Debatte um WissZeitVG
Corona-Krise facht Debatte um Wissenschaftszeitvertragsgesetz weiter an
Die Corona-Krise hat die Debatte um eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) weiter angefacht, die die GEW mit der Präsentation der ersten Evaluation Gesetzesnovelle von 2016 ausgelöst hatte.
Jetzt hat die Berichterstatterin für das WissZeitVG in der SPD-Bundestagsfraktion, die Abgeordnete Wiebke Esdar, eine Änderung des Gesetzes vorgeschlagen.
In einer Pressemitteilung vom Dienstag sagte Esdar: „Wir müssen die Höchstdauer bei Qualifizierungsbefristungen beschränkt auf den Zeitraum der Pandemie verlängern, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht an ihre Höchstbefristungsgrenzen stoßen. Dazu muss das Bundesministerium für Bildung und Forschung jetzt rasch einen Umsetzungsvorschlag machen.“ Eine Erweiterung der Höchstbefristungsdauer für Qualifizierungsbefristungen von derzeit sechs Jahren vor der Promotion und sechs (in der Medizin neun) weiteren Jahren nach der Promotion setzt eine Änderung des Gesetzes voraus.
Eine derartige Gesetzesänderung hatte zuvor der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, ins Spiel gebracht. Zuletzt bekräftigte er in einer Pressemitteilung am Montag die Forderung der Bildungsgewerkschaft, „dass befristete Beschäftigungsverhältnisse, Stipendien und Forschungsprojekte um ein Semester verlängert werden und diese Zeit nicht auf die gesetzliche Höchstbefristungsdauer angerechnet wird.“
Zuvor hatte die GEW durch die Veröffentlichung der ersten Evaluation der WissZeitVG-Novelle von 2016 für Bewegung in der Debatte um das Gesetz gesorgt. Die im Rahmen des 10. Follow-up-Kongresses zum Templiner Manifest am 11. März vorgestellte Evaluation der Saarbrücker Sozialwissenschaftlerin Freya Gassmann zeigt auf, dass die Gesetzesnovelle keinen Einfluss auf den hohen Befristungsanteil beim wissenschaftlichen Personal hat und nur zu einer mäßigen Verlängerung der Laufzeiten der befristeten Beschäftigungsverhältnisse geführt hat.
In der Podiumsdiskussion über die Evaluationsergebnisse hatten sich die Vertreterin und Vertreter der Oppositionsfraktionen Thomas Sattelberger (FDP), Nicole Gohlke (Die Linke) und Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) für eine Gesetzesänderung stark gemacht. Die Fraktionen von FDP und Linken hatten zuvor mit parlamentarischen Initiativen für eine Plenardebatte des Bundestags über eine erneute WissZeitVG-Novelle gesorgt. Der Koalitionsvertreter Ernst-Dieter Rossmann (SPD) machte hingegen deutlich, dass die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD keine weitere Novelle vorsehe. „Es wird keine Gesetzesänderung vor der Bundestagswahl geben.“
Die Äußerungen der SPD-Abgeordneten Esdar zeigen nun, dass in Folge der Coronakrise ein Umdenken im Regierungslager einsetzt. „Mit diesen Maßnahmen will die SPD-Bundestagsfraktion einen Ausgleich für die Zeit schaffen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wegen der Corona-Pandemie verloren geht. Andernfalls würde eine externe Krise dazu führen, dass viele Forscherinnen und Forscher ihre Arbeit nicht zu Ende führen können; der Wissenschaft gingen außerdem viele fähige und engagierte Arbeitskräfte verloren“, führte die Hochschulpolitikerin aus.
GEW-Vize Andreas Keller begrüßte das Umdenken bei der SPD. „Ein formales Pochen auf einem vor zweieinhalb Jahren ausgehandelten Koalitionsvertrag kann heute kein Argument gegen eine Änderung des Gesetzes mehr sein. 2017 ahnte niemand etwas von der Coronakrise. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) darf jetzt keine weitere Zeit verstreichen lassen und muss einen Entwurf für eine zweite WissZeitVG-Novelle auf den Weg bringen“, sagte er.