Neue ifo-Studie
Bildungschancen für Kinder bleiben ungerecht verteilt
Die Studie „Ungleiche Bildungschancen“ des ifo Instituts zeigt erneut den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozioökonomischer Herkunft. Die GEW bekräftigt ihre Forderung nach längerem, gemeinsamem Lernen.
Die seit Jahrzehnten anhaltende Bildungsungerechtigkeit in Deutschland ist durch eine weitere Studie untermauert worden: Die Daten der neuen ifo-Untersuchung „Ungleiche Bildungschancen: Ein Blick in die Bundesländer“ zeigen, dass die Chance auf einen Gymnasialbesuch von Kindern bei einem niedrigeren sozioökonomischen Hintergrund der Familien nicht einmal halb so groß ist wie bei einem höheren Hintergrund (Chancenverhältnis 44,6 Prozent). Deutschlandweit besuchen 26,7 Prozent der Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium, aus günstigen Verhältnissen sind es 59,8 Prozent. Die GEW fordert die Kultusministerkonferenz (KMK) daher auf, das Thema „Längeres gemeinsames Lernen aller Kinder und Jugendlichen“ endlich auf die politische Tagesordnung zu setzen.
„Je weniger Selektion, desto besser kann jedes Kind seine Bildungspotenziale entwickeln.“ (Anja Bensinger-Stolze)
„Die Chancengleichheit in der Bildung erhöht sich, wenn die Schülerinnen und Schüler mindestens bis zur 10. Klasse zusammen lernen. Das zeigt das Beispiel der skandinavischen Staaten. Je weniger Selektion, desto besser kann jedes Kind seine Bildungspotenziale entwickeln“, sagte Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule, am Montag in Frankfurt am Main. Deutschland hinke europaweit mit Blick auf die Ausschöpfung der Bildungspotenziale der Kinder und Jugendlichen hinterher.
In den Bundesländern, die Gesamt- und Gemeinschaftsschulen mit der Möglichkeit ein Abitur zu machen oder eine sechsjährige Grundschule vorhielten, seien die Bildungschancen auch für benachteiligte Schülerinnen und Schüler deutlich besser, betonte die Gewerkschafterin.
Zusätzliche Gelder nach Sozialindex verteilen
Aber auch die frühkindliche Bildung, die Sprachförderung sowie die Unterstützung armer Familien und Schulen, die unter schwierigen sozialen Bedingungen arbeiteten, müssten verbessert werden. Dazu seien zusätzliche Gelder erforderlich, die gezielt nach Sozialindex verteilt werden sollten.
Die Ungleichheit der Bildungschancen ist laut der Studie des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München in allen Bundesländern sehr stark ausgeprägt. Allerdings gibt es von Land zu Land noch einmal große Unterschiede.
Am wenigsten negativ wirkt sich demnach ein ungünstiger familiärer Hintergrund für Kinder in Berlin und Brandenburg aus: Es ist etwa halb so wahrscheinlich (Berlin: 53,8 Prozent; Brandenburg: 52,8 Prozent), dass Kinder aus benachteiligten Verhältnissen ein Gymnasium besuchen wie Kinder aus günstigen Verhältnissen. Am unteren Ende liegen Sachsen mit 40,1 und Bayern mit 38,1 Prozent. Chancengleichheit wäre bei 100 Prozent erreicht.
Datenbasis war der Mikrozensus 2018 und 2019. Für eine Stichprobe von 102.005 Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren liefert er Informationen über den Gymnasialbesuch und den familiären Hintergrund. Die Fallzahlen reichen von 947 Kindern in Bremen bis 23.022 in Nordrhein-Westfalen.