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Gutachten von SWK und KMK

Big Data in der Bildung

Das Gutachten „Digitalisierung im Bildungssystem“ der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) lässt aufhorchen.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) entwickelt das Szenario eines auf Algorithmen gestützten Unterrichts, der das Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden tiefgreifend ändern würde. (Foto: IMAGO/Alexander Limbach)

Frank Gilbreth, einer der Apologeten „wissenschaftlicher Betriebsführung“, filmte seine zwölf Kinder so lange beim Abspülen, bis die effizienteste, wirksamste Methode gefunden war. Er hatte eine Art Algorithmus entdeckt, eine genau festgelegte optimale Abfolge von Einzelschritten zur Lösung eines Problems.

Die SWK überträgt nun in ihrem Gutachten „Digitalisierung im Bildungssystem“ die Logik betriebswirtschaftlicher Effizienzkriterien und zweckrationalen Denkens auf den Bildungsbereich. Im Zentrum stehen „erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse in einer digitalisierten Welt“, die im Gegensatz zum Bildungsbegriff quantifizierbar, datentechnisch erfassbar, messbar und optimierbar sind.

Medienpädagogik ausgeblendet

Das Gutachten zeigt eine Engführung auf „Digitale (Medien-)Kompetenz“, Lernwirksamkeit und Datafizierungspotenziale, der Einfluss der Gesellschaft für Informatik (GI) wird deutlich. Die SWK nimmt dabei für sich in Anspruch, wissenschaftsbasiert/evidenzbasiert zu argumentieren, repräsentiert aber im Kern eine bestimmte Richtung: die empirische Bildungsforschung. Andere Ansätze wie die Medienpädagogik oder Critical data studies werden ausgeblendet.

Für den Kita-Bereich empfiehlt die SWK, „Digitale Medienbildung“ und elementarinformatische Bildung in allen Bildungs- und Orientierungsplänen der Bundesländer zu verankern. In der Grundschule sollen informatische Inhalte im Rahmen des Sachkundeunterrichts behandelt werden, ab der Sekundarstufe I in einem Pflichtfach Informatik. Für die berufliche Bildung werden zumindest auch kritisch-reflexive Kompetenzen im Zusammenhang mit Digitalisierung genannt. Aber das Prüfungswesen an beruflichen Schulen wie an Hochschulen soll weiter digitalisiert und Prüfungsdaten sollen für „Qualitätsmonitoring“ abgeschöpft werden.

Wollen wir KI-gestützten Unterricht?

Zudem fordert die Kommission, im Bildungsbereich gesammelte Daten stärker zu nutzen. Zentren digitaler Bildung sollen Learning Analytics, zum Beispiel Intelligente Tutorielle Systeme, also durch Künstliche Intelligenz (KI) gesteuerte Anwendungen zur Diagnostik entwickeln. Die SWK zeichnet das Szenario eines auf Algorithmen gestützten Unterrichts, der tiefgreifende Veränderungen und Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Lernenden, in das Professionsverständnis der Lehrenden und den Umgang zwischen Lernenden und Lehrenden hätte. Dies wirft Fragen auf: Wollen wir KI-gestützten Unterricht? Wie weit ist es vom digitalen Unterricht zur digitalen Lehrkraft? Welche Rationalisierungsszenarien stecken in den Forderungen?

Digitalisierung braucht Mitbestimmung

Die GEW macht sich für eine datenpolitische Bildung stark, die Wissen über Algorithmen – eingebettet in soziale Bezüge – vermittelt, um die Blackbox Digitalisierung zu decodieren und demokratisch zu gestalten. Lernende und Lehrende benötigen hierzu informatisches, aber auch instrumentelles, analytisches und strukturelles Wissen über die Prozesse und Akteure. Schule braucht Zeit und Möglichkeiten, um kreativ mit Medien zu experimentieren und diese didaktisch sinnvoll einzusetzen. Von diesen Bezügen und Möglichkeiten der Digitalisierung erfährt man im Gutachten leider wenig. Stattdessen präsentiert es Informatik, KI-basierte Diagnostikverfahren und Datamining als die Lösung der Digitalisierung im Bildungswesen.

Ein Beschluss des diesjährigen GEW-Gewerkschaftstages zu Learning Analytics, Algorithmen und Big Data fordert Transparenz bei behördlich eingeführten technologischen Systemen im Bildungsbereich. Wenn pädagogische Prozesse, Lernsettings, Diagnostik, Forschung oder personenbezogene Auswertungen algorithmisch gesteuert werden, müssen die Grundlagen der dahinterstehenden Algorithmen verständlich offengelegt werden. Automatisierte Verhaltens- und Leistungskontrollen lehnt die GEW ab. Eine politische Technikfolgenabschätzung sollte es möglichst geben, bevor digitale Technologien eingeführt werden. Die Digitalisierung im Bildungswesen braucht Mitbestimmung und eine Debatte darüber. Das Gutachten der SWK verdeutlicht, dass die Zeit drängt.