Kommentar zum 30. GEW-Gewerkschaftstag
Bildung ist der Schlüssel zu Demokratie
In den nächsten vier Jahren wird die GEW alles daran setzen, einen Neustart in der Bildung zu forcieren. Sie macht sich dafür stark, dass politisch Verantwortliche die notwendigen Gelder bereitstellen und für ausreichend qualifiziertes Personal sorgen.
In einer Zeit, in der rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte weltweit auf dem Vormarsch sind, steht nicht weniger als die Zukunft unserer Demokratien auf dem Spiel. Diese Entwicklung lässt sich nicht isoliert betrachten – sie ist untrennbar mit der Frage verknüpft, welchen Stellenwert Bildung in unserer Gesellschaft einnimmt. Bildung ist kein beliebiger Politikbereich. Sie ist Fundament, Bollwerk und Zukunftsversprechen zugleich. Sie ist der Ort, an dem Demokratie gelernt, gelebt und verteidigt wird. Wer hier spart, verspielt nicht nur soziale Gerechtigkeit, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Öffentliche Schulen und Hochschulen werden zur Zielscheibe politischer Einflussnahme.
Wo Rechtspopulisten die Macht übernehmen – sei es Donald Trump in den USA, Javier Milei in Argentinien, Viktor Orbán in Ungarn oder Giorgia Meloni in Italien – folgt auf ihre Politik fast immer ein direkter Angriff auf die öffentliche Bildung. Museen wie das ESMA in Buenos Aires, das an die Schrecken der Militärdiktatur erinnert, werden ihrer Mittel beraubt. Bildungsministerien werden abgeschafft, wie es in den USA derzeit unter Trump der Fall ist. Öffentliche Schulen und Hochschulen werden zur Zielscheibe politischer Einflussnahme. Denn Bildung, insbesondere demokratische und kritische Bildung, ist der natürliche Feind des Autoritarismus. Sie stellt Fragen, hinterfragt Macht und befähigt zur Teilhabe.
Auch in Deutschland ist diese Bedrohung längst angekommen. Die AfD, vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, erzielt erschreckend gute Wahlergebnisse. Gleichzeitig verschiebt sich der öffentliche Diskurs: Hass und Hetze werden normalisiert, Menschenverachtung wird salonfähig. Das, was Ende Januar im Deutschen Bundestag in der Abstimmung zu dem Entschließungsantrag der Union durch ein Akzeptieren von Mehrheiten mit der AfD provoziert worden ist, darf sich nicht wiederholen!
Demokratiebildung braucht Ressourcen
In dieser Situation braucht es eine Bildungspolitik, die nicht nur auf Fachkräftesicherung oder Digitalisierung zielt, sondern auf die Stärkung der demokratischen Resilienz unserer Gesellschaft. Von frühkindlicher Bildung über Schulen und Berufsschulen bis hin zu Hochschulen und der Weiterbildung müssen Räume geschaffen werden, in denen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene lernen, sich als gleichwertige, selbstbestimmte und solidarische Mitglieder der Gesellschaft zu verstehen. Das beginnt mit der Sprachförderung in der Kita, setzt sich fort mit einem Schulunterricht, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern Urteilsfähigkeit, Weltoffenheit und historisches Bewusstsein stärkt. Eine solche Bildung umfasst Studiengänge, die nicht nur Qualifikationen liefern, sondern gesellschaftliches Engagement fördern.
Doch diese Bildung braucht Ressourcen. Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen und Dozent*innen an Hochschulen und Volkshochschulen brauchen gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung und politische Rückendeckung. Der Bildungssektor leidet seit Jahren unter einem massiven Investitionsstau. Marode Schulgebäude, überlastete Fachkräfte, fehlende Digitalisierung, unterfinanzierte Hochschulen – all das ist kein Zufall, sondern Ergebnis politischer Versäumnisse. Wer Bildung vernachlässigt, spart an der falschen Stelle – und fördert genau jene sozialen Verwerfungen, die autoritäre Kräfte auszunutzen wissen.
Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Der Zugang zu guter Bildung darf nicht von Herkunft, Wohnort oder Geldbeutel abhängen. Doch genau das ist in Deutschland nach wie vor Realität. Kinder aus einkommensschwachen oder bildungsfernen Familien haben deutlich geringere Chancen auf einen guten Schulabschluss oder ein Hochschulstudium als der Nachwuchs aus gut situierten und bildungsnahen Elternhäusern. Die soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems gehört zu den höchsten in Europa – das ist ein Armutszeugnis für ein Land, das sich so viel darauf einbildet, Bildungsnation zu sein. Ein echter Neustart in der Bildungspolitik bedeutet, dieses Ungleichgewicht zu bekämpfen: mit mehr Investitionen in frühkindliche Bildung, mit einem Schulsystem, das länger gemeinsam und inklusiv lernen lässt, mit einer BAföG-Reform, die wirklich existenzsichernd ist. Und vor allem mit dem politischen Willen, Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen.
Bildung ist keine Ausgabe – sie ist eine Investition in die Demokratie.
In einer Welt, die zunehmend von Kriegen, Krisen und autoritären Rückschritten geprägt ist, wird Bildung zur Ressource der Hoffnung. Sie schafft Perspektiven, wo Armut herrscht. Sie stärkt die Zivilgesellschaft, in der Menschenrechte bedroht sind. Und sie verbindet Menschen über Grenzen hinweg, in Solidarität und im gemeinsamen Streben nach einer besseren Zukunft.
Mugwena Maluleke, Präsident der Education International (EI), hat es auf den Punkt gebracht: „I believe in the power of education for democracy and peace.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer: Wir müssen dieser Überzeugung endlich Taten folgen lassen. Bildung ist keine Ausgabe – sie ist eine Investition in die Demokratie. Und wir dürfen es uns nicht leisten, sie zu vernachlässigen. Jetzt ist die Zeit für Mut, für Veränderung und für einen Aufbruch – hin zu einem gerechten, demokratischen und solidarischen Bildungssystem für alle. Der Gewerkschaftstag der GEW in Berlin, zu dem über 400 Delegierte und viele Gäste aus dem In- und Ausland zusammengekommen sind, hat dies eindrucksvoll unterstrichen.