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Bildungswege öffnen

„Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung verwirklichen und Durchlässigkeit im Sinne von Chancengleichheit durchsetzen – Kompetenzen für lebenslanges Lernen stärken“ Beschluss des GEW-Gewerkschaftstages vom 25.-29.April 2009 in Nürnberg.

Der hier dokumentierte Beschluss des 26. Gewerkschaftstages im April 2009 der GEW beinhaltet das Ziel, die althergebrachte Trennung von beruflicher und allgemeiner Bildung zu überwinden und die jahrzehntelange Forderung nach Gleichwertigkeit endlich durchzusetzen. Absolventen der beruflichen Bildung sollen ohne zusätzliche Hürden Zugang zu einem Hochschulstudium erhalten. Die Durchlässigkeit nach oben muss endlich realisiert werden. Das erfordert, das derzeitige Bildungssystem zu verändern, da es durch die Durchlässigkeit nach unten geprägt ist. Allein formale Verbesserungen des Übergangs zur Hochschule reichen nicht aus. Ohne eine allgemeine Anhebung des Bildungsniveaus kann Durchlässigkeit im Sinne von Chancengleichheit nicht gesichert werden. Solange fast 10 % der Jugendlichen ohne Abschluss die allgemeinbildende Schule verlassen, rund 15 % junger Menschen unter 29 Jahren ohne berufliche Ausbildung bleiben, nur ein Drittel eines Jahrgangs ein Hochschulstudium aufnimmt, findet eine massive Bildungsbenachteiligung statt. Vielen Menschen wird im Gegensatz zum Postulat des lebenslangen Lernens vorenthalten, dass grundsätzlich alle Bildungswege für sie offen sind und in jeder Lebensphase weiteres Lernen, weitere Abschlüsse möglich sind.

Diesem Beschluss liegt ein Bildungsverständnis im umfassenden Sinne zugrunde: Bildung als Ensemble von kognitiven, handwerklich-technischen, sozialen, personalen, gesellschaftspolitischen und kulturellen Fähigkeiten.

Damit grenzt sich die GEW gegenüber einem elitären überlieferten Bildungsverständnis ab, berufliche Bildung als minderwertig anzusehen und die „wahre Bildung“ an einem bestimmten Wissens- und Kulturkanon festzumachen. Ein umfassender Bildungsauftrag hat Konsequenzen für alle Bildungsinstitutionen. In den Berufsbildenden Schulen muss Wert darauf gelegt werden, neben den spezifischen fachlichen Inhalten auch kulturelle, soziale, gesellschaftspolitische Lerninhalte anzubieten. Um das Ziel der Durchlässigkeit zu erreichen, müssen berufsbildende Schulen sowohl in die Lage versetzt werden, benachteiligte Jugendliche beruflich zu qualifizieren wie auch Auszubildende für den Übergang in ein Studium vorzubereiten.

Einige Fortschritte hinsichtlich Durchlässigkeit sind aktuell bereits erreicht worden. So wurde im März 2009 in der Kultusministerkonferenz einheitliche Kriterien für den Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber vereinbart: Erstens soll Meistern, Technikern und Fachwirten ein allgemeines Hochschulrecht zugebilligt werden– ohne weitere Tests und Probezeiten. Zweitens soll ein fachgebundenes Zugangsrecht nach abgeschlossener Ausbildung und dreijähriger Berufstätigkeit gewährt werden, allerdings verbunden mit einem Eignungsfeststellungsverfahren. Dieser Beschluss ist eine erfreuliche Weiterentwicklung, enthält aber nach wie vor Restriktionen und geht leider nicht über die formale Durchlässigkeit hinaus. In den Bundesländern stehen jetzt Reformen der Hochschulgesetze auf der Tagesordnung, die zum Teil über die KMK-Vereinbarung hinausgehen, wie in Rheinland-Pfalz. Das Thema Durchlässigkeit hat also eine hohe aktuelle Brisanz. Aufgabe für die nächste Zeit wird sein, die Umsetzung in den Blick zu nehmen und als GEW konkrete Schritte sowohl für die Bildungspolitik wie auch für die Praxis der beruflichen Bildung zu benennen.