Zum Inhalt springen

Bund, Länder, Hochschulen: Das Templiner Manifest wirkt

Seit 2010 setzt sich die GEW mit dem Templiner Manifest für den „Traumjob Wissenschaft“ ein. 2012 zeigten wir mit dem Herrschinger Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ auf, wie jede Hochschule und jede Forschungseinrichtung für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen sorgen kann. Im Aktionsprogramm zur Umsetzung des Templiner Manifests schlugen wir 2013 Bund, Ländern, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und den Tarifpartnern konkrete Schritte auf dem „Weg zum Traumjob Wissenschaft“ vor und adressierten im Köpenicker Appell drei Sofortforderungen an die neue Bundesregierung. Steter Tropfen höhlt den Stein – das Templiner Manifest wirkt in Bund, Ländern und an den Hochschulen.

Bund: Ministerin kritisiert Befristungspraxis, SPD für Nachwuchs-Pakt

In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Bildungs- und Forschungsministerin Johanna Wanka die Befristungspraxis in der Wissenschaft kritisiert. Es soll mehr Dauerstellen in Forschung, Lehre und Management geben, Tenure-Track-Modelle sowie „planbare, verlässlichere und transparentere Karrierewege“ für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Bei Drittmittelbefristungen soll die Laufzeit der Arbeitsverträge der Dauer der Projekte entsprechen – das möchte die Ministerin im Wissenschaftszeitvertragsgesetz festlegen. Ist die Botschaft des Templiner Manifests endlich im BMBF angekommen? Die GEW wird die Ministerin beim Wort nehmen – aber den Worten müssen jetzt auch Taten folgen!
Unterdessen macht sich die SPD-Bundestagsfraktion für einen „Zukunftspakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ stark. Das berichtet der Berliner Tagesspiegel. „Sinnvoll wäre ein Ausbau der Juniorprofessuren, die durchgehend mit einem Tenure Track zu einer ordentlichen Professur versehen werden müssten“, wird der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Ernst-Dieter Rossmann zitiert. Gute Perspektiven also für den Vorschlag der GEW, „Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch ein spezielles Förderprogramm für verlässliche Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Anreize für die nachhaltige Schaffung von Tenure-Track-Modellen zu geben – durch die Förderung zusätzlicher Juniorprofessuren oder anderer Postdocstellen, wenn diese mit einem Tenure Track ausgestattet sind und von der jeweiligen Einrichtung auf Dauer weiter finanziert werden“ (Köpenicker Appell).

