Zum Inhalt springen

Kommentar

Bildung ist lebenswichtig!

Der Fachkräftemangel steigt in allen Bildungsbereichen. Diesem Mangel kann die Politik nur durch eine Senkung der Arbeitsbelastung und bessere Bezahlung der Beschäftigten Rechnung tragen.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe (Foto: Kay Herschelmann)

Bildungseinrichtungen stehen insbesondere seit der Schließung von Schulen und Kitas in der Corona-Pandemie im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie fehlten allen, weil sie nicht nur ein Ort von Betreuung, Bildung und Wissensvermittlung, sondern auch ein Ort des sozialen Zusammenlebens sind. Sie können auch ein Schutzraum sein, wenn das familiäre Umfeld durch Gefährdungen beeinträchtigt ist. Die Öffentlichkeit hat die schnelle Öffnung von Kitas und Schulen gewünscht und beklagt in erster Linie die mangelnde digitale Ausstattung. Dies erkennt auch die Politik und hat zusätzliche Mittel für digitale Endgeräte für Lehrkräfte, für Kinder in Risikolagen und nun auch zur Ausbildung und Einstellung von Systemadministrator*innen in Aussicht gestellt. Gut so.

Dieser Blick auf die Bildungseinrichtungen ist aber zu eingeengt. Der Nationale Bildungsbericht und die OECD-Berichterstattung zeigen, dass Bildung zentral das Leben der Menschen bestimmt. Wer gut gebildet ist, lebt finanziell sicherer, gesünder, beteiligt sich aktiv in Sport und Gesellschaft. Menschen mit beruflichem Abschluss mit anschließendem Studium sind, das zeigen Untersuchungen, außerordentlich mit ihrem Leben zufrieden. Bildung ist also lebenswichtig.

Soziale Ungleichheit

Studien belegen jedoch ein ums andere Mal, dass in Deutschland nach wie vor der Zugang zu besserer Bildung von der Risikolage eines Kindes abhängt, sei diese sozial, weil die Eltern nicht erwerbstätig sind, finanziell, weil sie armutsgefährdet sind, oder bildungsfern, weil die Eltern keinen Berufsabschluss haben. Kinder mit Migrationshintergrund oder von Alleinerziehenden leben noch häufiger in Risikolagen als andere, denn diese haben mit mehr Härten zu kämpfen.

Die soziale Spaltung wird durch das föderale Finanzierungssystem in Deutschland verstärkt. Kinder in armen Kommunen haben schlechtere Startmöglichkeiten. So ergab 2019 eine Untersuchung zu den Investitions- und Unterhaltsausgaben in Hessen, dass die Stadt Kassel für Kinder pro Kopf und Jahr 267 Euro ausgegeben hat, im gleichen Bundesland der Hochtaunuskreis 1.444 Euro. Und das nicht nur einmal in einem Jahr, sondern dauerhaft. Pro Kind investierte der Hochtaunuskreis in 25 Jahren die 5,5-fachen Finanzmittel wie Kassel. Ungeheuerlich! Diese soziale Ungleichheit sorgt bei mir immer wieder für eine Gänsehaut und Kampfeswillen für gleiche Lebensverhältnisse. Wir müssen Bund, Länder und Kommunen auf ihre Pflichten hinweisen: Es darf nicht vom Wohnort abhängen, wie gut Kinder in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Dies fordern wir immer wieder ein.

Steigender Fachkräftemangel

Der Nationale Bildungsbericht belegt, was wir alle aus der Praxis wissen: Der Fachkräftemangel steigt in allen Bildungsbereichen. Diesem Mangel kann die Politik nur durch eine Senkung der Arbeitsbelastung und bessere Bezahlung der Beschäftigten Rechnung tragen. Die Arbeit im Bildungsbereich zeichnet sich dadurch aus, dass sie Sinn gibt. Die Lehrenden wollen einen Unterschied machen im Leben der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die sie (aus)bilden. Aber die Arbeitsbelastung ist sehr hoch, das zeigen Arbeitszeit- und -belastungsstudien.

Deshalb will die GEW die Öffentlichkeit mit Aktionen im Herbst auf die Arbeitsbelastung der Menschen, die im Bildungsbereich arbeiten, aufmerksam machen. Sie brauchen die Unterstützung der Gesellschaft, damit die Politik handelt. Die Fachkraft-Kind-Relation muss gesenkt werden. Die Lerngruppen in Schule, berufsbildender Schule, Hochschule und in den Integrationskursen müssen kleiner werden. Dann machen Lernen und Lehren mehr Freude und haben mehr Aussicht auf Erfolg für alle.