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Bildungshaushalt

Bundesmittel kommen vor Ort nicht an

Trotz Rekordüberschüssen dümpelt der Etat von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) weiter bei rund fünf Prozent der Gesamtausgaben. Dass Gelder etwa für Schulgebäudesanierung nicht fließen, liegt auch am Personalmangel in der Bürokratie.

„Zukunftsorientiert, gerecht und solide“ – so haben die Beamten von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ihre Präsentation der Haushaltsplanung bis 2022 überschrieben. Der Minister selbst verteidigte Ende November bei den Beratungen im Bundestag die schwarze Null als Ausdruck einer seriösen Haushaltspolitik. „Es ist richtig, dass wir unverändert darauf bestehen, dass wir einen Haushalt entwickeln, der ohne zusätzliche Schulden auskommt“, sagte Scholz. Nur damit schaffe man den finanziellen Spielraum, um auf künftige Krisen angemessen reagieren zu können.

Allerdings waren der Großen Koalition in der Haushaltspolitik schon zu Beginn zwei ausgesprochene Peinlichkeiten unterlaufen. Zur allgemeinen Überraschung sanken in Scholz‘ erster Finanzplanung trotz voller Kassen die Investitionen – von 37,9 Milliarden Euro im Jahr 2018 bis auf 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2022. Auch der Bildungsetat als klassischer Zukunftshaushalt bekam zu spüren, welch geringe Bedeutung ihm die Regierung beimisst. Dessen Volumen schrumpfte im Jahr 2018 leicht auf 17,62 Milliarden – gegenüber 17,65 Milliarden im Jahr zuvor. Beides korrigierte die Regierung inzwischen.

Die Investitionen sollen in den nächsten Jahren nun doch steigen. Und nach massiver Kritik von vielen Seiten steigt der Etat von Bildungsministerin Karliczek 2019 um gut 5 Prozent auf knapp 18,15 Milliarden Euro. Doch der Eindruck bleibt: „Bildung hat im Bundeshaushalt keine Priorität“, wie das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Analyse der mittelfristigen Entwicklung feststellte. Demnach stockte der Bund die Bildungsausgaben zwischen 2013 und 2018 um gerade mal 3,7 Milliarden Euro auf, womit der Anteil am Gesamtetat nur marginal zulegte und weiter bei rund 5 Prozent liegt. Mehr als doppelt so groß fiel der Zuwachs übrigens im Verteidigungsetat aus.

 

Streit um Kompetenzen

An mangelndem Geld kann der geringe Zuwachs des Bildungsetats nicht liegen. Auch beim zähen Ringen um den Digitalpakt für die Schulen dreht sich der Streit in erster Linie um die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sowie den besten Weg, die Milliarden vom Bund an die Kommunen weiterzuleiten. Erst in zweiter Linie ging es um die Finanzierung an sich. In diesem Jahr werden die Staatskassen nach einer Prognose des Bundesfinanzministeriums mit einem Rekordüberschuss von mehr als 60 Milliarden Euro abschließen. Das entspricht fast 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der Bund kommt demnach auf ein Plus von zehn Milliarden Euro, die Länder können sogar rund 20 Milliarden Euro erwarten. Für die nächsten Jahre zeichnet sich zwar wegen der leichten Konjunkturabkühlung ein Rückgang ab. Aber es bleibt bei deutlichen Überschüssen in den öffentlichen Kassen.

Auch die Länder, die für einen Großteil der Bildung zuständig sind, könnten sich dank der extrem guten Haushaltslage mehr leisten – wenn die Politik es wollte. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede. Die Länder mit einer schwächeren Wirtschaftsstruktur und geringeren Einnahmen als im Bundesdurchschnitt leiden im Zeitalter der Schuldenbremse besonders darunter, dass sie von 2020 an überhaupt keine Kredite mehr aufnehmen dürfen. Sie sind daher auf eine stärkere Unterstützung des Bundes angewiesen.

Auch mit dem gewaltigen Nachholbedarf bei den Schulsanierungen beschäftigte sich der Bundestag bei den Haushaltsberatungen. Auf fast 48 Milliarden Euro beziffert die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in einer im August veröffentlichten Studie den Investitionsstau durch undichte Dächer, schimmlige Wände und heruntergekommene Toiletten in Deutschlands Schulen. Im Vergleich zum Vorjahr sei diese Summe sogar noch einmal um 15 Milliarden gestiegen, heißt es in der Untersuchung. Zusätzliche Anforderungen etwa für den Ausbau der Ganztagsschulen haben die KfW-Experten dabei nicht eingerechnet. Darüber hinaus verweist KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner auf ein besonderes Problem: Zwar hätten die Kommunen die Mittel zuletzt aufgestockt. Aber der Großteil davon werde durch die steigenden Baupreise regelrecht „aufgefressen“. 