Länder: Vielversprechende Vereinbarungen in Thüringen und Sachsen

Auch immer mehr Landesregierungen möchten mit der Reform von Karrierewegen und Beschäftigungsbedingungen ernst machen. So haben Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Thüringen in ihrem am 20.11. vorgestellten Koalitionsvertrag ein „Maßnahmenpaket ‚Gute Arbeit in der Wissenschaft‘“ angekündigt. Darin nehmen sie explizit auf den Vorschlag der GEW für einen Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ (Herrschinger Kodex) Bezug: „Dabei greifen wir auf die Empfehlungen des ‚Herrschinger Kodex‘ und des Wissenschaftsrates zum wissenschaftlichen Nachwuchs zurück“, ist zu lesen. Und weiter: „Die Situation der Lehrkräfte für besondere Aufgaben soll verbessert werden. Wir wollen das Personalvertretungsgesetz überarbeiten und für studentische Beschäftigte sowie Drittmittel-Beschäftigte weiter öffnen. Die Landesregierung unterstützt eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf Bundesebene. Das Land wird mit den Gewerkschaften und Studierendenvertretungen Gespräche über den Abschluss eines Tarifvertrages für studentische Beschäftigte aufnehmen und in der Tarifgemeinschaft der Länder auf den Abschluss eines solchen Tarifvertrages hinwirken.“ Weiter soll über Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen der Anteil von Frauen auf Professuren erhöht werden, die Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten sollen gestärkt werden.
Zuvor hatten in Sachsen die Regierungsparteien CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, im Dialog mit den sächsischen Hochschulen „verbindliche Mindeststandards für befristete Arbeitsverhältnisse“ festzulegen. Und weiter: „Bei der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes werden wir im Bundesrat auf Standards für Mindestbefristungen drängen. Gemeinsam mit den Hochschulen werden wir ein Konzept zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erarbeiten. Um verlässliche Karriereperspektiven in der Wissenschaft zu verankern und Daueraufgaben abzusichern, werden wir im Hochschulrecht eine mit verlässlich ausgestaltetem Tenure-Track aufgewertete Juniorprofessur verankern. Zudem schaffen wir jenseits der Professur die Voraussetzung für die Arbeit von Wissenschaftsmanagern. Wir setzen uns außerdem für eine Personaloffensive von Bund und Ländern für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein.“ Frauen sollen künftig „auf allen Ebenen des Wissenschaftssystems, vor allem aber in Führungspositionen, angemessen repräsentiert“ sein. Dies soll durch „Einhaltung von Gleichstellungsstandards“, „Festlegung konkreter Ziele für mehr Frauen in Führungspositionen“ und „Festsetzung von Zielquoten über das Kaskadenmodell“ erreicht werden. Neue Wissenschaftsministerin in Sachsen ist Eva-Maria Stange. Es trifft sich gut, dass sie nicht nur bereits 2006 bis 2009 Erfahrungen in diesem Amt sammeln konnte, sondern auch von 1997 bis 2005 Bundesvorsitzende der GEW war. Für die Reform der Karrierewege und die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen an den sächsischen Hochschulen wünschen wir ihr viel Erfolg!
Zurückhaltender sind die Festlegungen im neuen Koalitionsvertrag von SPD und Linke in Brandenburg. Die Koalition möchte aber künftig die Hochschulverträge in Brandenburg dafür nutzen, „das Prinzip ‚Gute Arbeit‘“ in der Wissenschaft durchzusetzen. „Dieser Grundsatz muss auch für studentische Hilfskräfte gelten“, heißt es ausdrücklich. Der Frauenanteil auf Professuren sowie in den Führungsgremien der Hochschulen soll erhöht werden.
Unterdessen hat Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle an die Hochschulen des Landes appelliert, die hohe Zahl der Arbeitsverträge mit kurzen Fristen zu reduzieren. Er habe die Hochschulen "freundlich gebeten", einen Katalog von "Selbstverpflichtungen für Mindestanforderungen" zu formulieren, führte Spaenle einem Bericht der Deutschen Presseagentur (dpa) zufolge aus. Insbesondere "extreme Kurzzeitbefristungen" mit Vertragsverlängerungen im Monatstakt solle es künftig nicht mehr geben.

Hochschulen: Jetzt in Erarbeitung von Nachwuchs-Orientierungsrahmen einmischen!

Und die Hochschulen? Auf der 17. Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) am 07.11.2014 in Lübeck hat Vizepräsidentin Ulrike Beisiegel zum Stand der Umsetzung der von der 16. Mitgliederversammlung im Mai 2014 verabschiedeten Empfehlung eines „Orientierungsrahmens zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und akademischer Karrierewege nach der Professur“ berichtet. Die HRK empfiehlt ihren 267 Mitgliedshochschulen, Konzepte zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie „für die zukünftige Stellenplanung und Personalentwicklung unter Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe unbefristeter und befristeter Arbeitsverhältnisse im Bereich des promovierten wissenschaftlichen Personals“ zu erarbeiten. Bereits 2012 hatte die HRK-Mitgliederversammlung „Leitlinien für die Ausgestaltung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal“ verabschiedet. Die hochschulspezifischen Orientierungsrahmen sollen bis Frühjahr 2015 vorgelegt und auf der nächsten Mitgliederversammlung im Mai 2015 in Kaiserslautern diskutiert werden.
Wie ist der Stand der Dinge an eurer und Ihrer Hochschule? Hat die Hochschulleitung die Arbeit an einem Orientierungsrahmen bereits aufgenommen? Wurden die Kollegialorgane informiert? Werden Vertreterinnen und Vertreter des wissenschaftlichen Personals daran beteiligt? Eine gute Gelegenheit, in der nächste Sitzung des Fakultätsrats oder Akademischen Senats einfach mal nachzufragen. Oder noch besser: konkrete Vorschläge für die Ausgestaltung des Orientierungsrahmens zu machen. Viele gute Anregungen für diese Arbeit enthält der GEW-Vorschlag für einen Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ (Herrschinger Kodex).