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CDU/CSU-Eckpunkte für WissZeitVG-Novelle und Bund-Länder-Pakt

Nach der SPD-Bundestagsfraktion, die im Frühjahr 2015 Positionspapiere zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bzw. für einen Bund-Länder Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau vorgelegt hatte, hat gestern die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag „Grundsätze für gemeinsames Bund-Länder-Programm und Eckpunkte für flankierende Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ präsentiert.

Bild: I-vista / pixelio.de

In ihrem Positionspapier mit der Überschrift „Mit dem Tenure-Track-Programm Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs substanziell verbessern“ setzt sich die Unionsfraktion für ein neues „Bund-Länder-Programm zur Förderung von Tenure-Track-Professuren ein“. Zuvor hatten sich auf ihrer Göttinger Koalitionsklausur im April 2015 Union und SPD bereits auf eine Bund-Länder-„Personaloffensive“ verständigt, für ab 2017 zehn Jahre lang insgesamt eine Milliarde Euro eingesetzt werden soll. Anders als die SPD, die in ihrem Papier drei Komponenten eines Bund-Länder-Pakts – Schaffung zusätzlicher Juniorprofessuren mit Tenure Track-Option, Förderung neuer Karrierewege für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Wettbewerb zu Personalentwicklungskonzepten für besonders engagierte Hochschulen – vorgesehen hatte, betont die Union nun, dass der von der Koalition für eine „Personaloffensive“ in Aussicht gestellte Betrag von einer Milliarde Euro ausschließlich dem Tenure-Track-Professuren-Programm vollständig zugute kommen müsse. Das Programm solle aber auch dazu genutzt werden, „Anreize für die Etablierung und wirksame Umsetzung vorbildlicher Konzepte der Personalplanung und -entwicklung zu setzen“. Wer auf eine Tenure-Track-Professur kommt, soll nach den Vorstellungen der Unionsfraktion nach „Bewährung – in der Regel nach sechs Jahren und auf der Grundlage einer Leistungsprinzipien folgenden Evaluation“ eine dauerhafte Professur bekommen, die dann allein von den Ländern finanziert werden soll. Die Entscheidung über die Übernahme in eine Dauer-Professur soll spätestens ein Jahr vor dem Ende des Tenure Track fallen.

Mit dem Vorschlag für ein Tenure-Track-Programm greift die CDU/CSU-Fraktion Impulse entsprechender Vorschläge der GEW auf. In ihrem an die neue Bundesregierung gerichteten Köpenicker Appell von 2013  hatte die Bildungsgewerkschaft u. a. ein „Förderprogramm für verlässliche Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ vorgeschlagen, mit dem zusätzliche Juniorprofessuren oder anderer Postdoc-Stellen gefördert werden, wenn diese mit einem Tenure Track ausgestattet sind und von der jeweiligen Einrichtung auf Dauer weiter finanziert werden. Wichtig im GEW-Konzept ist, dass mindestens 50 Prozent der geförderten Stellen von Frauen besetzt werden müssen; außerdem muss der Tenure Track in der Postdoc-Phase, also nicht etwa nach einer bereits absolvierten Postdoc-Phase, wie es die „Empfehlungen zu Karriezielen und -wegen an Universitäten“ des Wissenschaftsrats von 2014 nahelegt, ansetzen. In welche Richtung diesbezüglich das CDU/CSU-Modell geht, ist offen.

Hinsichtlich der von der Großen Koalition avisierten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat die CDU/CSU-Fraktion überraschend gegen die Einwände der Allianz der Wissenschaftseinrichtungen Position bezogen. Eine Qualifizierungsbefristung soll nur noch zulässig sein, „wenn eine Qualifizierung ausdrücklich als Teil des Arbeitsverhältnisses vereinbart ist“, heißt es im Papier der Unionsfraktion. Weiter soll die Anwendbarkeit der Regelungen des Gesetzes auf nicht-wissenschaftliches Personal entfallen. Gegen beide Vorhaben der Koalition hatte sich vor kurzem in einem Brief an Bundesbildungs- und -forschungsministerin Johanna Wanka die Allianz der Wissenschaftsorganisationen gewandt, der u. a. die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Wissenschaftsrat und die vier großen Organisationen der außerhochschulischen Forschungseinrichtungen (Fraunhofer, Helmholtz, Leibniz, Max Planck) angehören.

