Johanna Weitzel (32) arbeitet seit rund acht Monaten als Lehrerin an der Grundschule Rebstock in Frankfurt am Main. Vorher war sie an der Waldgrundschule Wehrda in Marburg tätig.
"Als ich in den Beruf gestartet bin, kannte ich Zeitnot vor allem aus dem Referendariat. Da steht man ja fast immer unter Druck. Deshalb bin ich als Lehrerin an meiner ersten Schule im Prinzip gut klargekommen. Das Wichtigste ist, sich selbst eine gute Struktur zu schaffen: Was mache ich wann? Wie lange brauche ich dafür? Das klappt, weil ich selbst recht gut organisiert bin. Ich mache zum Beispiel so genannte 'To-do-Listen'. Das hilft mir bei der Planung.
Trotzdem habe ich oft das Gefühl, dass die Zeit fürs Unterrichten, für Gespräche mit Kindern, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen nicht ausreicht. Das liegt sicher daran, dass mein Beruf so vielfältig und Vieles nicht vorherzusehen ist. Wenn man in einem Unternehmen arbeitet, schickt der Abteilungsleiter E-Mails mit konkreten Aufträgen oder Terminen für Konferenzen. Damit ist ein Großteil der Arbeit dokumentiert, und als Mitarbeiterin kann ich entscheiden, was jetzt Priorität hat und was nicht.
Ganz anders ist es im Lehrerjob, der ein Situationsberuf ist: Man erfährt etwa auf dem Weg zum Lehrerzimmer, dass eine Kollegin ausfällt, mit einem Kind etwas nicht stimmt oder ich Eltern kontaktieren muss. Diese Tür- und Angelgespräche sind wichtig. Aber die Gefahr besteht, dass man Dinge vergisst, weil permanent etwas Neues dazu kommt. Zeitdruck entsteht bei mir auch vor den Zeugnissen. Positiv könnte man zwar sagen: Gut, dass es diese Deadline gibt. Aber sich darauf vorzubereiten, kostet dennoch immer wieder viel Zeit, die mir an anderer Stelle fehlt.
Was mir sehr hilft, sind unsere Teamstrukturen. Wir haben eigene Teamräume in der Schule mit Druckern, Computern und Telefonen. Dort treffen sich die Kolleginnen und Kollegen eines Jahrgangs. So können wir uns auf kurzem Wege absprechen und Probleme bereden. Gut ist auch die flexible Zeitstruktur in der ersten Klasse, die ich sehr variabel gestalten kann. Gerade wenn die Kinder noch klein sind, ergibt ein 45-Minuten-Takt keinen Sinn.
"Wenn ich mir mehr Zeit wünschen könnte, würde ich sie auf jeden Fall dafür verwenden, Mädchen und Jungen stärker individuell zu fördern."
Das Leistungsspektrum in den Klassen ist doch sehr groß. Und wegen des Personalmangels an den Schulen ist es kaum möglich, wirklich allen Schülerinnen und Schülern zu jeder Zeit gerecht zu werden.
Trotz des Zeitdrucks versuche ich, die schulischen Strukturen so zu nutzen, dass möglichst viele Kinder profitieren: Indem ich wenig lehrerzentriert unterrichte, selten frontal, stattdessen mehr in Kleingruppen. Nur dann habe ich eine Chance, auch auf einzelne Mädchen und Jungen einzugehen. Eine doppelte Klassenführung wäre daher eine enorme Entlastung für alle Beteiligten."