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Befristungswildwuchs stoppen

Betriebs- und Personalräte-AG verabschiedet Grundsätze

Die Arbeitsgemeinschaft der Betriebs- und Personalräte der außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat ein Grundsatzpapier für eine zukunftsorientierte Forschung mit angemessenen Beschäftigungsbedingungen vorgelegt – mit Unterstützung der GEW.

Die Arbeitsgemeinschaft der Betriebs- und Personalräte der außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AGBR) vertritt die Interessen von insgesamt rund 115.000 Beschäftigten in der  außeruniversitären Forschung – in der Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft. Im Rahmen ihrer letzten Konferenz hat sie am 6. Oktober 2021 „Beschäftigungspolitische Grundsätze für eine Forschung in gesellschaftlicher Verantwortung“ verabschiedet, die ihr letztes Grundsatzpapier aus dem Jahre 1994 ablösen.

Dem Beschluss ist ein zweijähriger Diskussionsprozess vorangegangen, den die GEW kollegial beratend begleitet hat. Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung der GEW, hat an der Oktober-Konferenz teilgenommen und freut sich über die neuen Grundsätze: „Die Betriebs- und Personalräte bestehen zurecht darauf, dass gute Forschung und gute Beschäftigungsbedingungen zwei Seiten einer Medaille sind. Das Papier kommt zur rechten Zeit, denn jetzt werden in den Koalitionsverhandlungen die Weichen für die Forschungspolitik der nächsten vier Jahre gestellt. Wir brauchen eine umfassende Reform des Befristungsrechts und eine substanzielle Erhöhung der Grundfinanzierung in der Forschung. Die AGBR legt den Finger in die beschäftigungspolitischen Wunden einer zunehmend auf Wettbewerb und Personalaustausch ausgerichteten Forschungspolitik.“

Das 13-seitige Positionspapier weist viele Überschneidungen mit der Wissenschaftspolitik der GEW auf. Den konkreten Forderungen gehen jeweils thesenartige Analysen voraus, mit denen die gesellschaftliche Anforderungen an Forschung und Wissenschaft formuliert werden. Eine Gesellschaft im Wandel erwarte von der Forschung zu Recht, dass sie Antworten auf Fragen, die mit Klimawandel, Globalisierung, Digitalisierung und wachsender Demokratiefeindlichkeit verbunden sind, anbiete, heißt es in den Grundsätzen. Doch, so die durchlaufende Argumentation des AGBR-Papiers, diesen Herausforderungen seien die Forschungseinrichtungen nur dann strukturell gewachsen, wenn die finanzielle Grundausstattung und die Arbeitsbedingungen nachhaltig ausgestaltet und von demokratischer Mitbestimmung und Wertschätzung getragen sind.

Gegen mitbestimmungs- und tariffreie Räume

Es dürfe „keine mitbestimmungsfreien Räume“ geben, die in den letzten Jahren vermehrt durch Outsourcing oder neue Formen institutioneller und internationaler Kooperationen entstanden sind, lautet einer der zentralen Forderungen der AGBR. Die Mitbestimmung bei der Festlegung der Einkommen und Beschäftigungsbedingungen sei umgehend durch eine strikte Tarifbindung zu garantieren. Dies gelte nicht zuletzt für die Promovierenden, für die die AGBR wie die GEW tarifierte und sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen fordern – mit einem angemessenen garantierten Arbeitszeitanteil für die eigenen Qualifizierung – fordert.

„Dass Bund und Länder die Forschungseinrichtungen über den Pakt für Forschung und Innovation Jahr für Jahr mit rund zehn Milliarden Euro geben und ihr Budget jährlich um drei Prozent aufstocken, aber nicht einmal darauf bestehen, dass die Einrichtungen mit den Gewerkschaften Tarifverträge abschließen oder einem tarifgebundenen Arbeitgeberverband beitreten, ist ein Skandal. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung diesem Treiben Einhalt gebietet und auf Tarifbindung, gute Arbeit, faire Beschäftigungsbedingungen und verlässliche Karrierewege in der Forschung pocht“, mahnte Keller.

Befristungswildwuchs stoppen

Vor dem Hintergrund einer Befristungsquote, die gemäß der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zwischen 55 Prozent (Helmholtz-Gemeinschaft) und 78 Prozent (Leibniz-Gemeinschaft) – in einigen Einrichtungen im wissenschaftlichen Bereich inzwischen sogar über 80 Prozent – liegt, tritt die AGBR für eine gesetzliche Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten, den Wegfall der sachgrundlosen Befristung im Teilzeit- und Befristungsgesetz und nach der Promotion grundsätzlich Dauerstellen oder mindestens verbindliche Dauerstellenperspektiven ein. „Es ist ein wichtiges politisches Signal, dass sich die Betriebs- und Personalräte hier hinter die GEW-Forderung nach Dauerstellen für Daueraufgaben stellen. Wie die AGBR richtig moniert, lädt das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in seiner jetzigen Form geradezu dazu ein, die Befristung zum Regelfall zu mache. Ich freue mich, dass die Arbeitsgemeinschaft sich mit ihren beschäftigungspolitischen Grundsätzen in die Debatte um die überfällige Reform des Gesetzes eingemischt hat“, so GEW-Vize Andreas Keller.