Weiter spricht sich die Unionsfraktion in ihrem Papier für Mindestlaufzeiten bei Zeitverträgen aus: „Bei der Qualifizierungsbefristung soll sich deshalb künftig die Befristungsdauer an dem für die Qualifizierung erforderlichen Zeitbedarf orientieren und bei der Befristung wegen Drittmittelfinanzierung an der Dauer der Mittelbewilligung“, ist in den CDU/CSU-Eckpunkten zu lesen. Eine Untergrenze für die Laufzeit von Arbeitsverträgen mit Doktorandinnen und Doktoranden wird nicht genannt, dafür aber betont, dass kürzere Verträge möglich bleiben sollen, „wenn es dafür gute Gründe gibt“. Die SPD-Fraktion hatte in ihrem Eckpunktepapier eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren gefordert – „es sei denn, Sachgründe sprechen dagegen“. Anders als das Papier der SPD-Fraktion sieht das Papier der Unionsfraktion keine Streichung der Tarifsperre im Gesetz vor, die derzeit Arbeitgebern und Gewerkschaften untersagt, vom Gesetz abweichende Regelungen tarifvertraglich zu regeln.

Mit den Mindestlaufzeiten von Zeitverträgen und der Bindung der sachgrundlosen Befristung an die Qualifizierung greift die CDU/CSU-Fraktion wichtige Impulse des GEW-Vorschlags für die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf, der im Januar 2015 vorgestellt worden war. Neben der Aufhebung der Tarifsperre fehlen aber weitere wichtige Vorschläge der GEW, etwa die Festlegung eines Zeitanteils, der innerhalb der Arbeitszeit für die eigenständige Qualifizierung vorbehalten sein muss, die gesetzliche Verpflichtung zu einem Tenure-Track-Modell bei Befristungen nach der Promotion, die verbindliche Ausgestaltung der familienpolitischen Komponente des Gesetzes sowie die Einführung einer behindertenpolitische Komponente.

Aus Sicht der GEW müssen beide Fraktionen noch nacharbeiten, damit mit der überfälligen Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes tatsächlich die Weichen für faire Beschäftigungsbedingungen und verlässliche Berufswege in der Wissenschaft gestellt werden. Dazu haben CDU/CSU und SPD noch bis zur Erarbeitung eines gemeinsamen Eckpunktepapiers Gelegenheit, das bis heute leider ebenso wenig wie ein Gesetzentwurf vorliegt. Der stellvertretende Vorsitzende und Wissenschaftsexperte der GEW Dr. Andreas Keller hat die gestrige Anhörung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung genutzt, um den Abgeordneten die Vorschläge der GEW für die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und weitere Maßnahmen für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen nahezubringen.

Karrierewege und Beschäftigungsbedingungen: Bund und Länder kritisieren Forschungseinrichtungen

Unterdessen haben Bund und Länder die außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufgefordert, ihren Beitrag für planbare Karrierewege und faire Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft zu leisten. Im 500 Seiten starken, jüngsten Monitoring-Bericht zum Pakt für Forschung und Innovation, den die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) vorgelegt hat, haben Bund und Länder eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sowie beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft angemahnt.

Die „aktuelle Befristungspraxis in der Wissenschaft (mit hohem Anteil an Befristungen und zum Teil sehr kurzen Laufzeiten)“ sei „teilweise dysfunktional“, die Karrierewege im deutschen Wissenschaftssystem führten im internationalen Vergleich „erst spät zu eigenverantwortlichen und unbefristeten Arbeitsverhältnissen“, heißt es im GWK-Bericht. Die Wissenschaftsorganisationen müssten daher „einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses leisten“.

Konkret erwarten Bund und Länder von den Forschungseinrichtungen, dass bei der Anwendung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes die Familienklauseln, die die Verlängerung von Zeitverträgen bei Kinderbetreuung ermöglichen, „zur Wirkung kommen“. Bei Qualifizierungsbefristungen habe sich die Befristungsdauer an dem für die Qualifizierung erforderlichen Zeitbedarf zu orientieren, bei Drittmittelbefristungen an der Dauer der Mittelbewilligung. Doktorandinnen und Doktoranden müssten sozialversicherungspflichtige Stellen sowie Betreuungsvereinbarungen angeboten werden. Diese Herausforderungen müssten „Gegenstand von systematischen Gesamtkonzepten zur Personalentwicklung“ werden, mahnen Bund und Länder in ihrem Bericht.

