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Bundesregierung legt Vorschriften arbeitgeberfreundlich aus

Die Bundesregierung neigt zu einer eher arbeitgeberfreundlichen Auslegung des novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Das ergibt sich aus einer Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag.

Die Bundesregierung neigt zu einer eher arbeitgeberfreundlichen Auslegung des novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

Eine wichtige Streitfrage bei der Auslegung des neuen WissZeitVG lautet: Was ist eigentlich eine "wissenschaftliche Qualifizierung"? Und was sind "angemessene" Vertragslaufzeiten? Trotz der sehr viel konkreteren Formulierungsvorschläge der GEW war die Große Koalition bei der Novellierung des Gesetzes vage geblieben. Die Bundesregierung hat sich nun einer eher arbeitgeberfreundlichen Lesart des Gesetzes angeschlossen. Wissenschaftliche Qualifizierung sei nicht beschränkt auf den Erwerb einer formalen Qualifikation wie der Promotion oder Habilitation, sondern es könne dabei auch "um den Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten etwa in Bezug auf Projektmanagement" gehen, so die Regierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken "Prekäre Beschäftigung in der Wissenschat und Auswirkungen der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes" (Bundestags-Drucksache 18/11721, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/117/1811721.pdf). Sogar "organisatorische und managementbezogene Tätigkeiten" könnten zur Qualifizierung beitragen. Bei der Frage nach der angemessenen Befristungsdauer hebt die Bundesregierung zwar einerseits auf die "übliche Dauer" ab, behauptet aber zugleich, es könnten "auch sinnvolle Teilabschnitte gebildet werden".

Der stellvertretende Vorsitzende und Wissenschaftsexperte der GEW, Andreas Keller, hat die Stellungnahme der Bundesregierung scharf kritisiert. "Wissenschaftlicher Qualifizierung" und "angemessen" seien zwar unbestimmte Rechtsbegriffe, diese seien aber keinesweg beliebig auszulegen. "Anknüpfend an die bisherige Rechtsprechung setzt eine Qualifizierung ein definiertes Ziel, eine strukturiertes Vorgehen und eine Zertifizierung voraus. Die Befristungsdauer ist dann angemessen, wenn das Qualifizierungsziel tatsächlich erreicht werden kann. Bei Arbeitsverträgen mit Doktorandinnen und Doktoranden kann die Vertragsdauer daher in der Regel nicht unter drei Jahren liegen", erklärte Keller.

Der GEW-Vize rief die Bundesregierung auf, die Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und Rechtsprechung zu respektieren. "Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, die Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben es nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen, je nach Bundesland haben dabei auch gewählte Personalvertretungen mitzubestimmen. Über die Auslegung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes entscheiden im Zweifelsfall die Arbeitsgerichte, aber nicht Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Statt einseitig für die Arbeitgeber Partei zu ergreifen, sollte die Bundesregierung Hochschulen und Forschungseinrichtungen dabei unterstützen, Dauerstellen für Daueraufgaben, faire Beschäftigungsbedingungen und verlässliche Karrierewege anzubieten", sagte Keller.