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Sinus-Jugendstudie 2024: „Wie ticken Jugendliche?“

Bildungsungleichheit und unzureichende Digitalisierung

14- bis 17-Jährige sind laut der neuen Sinus-Jugendstudie besorgter denn je. Allerdings hat Politik rotz der allgegenwärtigen Krisen einen geringen Stellenwert in ihrem Leben.

Die Studie "Wie ticken Jugendliche?" untersucht alle vier Jahre auf Basis von mehrstündigen Einzelexplorationen die Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen. (Foto: Pixabay / CC0)

Die aktuelle Vielzahl von Krisen und Problemen stimmt Deutschlands Teenager ernster und besorgter als je zuvor. Allerdings sind es weniger politische Krisen wie Kriege und Inflation, sondern vielmehr Probleme wie Klimawandel und Diskriminierung, die sie emotional belasten. Diskriminierung etwa zählt für viele zum Alltag, insbesondere in der Schule. Das gehört zu den Ergebnissen der Sinus-Jugendstudie 2024 im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Aus bildungspolitischer beziehungsweise bildungsgewerkschaftlicher Sicht liefert die Studie mit dem Titel „Wie ticken Jugendliche?“ weitere interessante Erkenntnisse mit Blick auf demokratische Bildung und Digitalisierung.

Jugendliche erkennen ungleiche Bildungschancen

So bilanziert die alle vier Jahre durchgeführte Untersuchung auch: Demokratische Bildung und Praxis scheine in Schulen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Viele Jugendliche sähen Schule nicht als Ort, an dem sie Mitbestimmung lernten und gehört würden. Nicht wenige der Befragten sprachen den Angaben zufolge die Ungleichheit von Bildungschancen an und waren der Ansicht, dass die soziale Lage über den Bildungserfolg mitentscheide und migrantische Familien benachteiligt seien.

Trotz des DigitalPakts Schule wird die Digitalisierung von Schulen von vielen Jugendlichen als unzureichend empfunden. Die Teenager wünschen sich oft auch mehr Engagement von Lehrkräften, wenn es um die Integration digitaler Elemente im Unterricht geht.

Von politischen Themen fühlen sich die Jugendlichen mit Ausnahme von Klimakrise und Diskriminierung derweil selten persönlich betroffen – und entsprechend auch kaum zu langfristigem politischem Engagement motiviert. Ein Grund für diese Distanz ist auch eine gefühlte Einflusslosigkeit.

Zukunftsoptimismus geht nicht verloren

Dennoch befürwortet die Mehrheit der Jugendlichen das Wahlrecht ab 16 Jahren. Einige fühlen sich aber nicht ausreichend dafür vorbereitet. Einen Zusammenhang der Studienergebnisse und der Europawahl, bei der 16 Prozent der Jung- und Erstwählerinnen und -wähler für die AfD stimmten, gibt es derweil nicht, weil die Teenager schon 2023 befragt wurden. Studienautor Marc Calmbach sagte mit Blick auf die Europawahl: „Das ist ein volatiles Verhalten, ich bin mir sehr sicher, dass das in zwei Jahren ganz andres aussehen kann.“ Die Jugendlichen hätten kein geschlossen rechtes Weltbild, sie probierten aus.

Unterdessen zeigt die Studie aber auch: Trotz Zukunftsängsten sind 84 Prozent der Befragten zwischen 14 und 17 Jahren zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Alltagserleben. Viele bewahrten sich eine (zweck-)optimistische Grundhaltung, schauten für sich persönlich positiv in die Zukunft, hätten Copingstrategien entwickelt und wirken insgesamt resilient.

Die Sinus-Studie gibt es seit 2008. Es ist keine Meinungsumfrage mit Hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sondern eine qualitative Untersuchung. Dabei wurden 72 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren aus unterschiedlichen Schulformen und Bevölkerungsgruppen über mehrere Stunden intensiv zu Hause nach ihrem Alltag, ihren Wünschen, Werten und Zukunftsentwürfen befragt. Aussagekraft für die 3,1 Millionen jungen Leute in der Altersgruppe haben die Ergebnisse den Autoren zufolge wegen der Tiefe der Befragung.