Weiter enthält der GWK-Monitoring-Bericht eine zum Teil scharfe Kritik an der unzureichenden Gleichstellungspolitik der Forschungseinrichtungen. So sehen Bund und Länder „mit Unverständnis“, dass die Fraunhofer-Gesellschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft 2014 ausschließlich Männer in Institutsleitungen berufen haben, was sogar zu einer Abnahme des Frauenanteils auf den Führungsebenen führte. Dabei gehört die signifikante Steigerung der Repräsentanz von Frauen in den Forschungseinrichtungen explizit zu den Zielen des Pakts für Forschung und Innovation. Derzeit liegt der Anteil von Frauen an den Professuren mit der höchsten Besoldungsgruppe W3 bzw. C4 in der Fraunhofer-Gemeinschaft bei 4,5 Prozent, in der Helmholtz-Gemeinschaft bei 14,5 Prozent, in der Max-Planck-Gesellschaft bei 11,0 Prozent und in der Leibniz-Gemeinschaft bei 14,2 Prozent. Zum Vergleich: An den Hochschulen liegt der entsprechende Frauenanteil bei 17,3 Prozent. Zu Recht kritisiert die Gleichstellungsexpertin und Leiterin des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung (Center of Excellence Women and Science – CEWS) in einem Gastbeitrag für die aktuelle Ausgabe der Deutschen Universitätszeitung (duz), dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit vielen Milliarden Euro „jämmerlich wenig“ erreicht hätten, was die Gleichstellung angeht.

Eine „aktive Vergabepolitik in der Forschungsförderung“ gehört zu den drei Kernforderungen, die die GEW 2013 im „Köpenicker Appell“ aufgestellt hat. Bund und Länder sollten die Finanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen an die Auflage binden, dass sich diese in einem Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zu berechenbaren Karrierewegen und stabilen Beschäftigungsbedingungen verpflichten, schlägt die Bildungsgewerkschaft vor. 2012 hat die GEW mit ihrem „Herrschinger Kodex“ einen konkreten Vorschlag für einen entsprechenden Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ gemacht. Der milliardenschwere Pakt für Forschung und Innovation wäre das geeignete Instrument, um die Forschungseinrichtungen zur Schaffung verlässlicher Karrierewege und fairer Beschäftigungsbedingungen anzuhalten – aber nur, wenn entsprechende Maßnahmen über bloße Empfehlungen hinaus verbindlich eingefordert und die Finanzierung der Einrichtungen davon abhängig gemacht werden. Mit dem Pakt für Forschung und Innovation fördern Bund und Länder seit 2005 die außerhochschulischen Forschungseinrichtungen sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). DFG und Forschungseinrichtungen werden mit rund zehn Milliarden Euro jährlich gefördert. Von 2011 bis 2015 wurde die Förderung Jahr für Jahr um fünf Prozent angehoben, ab 2016 soll die jährliche Steigerungsrate drei Prozent betragen.

Erste Selbstverpflichtungserklärungen für die Verbesserung von Karrierewegen und Beschäftigungsbedingungen haben die Forschungseinrichtungen zwar bereits erarbeitet: 2013 hat die Leibniz-Gemeinschaft „Leitlinien für die Arbeitsbedingungen und die Karriereförderung promovierender und promovierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ vorgelegt, im selben Jahr stellte die Fraunhofer-Gesellschaft ihre „Leitlinien Befristungspolitik“ vor, 2014 folgte die Helmholtz-Gemeinschaft mit ihren „Leitlinien zur Durchführung von Promotionsvorhaben“, 2015 die Max-Planck-Gesellschaft mit „Leitlinien für die Ausbildung von Doktorandinnen und Doktoranden“. Die Leitlinien sind jedoch anders als eine Personal- bzw. Dienstvereinbarung mit Personal- und Betriebsräten rechtlich nicht verbindlich. Offen bleibt, ob die Leitlinien von den einzelnen Forschungsinstituten tatsächlich umgesetzt werden und wie sie sich auf die Beschäftigungsbedingungen und Berufsperspektiven der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auswirken. Die GEW begrüßt, dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen erste Schritte in Richtung Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ gehen, betont aber, dass sie die verbindliche Normierung von Mindeststandards im Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht ersetzen können. Bei der Weiterentwicklung der Leitlinien muss außerdem endlich der Sachverstand der Personal- und Betriebsräte sowie der Gewerkschaften einbezogen werden. Die GEW ist ausdrücklich zu entsprechenden Gesprächen bereit.