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Bildungsgewerkschaften für mehr Rechte und bessere Absicherung von Doktorandinnen und Doktoranden

Promovierende müssen als Forscherinnen und Forscher in der ersten Phase ihrer Berufstätigkeit grundsätzlich die gleichen Rechte wie erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und eine ausreichende soziale Sicherung haben. Das ist der Tenor eines Strategiepapiers, das die Dachorganisation der europäischen Bildungsgewerkschaften EGBW auf seinem Kongress vorige Woche in Wien verabschiedet hat.

Bild: Kay Herschelmann

Promovierende müssen als Forscherinnen und Forscher in der ersten Phase ihrer Berufstätigkeit grundsätzlich die gleichen Rechte wie erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und eine ausreichende soziale Sicherung haben. Das ist der Tenor eines Strategiepapiers, das die Dachorganisation der europäischen Bildungsgewerkschaften EGBW auf seinem Kongress vorige Woche in Wien verabschiedet hat. EGBW ist die Abkürzung für Europäisches Gewerkschaftskomitee für Bildung und Wissenschaft, die englische Bezeichnung lautet European Trade Union Committee for Education (ETUCE). Dem EGBW gehören 129 Gewerkschaften aus 45 Ländern an, insgesamt repräsentiert der EGBW 11 Millionen Gewerkschaftsmitglieder. Er ist die europäische Region der Bildungsinternationale (Education International), der weltweiten Dachorganisation der Bildungsgewerkschaften. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist Mitglied sowohl des EGBW als auch der Bildungsinternationale, GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller ist einer der sechs Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten des EGBW.

In ihrem Strategiepapier formulieren die Bildungsgewerkschaften Anforderungen an die Ausgestaltung der Promotion im Europäischen Hochschulraum und an die Rechte der Doktorandinnen und Doktoranden. Im Mittelpunkt stehen die Forderungen nach einem fairen und transparenten Zugang zur Promotion sowie nach attraktiven Beschäftigungsbedingungen und einer wirksamen sozialen Sicherung. Promovierende sollen einen Anspruch auf eine gute Betreuung sowie Fortbildung bekommen. Die innovative, eigene Forschung wird als Kern der Promotion hervorgehoben, die dadurch für anspruchsvolle Tätigkeiten innerhalb und außerhalb der Wissenschaft qualifiziert. Weiter fordern die Bildungsgewerkschaften Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Anwendung der von der Europäischen Kommission empfohlenen „Europäischen Charta für Forscher“ sowie des „Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern“ auf. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der UNESCO über die Stellung des Lehrpersonals an Hochschulen sollen Doktorandinnen und Doktoranden den gleichen Schutz der akademischen Freiheit und des geistigen Eigentums genießen und die gleichen Rechte auf Mitbestimmung haben wie erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Weiter hat der Wiener EGBW-Kongress Resolutionen zur Gestaltung des Lehrberufs im 21. Jahrhundert, zu den Auswirkungen neoliberaler Politik auf das Bildungswesen und ein Strategiepapier über Qualitätssicherung an Hochschulen verabschiedet. In der Resolution zur Zukunft des Lehrberufs werden u.a. Anforderungen an den pädagogischen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien formuliert: Die neuen Technologien sollten als Ergänzung und nicht als Ersatz für Lehre und Unterricht in Klassenzimmer und Hörsaal dienen. Bereits im November hatte sich die Bildungsinternationale auf ihrer Welthochschulkonferenz in Brüssel mit den Chancen und Risiken von „Massive Open Online Courses (MOOCs)“ beschäftigt. MOOCs seien dann eine Chance, wenn sie tatsächlich zur Öffnung der Hochschulen, Durchsetzung der Chancengleichheit und Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium beitragen, wofür aber erst noch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten, heißt es im Entwurf für ein Positionspapier der Bildungsgewerkschaften, das in Brüssel diskutiert wurde.

