Chan-Zuckerberg-Initiative gekommen. Dabei seien diese zu Experten für das Neu-Denken von Bildung in der Zukunft geworden, die auch Einfluss auf politische Entscheidungen nähmen. Soziale Plattformen hätten Inhalte für Schülerinnen und Schüler entwickelt, die zu Hause lernen, und dabei „Bildung zu einem Instrument für die kommerzielle Werbeindustrie gemacht“.
Demokratische Kontrolle von Bildung
Trotz dieser Gefahren erkennt das Forschungsteam an, dass ohne private Investitionen möglicherweise „viele Millionen Studierende weltweit während der Pandemie den Zugang zu Bildung verloren hätten“, wie es in den Schlussfolgerungen heißt. Noch sei nicht klar, ob der technologische Sprung die Bildung langfristig umgestalten werde – oder ob sich Schulen nach der Wiederöffnung für die bewährten Lehrmethoden und den Vorrang körperlicher Präsenz entscheiden werden. Eine Spannung zwischen dem Zweck von Bildung und den Inhalten von Wissen und Fertigkeiten gebe es aber jetzt schon. Die entscheidende Frage bei der Rolle privater Akteure sei die nach der demokratischen Kontrolle öffentlicher Bildung.
Gewerkschaft als „Stimme der Vernunft“
Bildungsgewerkschaften, so empfehlen die Autoren am Ende der Studie, sollten selbst mit Forschungsinstitutionen zu diesen Fragen zusammenarbeiten. Sie sollten sich als „kritische Stimme der Vernunft“ in die Koalitionen öffentlicher und privater Bildungseinrichtungen einbringen und private Firmen zur Verantwortung ziehen, sagte Ben Williamson am Ende der Präsentation. Als Beispiel dafür nennt die Studie die Beteiligung von EI an der Global Education Coalition der UNESCO. Ziel sei eine gemeinsame Vorstellung davon, welche Art privater Initiativen in der öffentlichen Bildung wünschenswert sei und welche Regelungen man dafür brauche.
Das Recht auf Bildung für alle müssen Regierungen gewährleisten, betonte EI-Präsidentin Susan Hopgood in ihrem Beitrag zum Onlineseminar. Dass die Digitalisierung die Privatisierung der Bildung vorantreibe, habe die EI bereits bei ihrem Kongress 2019 festgestellt und eine Kampagne dagegen auf den Weg gebracht. Mit der Coronakrise stehe die öffentliche Bildung auf dem Spiel.