Bundesweit gibt es zehn Bundeswehrfachschulen. An diesen können Zeitsoldaten Schul- oder Berufsabschlüsse erwerben; einzelne Standorte bieten z. B. den Ausbildungsgang zum staatlich anerkannten Erzieher an. Doch ein Teil der Lehrkräfte, der die derzeit bundesweit rund 3000 Soldaten unterrichtet, arbeitet seit einigen Jahren in zweifelhaften Beschäftigungsverhältnissen. Vor fünf Jahren sei man zum ersten Mal darauf aufmerksam geworden, dass die Bundeswehrfachschulen Leiharbeitnehmer im Unterrichtsbetrieb einsetzten, berichtet GEW-Tarifexpertin Ilse Schaad: „Stutzig wurden wir, als wir feststellten, dass die Zahl ausgeschriebener freier Stellen stark rückläufig ist, obwohl die Teilnehmerzahl in den Kursen eher anstieg.“
In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion von Mitte 2010 spricht die Bundesregierung von „externen Lehrkräften“, die auf der Basis von Honorarverträgen mit externen Arbeitgebern seit 2005 an Bundeswehrfachschulen unterrichteten. Der Anteil dieser „Externen“ an der Zahl der Lehrenden schwankt bis heute von Standort zu Standort. In Berlin z. B. wird seit geraumer Zeit annähernd die Hälfte der Unterrichtsstunden von „Externen“ aus Leiharbeitsfirmen abgedeckt, an der Bundeswehrfachschule Köln waren es dagegen bislang nie mehr als zehn Prozent.
Gegründet wurden Leiharbeitsfirmen von ehemals an Bundeswehrfachschulen befristet beschäftigten Lehrkräften. Nach zwei Jahren war deren Arbeitsverhältnis beendet. Deshalb gründeten sie ein Unternehmen, in dem sie sich selbst als Honorarkräfte einstellten – unter Umgehung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) unterhielt mit mehreren dieser Firmen Verträge. In Berlin früher mit TIB e. V., heute mit BIB Personalservice GmbH, die von fünf ehemals befristet angestellten Lehrkräften der Bundeswehr ins Leben gerufen wurde. Im Laufe der Jahre nahm BIB zehn weitere Lehrkräfte unter Vertrag, die früher ebenfalls als Honorarkräfte oder befristet an einer Bundeswehrfachschule arbeiteten. Die BIB ist „Nachfolgerin“ des für andere Zwecke weiter bestehenden gemeinnützigen Vereins TIB (Tagesbetreuung in Berlin und Brandenburg), der bis Ende 2008 Lehrkräfte an die Bundeswehrfachschule in Berlin-Gatow abstellte.
Formal sind diese Unternehmen unabhängig von der Bundeswehr. „Eine Empfehlung, Leiharbeitsfirmen zu gründen, wurde seitens des BMVg nicht ausgesprochen“, teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Bundestagsanfrage der Grünen mit. Ilse Schaad bezweifelt das: „Wir wissen von den Betroffenen, dass die Abwicklung über Leiharbeitsfirmen von der Wehrverwaltung selbst angeregt wurde.“ Allerdings, räumt das GEW-Vorstandsmitglied ein, lasse sich das nicht beweisen, da die Betreffenden bislang nicht bereit seien, sich öffentlich zu äußern. Einen Hinweis allerdings gibt die Antwort der Bundesregierung zur kleinen Anfrage der Grünen. In der Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der Entleihe von Arbeitskräften bei der BIB Personalservice GmbH heißt es: „Die für die Arbeitnehmerüberlassung charakteristische Drei-Personen-Beziehung (Leihunternehmen – Entleiher – Leiharbeitnehmer, Anm. d. Red.) kann auch im Falle eines Arbeitnehmers einer Ein-Personen-GmbH vorliegen, der zugleich deren Gesellschafter-Geschäftsführer ist.“
Offizielle Verträge mit Leiharbeitsfirmen, die auch über eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung verfügen, gibt es erst seit Anfang 2009. Laut BMVg werden diese Lehrkräfte ausschließlich in Unterrichtsfächern eingesetzt, „in denen Vollzeitarbeitskräfte aufgrund des geringen Unterrichtsbedarfs nicht ausgelastet werden könnten“. Auch daran hat GEW-Tarifexpertin Schaad starke Zweifel. Faktisch hätten die Fristbeschäftigten, die Honorarkräfte und die „entliehenen“ Lehrkräfte immer das Gleiche getan. Die Personen waren identisch und ihre Tätigkeit auch, nur das Vertragsverhältnis sei „zum Zwecke der Umgehung einer Festanstellung ständig geändert worden“.
Arbeitsverträge, die der GEW vorliegen, untermauern diese Einschätzung und offenbaren unsichere Arbeitsverhältnisse: Kurze Laufzeiten, unbezahlte Ferienzeiten, keine betriebliche Altersversorgung und fehlender Kündigungsschutz sind die Regel. In einem Fall hat das BMVg eine Lehrkraft 2005 zunächst für ein Jahr befristet mit einem wöchentlichen Arbeitsumfang von zwölf Unterrichtsstunden im Bereich der Erzieherausbildung eingestellt. Bis Mitte 2007 wurde dieser Vertrag mit der Wehrverwaltung immer wieder verlängert, ab 2006 die Zahl der Unterrichtsstunden sogar auf 19 erhöht. Nach zwei Jahren stellte die Lehrkraft beim Bundesamt für Wehrverwaltung einen Antrag auf Entfristung des Arbeitsvertrages. Obwohl der Leiter der betreffenden Bundeswehrfachschule dies befürwortet hat, lehnte das Bundesamt den Antrag ab und löste das Vertragsverhältnis gleichzeitig auf.
Beispiel für Rechtswidrigkeit
Der Einsatz der Lehrkraft sei „für die Abdeckung des Unterrichts erforderlich“, ein dauerhafter (!) Einsatz mit zirka 13 Wochenstunden gesichert, heißt es in der Stellungnahme des Schulleiters. Er hatte damit der Bundeswehrverwaltung widersprochen, die als Grund für die befristete Anstellung einen lediglich „vorübergehend erhöhten Beschäftigungsbedarf“ angab. Dass dieser bestand, zeigte das weitere Schicksal der Lehrkraft: Sie wurde weiter eingesetzt – über Umwege als Honorarkraft bei einem externen Arbeitgeber beschäftigt. Später ging der Vertrag unter Nutzung der Arbeitnehmerüberlassung à la Schlecker auf die BIB GmbH über. Einziger Einsatzort des Lehrers blieb die Schule in derselben Kaserne. Dies ist nur ein Beispiel für knapp 100 gleichgelagerte Fälle an Bundeswehrfachschulen.
Für Ilse Schaad offenbart sich daran eine äußert zweifelhafte Vorgehensweise des Verteidigungsministeriums. Leiharbeitsverhältnisse widersprächen dem Sinn des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Das sieht den Einsatz von Leiharbeitern nur vor, um vorübergehende Auftragsspitzen oder krankheitsbedingte Fehlzeiten auszugleichen. „Leiharbeit oder befristete Beschäftigungsverhältnisse als Dauerzustand sind unanständig. Bei Schlecker ging es um mehrere Tausend Leiharbeitnehmer, hier ‚nur‘ um 100. Die Vorgehensweise ist aber die gleiche“, unterstreicht Schaad. Die Zustände im Hause des Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg passen so gar nicht zur smarten Fassade ihres Dienstherrn.