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Berliner Hochschulgesetz

„Bundesweites Signal“

Das Berliner Hochschulgesetz will Dauerstellen für qualifizierte Postdoktoranden zur Pflicht machen. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der GEW Berlin räumt mit der Kritik an dem Gesetz auf: Das Vorhaben ist rechtmäßig – und hat Vorreiterfunktion für ganz Deutschland.

Das Berliner Hochschulgesetz kann kommen; es greift weder in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes noch in die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ein. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten,

das die ehemalige Brandenburger Verfassungsrichterin Prof. Rosemarie Will Ende April vorgestellt hat. Die GEW Berlin, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, appellierte an die rot-grün-rote Landesregierung und die Hochschulen, das Gesetz nun zügig umzusetzen: „Der Flaschenhals der Professur ist weder zeitgemäß noch international wettbewerbsfähig“, erklärte die Vorsitzende Martina Regulin. Die GEW Berlin habe den „Weg für mehr dauerhafte Perspektiven neben der Professur“ von Beginn an unterstützt.

Prof. Will und ihr Co-Autor Michael Plöse widerlegen alle Argumente, die gegen das Gesetz seit Monaten vorgebracht werden (s. E&W 2/2022). Zur Erinnerung: Als erstes deutsches Bundesland verabschiedete das damals noch rot-rot-grün regierte Berlin 2021 ein Hochschulgesetz, das den prekären Zuständen in Wissenschaft und Forschung Einhalt gebieten soll: Laut Paragraf 110 dieses Gesetzes müssen Postdoktoranden einen unbefristeten Vertrag angeboten bekommen, wenn sie die Qualifikationsziele erfüllt haben. Und in Paragraf 95 heißt es so schlicht wie klar: „Sachgrundlose Befristungen sind grundsätzlich ausgeschlossen.“

Klagen vermutlich ergebnislos

Kaum verabschiedet, überschlugen sich in der Berliner Hochschulpolitik die Ereignisse: Die Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), Prof. Sabine Kunst, trat zurück, später auch einer der Vizepräsidenten, Ludwig Kronthaler. Die HU zog vor das Bundes-, die Berliner Oppositionsparteien CDU und FDP gingen vor das Landesverfassungsgericht. Die Begründungen, obgleich leicht unterschiedlich: Mit der Entfristung von Postdoktoranden greife das Land in das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ein; mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung in das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Grundsätzlich gelte: Was der Bund bereits geregelt hat, könne ein Land nicht anders regeln. Auch die Wissenschaftsfreiheit sei in Gefahr.

„Das Land Berlin führt keine neuen Befristungsregeln ein, die bestehenden bleiben in Kraft.“ (Prof. Rosemarie Will)

Folgt man Prof. Will, dürften alle Klagen scheitern – weil beide Regelungen die Gesetze nicht ersetzen. „Das Land Berlin führt keine neuen Befristungsregeln ein, die bestehenden bleiben in Kraft“, erklärte Will, selbst bis zu ihrer Emeritierung HU-Professorin. Bei der Anschlusszusage für Postdocs handle es sich um einen „neuen, unbefristeten Vertrag“: Eine „Regelung des Personalwesens im Hochschulbereich“ falle zudem in die Zuständigkeit der Länder. Auch das Verbot der sachgrundlosen Befristung regle nicht Befristung – sondern deren Ausschluss.

Zur Wissenschaftsfreiheit führte Prof. Will aus: In der Organisation der Hochschulen sei der Gesetzgeber ebenso frei wie bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kritisch merkte sie an, besser wäre gewesen, hätte das Land auch die Personalkategorien beschrieben, in denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigt werden: Denn wenn es keine Professuren gebe, welche Art von Stellen werde dann geschaffen?

Dauerstellen für Daueraufgaben

GEW-Hochschulexperte Andreas Keller betonte die bundesweite Bedeutung des Gutachtens: „Der Bund hat zwar die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht, die Länder können ihren Hochschulen aber Vorgaben machen, wie sie dieses anwenden“, so Keller. „Ich freue mich auf Dauerstellen für Daueraufgaben.“ Bis es soweit ist, wird es allerdings noch dauern: Eine Reparaturnovelle, vom neuen rot-grün-roten Berliner Senat inzwischen verabschiedet, gibt den Hochschulen bis September 2023 Zeit, diese zu schaffen.