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Neue KMK-Beschlüsse zu Corona

"Nichts gewesen außer ‚wollen‘ und ‚sollen‘"

Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) sind der GEW zu unverbindlich. Das sei "ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit" der Lehrkräfte, Schülerschaft sowie der Eltern.

Dritte Welle: Das Coronavirus breitet sich weiter rasant aus. (Foto: Pixabay, CC0)

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist über die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) von gestern Abend schwer enttäuscht. „Nichts gewesen außer ‚wollen‘ und ‚sollen‘: Verantwortung wahrzunehmen, Verbindlichkeit zu schaffen und eine verlässliche Strategie, die den Gesundheitsschutz von Lehrenden und Lernenden mit dem Recht der Schülerinnen und Schüler auf Bildung miteinander verbindet, sehen anders aus“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Freitag.

„Das ist ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern.“ (Marlis Tepe)

„Die KMK will Präsenzunterricht – klar, das wollen wir alle. Sie hat sich aber zum wiederholten Mal nicht auf gemeinsame Regelungen verständigt, wann und unter welchen Voraussetzungen die Corona-Pandemie Einschränkungen unerlässlich macht“, erklärte Tepe weiter.

Dass Schulen wie in Sachsen selbst bei einem Inzidenzwert von über 200 geöffnet blieben, sei unverantwortlich. „Das ist ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern“, kritisierte die GEW-Chefin.

Die GEW macht sich weiter dafür stark, dass bei Inzidenzen von über 50 Wechselunterricht angeboten und über 100 auf Fernunterricht umgestellt werden muss.

Die Richtschnur für die Maßnahmen in der Schule sollen nach Ansicht der GEW die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sein. Dafür schlägt die GEW ein Fünf-Punkte-Programm vor:

5-Punkte-Programm zum Gesundheitsschutz an Schulen
Ab der 5. Klasse muss das gesellschaftliche Abstandsgebot von 1,5 Metern gelten. Dafür müssen Klassen geteilt und zusätzliche Räume beispielsweise in Jugendherbergen gemietet werden.
Um die Schulräume regelmäßig zu lüften, gilt das Lüftungskonzept des Umweltbundesamtes. Können die Vorgaben nicht umgesetzt werden, müssen sofort entsprechende Filteranlagen eingebaut werden.
Die Anschaffung digitaler Endgeräte für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler muss endlich beschleunigt werden. Flächendeckend müssen eine datenschutzkonforme digitale Infrastruktur geschaffen und IT-Systemadministratoren eingestellt werden. Zudem müssen die Länder Sofortmaßnahmen zur digitalen Fortbildung der Lehrkräfte anbieten.
Für die Arbeitsplätze in den Schulen müssen Gefährdungsanalysen erstellt werden, um Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler besser zu schützen.
Transparenz schaffen: Kultusministerien und Kultusministerkonferenz müssen zügig ihre Planungen umsetzen, wöchentlich Statistiken auf Bundes-, Landes- und Schulebene über die Zahl der infizierten sowie der in Quarantäne geschickten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler zu veröffentlichen. „Wir brauchen eine realistische Datenbasis, um vor Ort über konkrete Maßnahme zu entscheiden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. 

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Testen ja, aber wie?

Die GEW lobte den Ansatz der KMK, künftig an Schulen mehr zu testen. Sie kritisierte jedoch, dass es kein Wort über das ‚Wie‘ gebe: „Die KMK hat sich weder auf ein einheitliches Vorgehen und noch auf verbindliche Regelungen verständigt. Dabei hätte es gerade hier viel Vereinbarungsbedarf gegeben“, sagte Tepe.

Wichtige Fragen sind:

  • Wie soll die Teststrategie flächendeckend ausgerollt werden?
  • Finden die Selbsttests zu Hause, vor oder in der Schule statt?
  • Gibt es eine Testpflicht?
  • Gilt ein Schulverbot für Schüler und Lehrkräfte, die nicht getestet sind?
  • Wer testet?
  • Wer bestellt, wer zahlt die Tests?

All diese Fragen seien offen, alles bleibe vage. So werde die Akzeptanz der Maßnahmen vor Ort noch weiter sinken.

„Schulen und Kitas brauchen endlich eine Teststrategie, die im Lernalltag umzusetzen ist.“ (Marlis Tepe)

„Schulen und Kitas brauchen endlich eine Teststrategie, die im Lernalltag umzusetzen ist,“, sagte die GEW-Vorsitzende. Zwei Tests wöchentlich für alle an Schule Beteiligten bedeute, dass rund 24 Millionen Tests pro Woche bereitgestellt und durchgeführt werden müssten. Das sei eine große logistische Herausforderung. Die GEW werbe dafür, sich freiwillig selbst zu testen.

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Das Impftempo schnell erhöhen

Grundsätzlich wertete Tepe positiv, dass die KMK sich nun dafür einsetzen wolle, allen Beschäftigten an Schulen, die unmittelbar Kontakt mit Schülerinnen und Schülern haben, so früh wie möglich einen Impftermin anzubieten.

Dafür müssten auch die Lehrkräfte an weiterführenden Schulen in die Impfgruppe mit der zweiten Priorität aufgenommen werden. „Das ist dringend nötig. Bisher sind die allermeisten Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher noch nicht geimpft. Das Impftempo muss schnell deutlich erhöht werden“, sagte Tepe.

Jüngste Erhebungen der Krankenkassen zeigten, dass Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher zu den Berufsgruppen mit den meisten Corona-Erkrankungen gehören. Zudem steige die Inzidenz bei Kindern und insbesondere Jugendlichen, so dass immer mehr Schulen, Kitas und Klassenverbände in Quarantäne gehen oder schließen müssen.