Promotion im Europäischen Hochschulraum (II): Rektorenkonferenzen warnen vor Angleichung an Bachelor und Master

Unterdessen hat die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gemeinsam mit den Rektorenkonferenzen aus Frankreich, Polen, Deutschland, Großbritannien und der Schweiz in einer gemeinsamen Erklärung davor gewarnt, den Charakter der Promotion als erster Phase forschungsbasierter Arbeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verwässern. Hintergrund sind Überlegungen von Mitgliedstaaten des Bologna-Prozesses, die Promotionsphase als "dritten Zyklus" des Hochschulstudiums nach Bachelor und Master den ersten beiden Zyklen äußerlich und strukturell anzugleichen. So sollen ECTS-Leistungspunkte vergeben und arbeitsmarktorientierte Zusatzqualifizierungen zum verbindlichen Bestandteil der Promotion gemacht werden. Eine abschließende Entscheidung wird auf dem nächsten Bologna-Gipfel der europäischen Bildungsministerinnen und Bildungsminister im Mai 2015 in der armenischen Hauptstadt Jerewan fallen. Die Bildungsgewerkschaft GEW teilt die Kritik der HRK und der anderen Rektorenkonferenzen an einer Angleichung der Promotion an Bachelor- und Masterstudium. "Wir verstehen die Promotion nicht als dritte Phase des Studiums, sondern als erste Phase wissenschaftlicher Berufsausübung", sagte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW am Rande des Kongresses der europäischen Bildungsgewerkschaften (EGBW) in Wien. Das habe die GEW 2010 im Templiner Manifest deutlich gemacht und 2013 auf ihrem Düsseldorfer Gewerkschaftstag im Beschluss "Baustelle Hochschule – Vier Bausteine für die Reform der Promotionsphase" unterstrichen. Das vom EGBW-Kongress beschlossene Strategiepapier zum Status von Doktorandinnen und Doktoranden gehe in die gleiche Richtung. "Wir lassen aber nicht zu, dass sich die Hochschulen aus ihrer Verantwortung für eine gute Betreuung und faire Rahmenbedingungen für die Doktorandinnen und Doktoranden stehlen", betonte Keller. "Dazu gehören ausreichend tarifvertraglich geregelte und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die einen ausreichenden Anteil der Arbeitszeit für die eigenständige Qualifikation vorsehen. Die Förderdauer muss sicherstellen, dass die Promotion tatsächlich abgeschlossen werden kann. Weiter erwarten wir von den Hochschulen, dass sie alle Doktorandinnen und Doktoranden bei der Aufnahme, Durchführung und dem erfolgreichen Abschluss der Promotion aktiv unterstützen – etwa durch das von der GEW-Projektgruppe Doktorandinnen und Doktoranden entwickelte Konzept fächerübergreifender Graduiertenzentren."

Das Templiner Manifest wirkt: im Saarland

Nach Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen (wir berichteten) hat der Gesetzgeber auch im Saarland Impulse der GEW-Kampagne für den "Traumjob Wissenschaft" (Templiner Manifest) aufgegriffen. So heißt es in § 9 Absatz 2 des per Gesetz vom 14. Oktober 2014 geänderten Universitätsgesetzes: "Die Beschäftigungsstruktur ist so auszugestalten, dass die Qualität und die Kontinuität der wissenschaftlichen Arbeit in Forschung und Lehre gesichert sind. Insbesondere ist mit Blick auf dauerhafte Aufgaben in den wissenschaftlichen Bereichen die Anzahl der Dauerstellen in ein angemessenes Verhältnis zu den befristeten Qualifikationsstellen zu bringen und zu halten." Gemäß § 37 Absatz 3 und § 38 Absatz 2 des Universitätsgesetzes soll die Dauer befristeter Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Lehrkräften für besondere Aufgaben "in der Regel ein Jahr nicht unterschreiten". Papier ist geduldig und die im Saarländischen Universitätsgesetz verankerten Zielsetzungen müssen jetzt auch tatsächlich umgesetzt werden – aber die Weichen dafür sind jetzt gestellt. Das Templiner Manifest wirkt...

Kommentar zu den Wissenschaftsrats-Empfehlungen: "Mogelpackung Tenure Track"

Im Juli hat das offizielle Beratungsgremium von Bund und Ländern, der Wissenschaftsrat, seine "Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten" verabschiedet. In einem Kommentar für die jüngste Ausgabe der "Blätter für deutsche und internationale Politik" hat sich der stellvertretende Vorsitzende der GEW, Andreas Keller, kritisch mit den Empfehlungen auseinandergesetzt. Die Problemanalyse des Wissenschaftsrats sei zutreffend, viele Lösungsvorschläge wiesen in die richtige Richtung, aber die vorgeschlagene "Tenure Track-Professur" erweise sich als "Mogelpackung", so der GEW-Hochschulexperte.