Zum Inhalt springen

Arbeitsrecht I

Bundesarbeitsgericht weist Entfristungsklage einer Lehrkraft zurück

Das Bundesarbeitsgericht hat die Befristung einer überwiegend mit Aufgaben in der Lehre betrauten Germanistin für rechtmäßig erklärt.

Das Urteil bezieht sich aber noch auf die alte Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten des novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes 2016. Die GEW kommentiert.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Befristung einer überwiegend mit Aufgaben in der Lehre betrauten Germanistin an der Universität Greifswald, die dort über vier Jahre im Rahmen von drei aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt war, für rechtmäßig erklärt (Urteil vom 21.03.2018, 7 AZR 437/16).

Das Aufgabenprofil der Kollegin umfasste acht Semesterwochenstunden (SWS) Lehre inklusive. der dazugehörigen Vor- und Nachbereitungen, Beratungs-, Prüfungs- und Betreuungstätigkeit, was nach ihrer Tätigkeitsdarstellung 80 Prozent ihrer halben Stelle ausmachte, sowie Mitarbeit an den Aufgaben des Lehrstuhls (20 Prozent). In ihrer Freizeit promovierte sie an der Universität Greifswald. Die Befristung erfolgte laut Arbeitsvertrag nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) in der bis März 2016 geltenden Fassung.

Nach altem WissZeitVG hatte das BAG zu überprüfen, ob die zu erbringenden Dienstleistungen entsprechend des Arbeitsvertrages tatsächlich wissenschaftliche waren. Es kam zu einem positiven Ergebnis. Als Beleg für den wissenschaftlichen Charakter der Lehrveranstaltungen zitiert das BAG in der Urteilsbegründung ausführlich aus den kommentierten Vorlesungsverzeichnissen, um daraus den wissenschaftlichen Charakter der Lehrveranstaltungen abzuleiten. Ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der Lehrveranstaltungen der Klägerin – etwa zur Literaturtheorie oder zum Themenfeld Populärkultur – wurde nicht eingeholt. Der Arbeitsrechtler Peter Hauck-Scholz hat dies in einer Urteilsanmerkung für die Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht (öAT 2018, S. 143) sehr kritisch bewertet.

In seiner Urteilsbegründung zitierte das BAG eine frühere Entscheidung aus dem Jahr 2017: „Die Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt“ (Urteil vom 30.08.2017, 7 AZR 524/15). Insofern war gerichtlich zu bewerten, ob bei einer halben Stelle und acht SWS Lehrverpflichtung mit überwiegend obligatorischen Einführungsveranstaltungen für eine Berufsanfängerin ausreichend Zeit für eigenständige Forschung und Reflexion verblieb.

Das BAG stellte insoweit keine eigenen Ermittlungen an, was ihm als Revisionsgericht auch nicht zugestanden hätte. Vielmehr vollzog es die Berechnung des Landesarbeitsgerichts (LAG) nach. Und die sah so aus: Die für die Lehre vorgesehene Arbeitszeit der Klägerin betrug 368 Stunden pro Semester (80 Prozent, halbe Stelle, abzüglich Urlaubsanspruch). Dabei wurden 90 Stunden reine Unterrichtszeit (acht Unterrichtseinheiten à 45 Minuten pro Woche mal 15 Wochen) sowie 113 Stunden angenommene Zeit für Prüfungstätigkeiten angesetzt. Damit blieben aus Sicht des LAG pro Semester – großzügig gerundet – 150 Stunden für „eigenständige Forschung und Reflexion“.

In der Gesamtrechnung wurden keine Feiertage, keine durchschnittlichen Krankheitstage, keine Zeit für die rein didaktische Unterrichtsplanung und -vorbereitung, keine Stunde, in der die Dozentin selbst die Texte liest, die in der Seminarzeit zu diskutieren sind, keine einzige Beratungsstunde mit den Studierenden, keine einzige Wegeminute zwischen Seminarraum und Büro berücksichtigt. Es wurde auch nicht bedacht, dass die 45 Minuten pro Unterrichtsstunde um 15 Minuten für Pausen aufzustocken waren, da in dieser Zeit schwerlich „eigenständige Forschung und Reflexion“ stattfinden konnten.

Das BAG musste, so heißt es mehrmals explizit in der Urteilsbegründung, den Berechnungsannahmen des LAG folgen, weil die Klägerin sie nicht, was zulässig gewesen wäre, mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat. Auf dieser Bewertungs- und Berechnungsgrundlage hat das BAG also festgestellt, dass die Germanistin auf einer halben Stelle bei acht SWS Lehrverpflichtung und zusätzlichen Lehrstuhlaufgaben ausreichend Zeit zu eigenständiger Forschung und Reflexion hatte – im Rahmen der bezahlten Arbeitszeit – und zurecht nach WissZeitVG befristet beschäftigt werden durfte.

Abschließend bleibt jedoch festzuhalten: Es handelt sich um ein historisches Urteil, da sich die Rechtslage geändert hat. Der Arbeitsvertrag und die Klage, um die es hier geht, stammen aus der Zeit vor der Novellierung des WissZeitVG 2016. Auf der Basis des novellierten Gesetzes sind Arbeitsverträge, die nachweislich nicht zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung geschlossen worden sind, befristungsrechtlich unzulässig, es sei denn, es liegt eine Drittmittelbefristung vor.