Die Bildungsgewerkschaft GEW findet die Regierungsstellungnahme „ernüchternd“. Der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs wurde von einem wissenschaftlichen Konsortium unter der Leitung des Instituts für Innovation und Technik in Berlin erstellt und kommt zu dramatischen Befunden. 93 Prozent der dem "wissenschaftlichen Nachwuchs" zugerechneten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nur befristet beschäftigt. Die fehlende Planbarkeit einer wissenschaftlichen Karriere wirkt sich auch auf die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Qualifizierung und Familie aus. 49 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und 42 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter an Universitäten bleiben kinderlos – deutlich mehr als andere Hochschulabsolventinnen und -absolventen (25 Prozent). Dabei geben nur zwölf Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses an, keinen Kinderwunsch zu haben.
In ihrer offiziellen Stellungnahme bewertet die Bundesregierung die Befunde und Analyse des Bundesberichts zwar als "insgesamt zutreffend". Die Karrierewege in der Wissenschaft seien "zumeist durch Unsicherheit und schwer einzuschätzende Karrierechancen geprägt" (S. IV). Befristete Beschäftigungsverhältnisse seien zwar in der Promotionsphase funktional, aber in der Qualifizierungsphase nach der Promotion, "zumal mit kurzen Vertragslaufzeiten", "vielfach ein Problem". Mit derartigen Beschäftigungsverhältnissen seien die Hochschulen und Forschungseinrichtungen schlicht "nicht konkurrenzfähig" mit anderen Arbeitgebern.
Doch in ihren Schlussfolgerungen ruht sich die Regierung auf Maßnahmen aus, die bereits in den vergangenen Jahren unter dem Druck der GEW-Kampagne für den "Traumjob Wissenschaft" ergriffen wurden: etwa die im März 2016 in Kraft getretene Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes oder das im Juni 2016 beschlossene Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Tenure-Track-Programm). Zusätzlich werden in der Stellungnahme wissenschaftspolitische Maßnahmen angeführt, die tatsächlich nicht die Lösung, sondern die Ursache vieler Probleme der befristet beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darstellen: etwa die Exzellenzstrategie (bisher: Exzellenzinitiative). Selbst aus Sicht der Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative hat das Bund-Länder-Programm die Unsicherheit wissenschaftlicher Karrierewege nicht bekämpft, sondern weiter verschärft. Darüber hinausgehende Maßnahmen werden in der Stellungnahme nicht einmal erwogen.
Der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW äußerte sich kritisch zur Regierungsstellungnahme zum Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. "Erfreulich ist, dass sich die Bundesregierung der kritischen Analyse der Wissenschaft und der Bildungsgewerkschaft GEW anschließt. Immer mehr Zeitverträge, lange und steinige Karrierewege, fehlende Vereinbarkeit von Qualifizierung und Familie – so kann es nicht weitergehen. Ernüchternd ist aber das Fazit, das die Regierung zieht. Statt sich auf den Lorbeeren der ersten Schritte in die richtige Richtung auszuruhen, muss die Regierung jetzt nachlegen und die Rahmenbedingungen für stabile Beschäftigung und verlässliche Karrierewege in Hochschule und Forschung verbessern. Insbesondere muss der Bund die Länder bei einer nachhaltigen Grundfinanzierung der Hochschulen unterstützen und durch eine Entfristungsoffensive für 50.000 zusätzliche Dauerstellen sorgen. Vom Bund finanzierte Wissenschaftseinrichtungen müssen sich zu Standards guter Arbeit, einer aktiven Gleichstellungspolitik und familiengerechten Bedingungen verpflichten."
Die vollständige Stellungnahme der Bundesregierung ist auf den Seiten II bis XII der Bundestagsdrucksache 18/12310 zu finden.