 

Mittel kommen nicht an

Ein weiteres Problem: Die Bundesmittel kommen vor Ort nicht an. Im Jahr 2015 hatte der Bund das Schulsanierungsprogramm mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro aufgelegt. Doch die Kommunen können die Milliarden kaum abrufen, weil die Länder zu wenige oder teilweise gar keine Anträge stellen. Die Länder ihrerseits verweisen darauf, dass ihnen nach Jahren des Sparzwangs die Planungs- und Verwaltungskapazitäten fehlten und sie nicht mehr auf genügend Fachleute für die komplizierte Bearbeitung der Anträge zurückgreifen könnten. Ähnliche Probleme zeigen sich beim Anschluss der Schulen ans Breitbandnetz – laut Koalitionsvertrag ein Herzensanliegen der Bundesregierung. Doch auch hier bremst das komplizierte Verfahren, durch das Schulen und ihre Träger keine eigenständige Breitbandförderung beantragen können, sondern sich an ein bereits bestehendes Infrastrukturprojekt anhängen müssen.

Mangelndes Engagement und ein zu geringes Tempo musste sich die Koalition auch bei der Diskussion über die Förderung der Ganztagsschulen vorwerfen lassen. Als Bundesfinanzminister Scholz im Herbst mit Zustimmung der Koalitionsparteien im Haushalt 2019 zwei Milliarden Euro aus dem Ganztagsschulprogramm herausnehmen und der Bundeswehr zuweisen ließ, empörte sich Gesine Lötzsch (Linke): „Ich bringe es einmal auf eine kurze Formel: Kriegsschiffe statt Bildung“. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es dazu, der Großteil des für den Ausbau der Ganztagsschulen eingeplanten Geldes werde erst von 2020 an benötigt und nicht schon 2019. Es bleibe aber dabei, dass die vereinbarten Summen im Haushalt bereitgestellt würden. Viel zu langsam gehe das voran, kritisierten die Grünen in einem Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz 2019. Weil Scholz verzögere, „müssen Eltern, Schülerinnen und Schüler weiter auf gute Ganztages-Betreuungsangebote warten“.

„Das BAföG und das Meister-BAföG wollen wir massiv verbessern“, versprach der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz im Bundestag. Durch die Reform soll der Förderhöchstsatz um 15 Prozent auf 850 Euro im Monat steigen. Die Einkommensfreibeträge will die Koalition um 9 Prozent erhöhen und den Wohnzuschlag von monatlich derzeit 250 Euro auf 325 Euro. Aber schafft das Gerechtigkeit? Die Novelle reiche nicht aus, sagte Margit Stumpp (Grüne). „Die Fördersätze und Freibeträge müssen sofort – und nicht erst zum Wintersemester im nächsten Jahr – um 10 Prozent steigen und zudem automatisch erhöht werden.“ Die Linkspartei warf die Frage auf, wie man für 325 Euro eine Wohnung in München, Frankfurt am Main oder Hamburg finden solle.

 

Kritik am „Gute-Kita-Gesetz“

Noch in den parlamentarischen Beratungen befindet sich (bei Redaktionsschluss der E&W) ein weiteres wichtiges Reformvorhaben für mehr Chancengleichheit in der Bildung: das „Gute-Kita-Gesetz“ von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Damit will sich der Bund stärker an der qualitativen Verbesserung der Kindestagesbetreuung beteiligen und den Bundesländern für vier Jahre rund 5,5 Milliarden Euro bereitstellen. Bei der Anhörung im Familienausschuss des Bundestages übten die Expertinnen und Experten jedoch fast durchweg scharfe Kritik an der Vorlage. So bemängelte die Leipziger Pädagogik-Professorin Susanne Viernickel, die Summe diene auch dazu, die Beitragsfreiheit für Eltern zu finanzieren. Das sei ein sinnvolles Ziel, doch Gebührenfreiheit dürfe nicht auf Kosten der Qualität gehen und müsse zusätzlich finanziert werden. Auch der Bundesrat meldete in einer Stellungnahme Vorbehalte an und verlangte „dauerhafte Finanzzuweisungen des Bundes in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro“ auch über das Jahr 2022 hinaus.